Durch Westanatolien und entlang der lykischen Küste

Unsere Route durch Westanatolien und an der lykischen Küste
Türkisch für Anfänger – Olaf und Tahir in Sultanhani

Morgens in Sultanhani gibt uns Tahir beim Apfeltee noch einen Crashkurs in “ Türkisch für Anfänger“ und so können wir uns mit einem herzlichen “tesekkür ederim“ und“Allah a ismarladik“ von ihm verabschieden. Nach ca. 90 Minuten Fahrt durch topfebene, öde Steppe erreichen wir am 12.10. Konya, die Millionenstadt im westanatolischen Binnenland. Ein Pilgerort für jährlich drei Millionen Menschen, die zum Grab des Mevlana (Meister) Celaleddin Rumi strömen. Er gründeten im 13. Jahrhundert die “ Bruderschaft der tanzenden Derwische“ und sein Orden hatte über 650 Jahre lang auch enormen gesellschaftlichen Einfluss. Berühmt sind heute natürlich noch immer die Derwischtänze, bei denen sich Männergruppen im Wirbel der Musik um die eigene Achse und im Kreis drehen. Zusammen mit ganzen Busladungen anatolischer Bäuerinnen und vielen Touristen betreten auch wir das Mevlanakloster, wo der als Volksheilige verehrte Mystiker gelebt und auch seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Mevlanakloster in Konya

Es ist eine sehr interessante Anlage, aber viel mehr beeindruckt uns der religiöse Eifer, mit dem die Pilger zu der Grabstätte drängen. Anschließend bummeln wir über die Einkaufsstraße und durch den Basar. Die Stadt gilt als ultrakonservative Hochburg, trotzdem ist auch hier das Tragen eines Kopftuch kein Zwang und als Touristin würde man sich wohl ziemlich lächerlich damit machen. Die Reiseführer schreiben manchmal einen ganz schönen Blödsinn. Doch es gibt natürlich massenweise Moscheen, von denen wir aber “nur“ drei besichtigen. Am späten Nachmittag fahren wir dann noch 80 Kilometer nach Süden in die Berge, um einen einsamen Stellplatz für die Nacht zu haben. Nach den Tagen in Kappadokien und der Übernachtung in Sultanhani mitten im Ort (und direkt neben der Moschee -morgens um 5 ruft der Muezzin) sehnen wir uns nach etwas Ruhe und Abgeschiedenheit.

Doch der Tag hält noch eine Überraschung für uns bereit. In der Nähe macht nämlich eine türkische Familie ein Picknick und die Kinder bringen uns einen großen Sack Äpfel. Wir freuen uns natürlich sehr darüber. Und kaum sind wir mit unserem Abendessen fertig, stehen sie wieder an unserem Bus und laden uns zum Essen ein. Wer könnte da widerstehen? Und so verbringen wir einen unvergesslichen Abend inmitten einer türkischen Großfamilie mit vier Kindern sowie Onkel, Tante und deren Kindern, die uns mit einer überwältigenden Herzlichkeit bewirtet und uns am liebsten mit nach Hause nehmen würde. Auch wenn wir eigentlich pappsatt sind, müssen wir von allen Speisen probieren, danach gibt es natürlich noch jede Menge Tee und Kekse. Die beiden Mädchen, Beyza und Emine, sind schon 18 bzw. 21 Jahre alt und hatten in der Schule 8 Jahre lang Englischunterricht. Allerdings lernen sie dort kaum die Sprache anzuwenden, so dass sie nur sehr bruchstückhaft sprechen. Doch es reicht aus, um für uns alle zu dolmetschen. Sie haben große Pläne für die Zukunft und wollen Ärztin bzw. Soziologin werden. Auch um das Geld für das College zu zahlen, arbeiten ihre Väter jeden Tag in der Woche. Aber mit den nur 500 Euro, die sie monatlich verdienen, ist das Leben für eine sechsköpfige Familie nicht leicht. Aishe, ihre Cousine, ist erst 16 und Hausfrau und freut sich auf ihre Hochzeit im nächsten Jahr. Da wundern wir uns schon etwas. Umgekehrt ist es für unsere Gastgeber sehr komisch, dass unsere Kinder noch immer nicht verheiratet sind, obwohl sie schon mit fast 30 Jahren so alt sind. Wir erfahren viel Interessantes und zum Abschied werden wir von allen liebevoll umarmt und geherzt. Damit wir auf unserer Weiterreise nicht verhungern, bekommen wir schließlich noch zwei Einkaufsbeutel prallvoll mit Äpfeln, Tomaten und hart gekochten Eiern in die Hand gedrückt. Wunderbare Menschen, ein tolles Erlebnis, dass uns tief berührt.

Picknick mit unserer “Adoptiv-Familie“

Den nächsten Tag verbringen wir überwiegend im Auto. Wir durchqueren das schöne, bis zu 3000 m hohe Taurusgebirge. Plötzlich ist die Landschaft wieder grün. Auf der Nordseite wachsen Eichen und Tannen, an den Südhängen dagegen Pinien und Zedern. Dass wir uns dem Mittelmeer nähern, merken wir auch an der Temperatur, die rasch auf 34 Grad Celsius ansteigt. Palmen, Orangenbäume und Olivenhaine – eine ganz andere Welt. Aber auch Hochburgen des Massentourismus wie Side oder Belek, die überall auf der Welt irgendwie gleich aus sehen und mit der Türkei gar nichts zu tun haben, und schließlich die Millionenstadt Antalya mit irrem Verkehr und 6spurigen Autobahnen. Wir sind froh, als wir endlich aus diesem Ballungsraum heraus sind und entlang der schönen lykischen Küste fahren. Hier führt auch eine 500 Kilometer lange Fernwanderroute, der Lykische Weg, von Fethiye nach Antalya. Angesichts der wunderschönen Landschaft und den traumhaften Badebuchten bestimmt eine sehr verlockende Tour.

Cleopatra-Bucht an der Lykischen Küste

Steil steigen die felsigen Berge des Olympos-Nationalparks direkt hinter dem Meer empor. Südlich des fest in russischer Touristenhand befindlichen Ferienortes Tekirova holpern wir über eine Schotterstraße bis zu der kleinen, von Felsen gesäumten “ Cleopatra-Bucht“, wo wir direkt zwischen Pinienbäumen am Kiesstrand einen wunderbaren Stellplatz finden. Einige Einheimische verbringen hier auch das Wochenende, ein sehr schöner Platz. Und das Meer ist zum Schwimmen einfach herrlich, badewannenwarm und kristallklar.

Am nächsten Morgen lassen wir uns nach einem kitschig-schönem Sonnenaufgang viel Zeit für ein gemütliches Bad im Meer. Dann geht es weiter die Steilküste entlang. Leider ist auch hier die Straße durch die Pinienwälder schon überwiegend 4spurig ausgebaut. Sieben steile Kilometer führt eine Stichstraße hinunter zum Meer in den etwas alternativ angehauchten Ferienort Cirali, der im Nationalpark Olympos liegt. Daher sind hier nur kleine Hotels in einstöckigen Häusern erlaubt. Zwischen Orangen-und Zitronenhainen liegen schattige Gartenlokale, wo man in sehr entspanter Atmosphäre sitzen kann. In der Bucht gibt es einen herrlichen Kies-Sandstrand, an dem auch die seltenen Caretta-Caretta-Schildkröten ihre Eier ablegen. Die Nester werden dann durch Metallgitter markiert, damit man nicht versehentlich drauf tritt. Wir wandern am Strand entlang zu den Ruinen der antiken Stadt Olympos und stärken uns anschließend mit sehr gutem Kuchen und Tee in einem Gartencafe, wo man die Mittagshitze von mal wieder satten 36 Grad gut ertragen kann. Oberhalb traumhafter Buchten führt die nun endlich schmalere Straße in vielen Kurven zur Stadt Kas, die idyllisch von zwei Halbinseln eingerahmt wird. Auch Kas ist natürlich sehr touristisch und anscheinend vor allem bei britischen Rentnern beliebt, aber Gott sei Dank gibt es auch hier keine Hotelburgen. Ein Nachmittagstee am Hafen rundet den entspanten Tag ab. Unser rollendes Zuhause steht abends auf einer der Halbinseln, wieder mit einem traumhaften Blick auf die Steilküste mit ihren zahlreichen vorgelagerten Inselchen.

Traumstrand in Cerali
Ruinenstadt Patara
Noch ein Traumstrand – Patara-Beach

Zu unserer nächsten Station, der Ruinenstadt Patara, dem Geburtsort von St.Nikolaus, ist es nicht sehr weit. Wir bummeln zwischen dem eindrucksvollen Amphitheater und den Resten der 5000 Jahre alten Hauptstadt des lykischen Reiches umher. Gleich dahinter erheben sich mit Pinien bewachsene Dünen und man kommt zum endlosen Strand von Patara. Schneeweißer, weicher Sand und das türkisfarbene Meer verlocken natürlich zum Baden. Olaf zieht es vor, im Strandrestaurant zu sitzen und Tee zu trinken. Nach drei Stunden geht es aber schon weiter Richtung Fethiye in die Berge des lykischen Taurus, wo wir unterhalb der Ruinenstadt Kadyanda auf einer Wiese im Pinienwald einen einsamen Stellplatz in absoluter Ruhe finden. Abends entlädt sich die schülwarme Luft in einem Gewitter.

Am nächsten Vormittag haben wir mit dem Wetter bei der Besichtigung von Kadyanda Glück, denn es regnet nicht mehr. Auf der Spitze eines Hügels liegen die Ruinen weit verstreut im Pinienwald, von hier reicht der Blick weit bis zur 1000 m tiefer liegenden Stadt Fethiye am Meer. Wir sind die einzigen Besucher und genießen die im Zwielicht des Pinienwaldes etwas geheimnisvolle Atmosphäre zwischen den Altertümern. Besonders beeindruckt uns das große Amphitheater, in dem 5.000 Besucher Platz fanden. Kaum sind wir wieder am Auto, beginnt es wieder zu regnen und so bleibt es für den Rest des Tages. Wir fahren weiter, weg vom Meer, über die Berge nach Pamukkale und verbringen den Nachmittag im Wesentlichen im Auto. Es wird unterwegs mit nur 15 Grad in den Bergen unangenehm kühl, im Flachland sind es dann wieder schwüle 25 Grad. Unser Bus steht abends direkt am Feldrand neben den berühmten Sinterterrassen. Hier haben auch Landschildkröten ihre Wohnungen,wir treffen eine davon beim Abendspaziergang.

Die lykische Ruinenstadt Kadyanda

Morgens weckt uns dann ausnahmsweise kein Ruf vom Minaret, sondern das Zischen von Heißluftballons, die ca. 200 m neben unserem Bus aufgeblasen werden. Wie in Kappadokien kann man auch hier zum Sonnenaufgang in die Luft fahren. Neben Ballons werden dazu auch Flüge mit Gleitschirmen angeboten. Wir sind dann schon kurz nach 8 Uhr an den Sinterterrassen und können in aller Ruhe das Naturschauspiel genießen. Im blendenden Zahnpastaweiß strahlen die surrealen Kalkablagerungen in der Morgensonne. Man läuft barfuß durch das lauwarme Wasser, dass über den Hang rieselt und so im Laufe der Jahrhunderte die Steinformationen gebildet hat. Das Ganze sieht von weitem aus wie ein gefrorener Wasserfall. Aus der Nähe kann man die wellenförmigen, grafischen Muster der Ablagerungen bewundern.

Sinterterrassen in Pamukkale
Kalkablagerungen in Pamukkale

Bewundern kann man ebenfalls wieder die vielen Chinesinnen, die sich in Badeanzug oder flatternden Rüschenkleidchen und neckischen Posen fotografieren lassen. Manche haben extra eine große Tasche dabei, um zwischendurch ihr Outfit zu wechseln. Und die geschäftstüchtigen Einheimischen bieten natürlich ihre professionellen Dienste als Fotograf an. Bunte Papageien, die man sich auf die Schulter setzen kann, erhöhen dabei noch den exotischen Reiz des Ganzen. In Hierapolis (s.u.) kann man sich auch gegen Bezahlung mit “echten“ römischen Feldherren fotografieren lassen oder sich selbst für ein Foto als Gladiator verkleiden. Es ist echt verrückt, womit man den Touristen das Geld aus der Tasche holen kann.

Oberhalb der Sinterterrassen liegen die Ruinen der römischen Stadt Hierapolis. Ein großes Theater, die Säulen der Agora, Tempel, Badehäuser, beeindruckende Stadttore und Straßenzüge und sogar öffentliche Latrinen mit Wasserspülung – all das ist noch relativ gut erhalten und gibt einen Eindruck von der römischen Baukunst. Bis zum frühen Nachmittag sind wir in Pamukkale unterwegs, um alles ausgiebig zu bewundern.

Römerstadt Hierapolis

Wir haben an einem kleinen See übernachtet und morgens liegt eine dichte Nebeldecke über dem Wasser. Es wird auch hier langsam herbstlich, schließlich sind wir nun schon ein großes Stück nach Nordwesten gefahren. Dass wir uns Europa unaufhaltsam nähern, merken wir auch an dem zunehmenden Massentourismus und – so merkwürdig das klingen mag – am nachlassendem Aroma von Obst und Gemüse. Es wird zunehmend fader. Klar, die Tomaten werden hier ganzjährig unter Folientunneln, die ganze Täler verschandeln, angebaut. Wo soll da der gute Geschmack her kommen? Auch die Orte sehen nun ganz anders aus als in der Zentral- und Osttürkei. Wir vermissen zunehmend den orientalischen Flair.

Bevor wir wieder an die Küste fahren, steht die Besichtigung der antiken Stadt Aphrodisias an. Die römischen Städte waren wirklich bewundernswert angelegt mit herrlichen öffentliche Bauten, wie beheizte Bäder, ein komplett erhaltenes Sportstadion für 30.000 Zuschauer, Theater, Tempeln oder einer Parkanlage mit Springbunnen nahe der Agora, dem Handelsplatz. Bewundernswert sind, neben der gestalterischen Schönheit der Gebäude, einzelne Baudetails. In den Bädern z. B. die Heizung von Mauer und Fußboden durch Wasserdampf oder die hervorragende Akustik im Theater, die durch eine spezielle Wölbung der Sitzflächen erreicht wurde. Morgens sind wir fast alleine in dem weitläufigen Gelände und es ist sehr schön, diese ganz besondere Atmosphäre des geschichtsträchtigen Ortes zu genießen.

Römerstadt Aphrodisias

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