Von Salento nach Las Lajas

Salento, 8.7.2025

Bei Sonnenaufgang begrüßen die Hähne freudig den neuen Tag und um kurz vor 6 reißt uns das Geläut der Kirche endgültig aus dem Schlaf. Danach dröhnen über den Ort aus den kirchlichen Lautsprechern ein schnulzig gesungenes „Ave Maria“ und noch einige andere fromme Lieder. Dabei haben wir doch für heute einen Ruhetag in Solento (Kolumbien) geplant.

Stellplatz auf der Pferdekoppel in Solento
Stellplatz auf der Pferdekoppel in Solento

Nur wenige Minuten zu Fuß sind es vom Campingplatz zur zentralen Plaza des durch und durch touristischen Ortes. Hier sehen wir auch relativ viele amerikanische und europäische Urlauber. Die Region ist als Kaffeeanbaugebiet ein UNESCO-Welterbe, außerdem liegt das berühmte Cocora-Tal direkt nebenan. Auch ist Salento selbst mit seinen schönen weißen und bunt angemalten Paisa-Häuser wirklich sehenswert.

Bunte Paisa-Häuser in Salento
Bunte Paisa-Häuser in Salento
Touri-Transport
Touri-Transport
Im Café de la Esquina
Im Café de la Esquina

Allerdings ist für unseren Geschmack die Dichte der Andenkenläden deutlich zu hoch. An der Plaza können wir entspannt Kommen und Gehen der mit Touristen belandenen Jeeps beobachten. Touren mit Pferd, MTB oder Geländewagen zu einer der vielen Kaffeefarmen und in die Berge sind beliebt. Ein echtes Kleinod ist die urige Kaffeebar El Café de la Esquina an einer Ecke der Plaza, wo sich die Einheimischen treffen. Die wunderschöne, italienische Kaffeemaschine von 1905 bereitet wild zischend einen exzellenten Kaffee zu, den besten seit langem. Direkt neben dem Tresen befindet sich die Herrentoilette, nur durch eine Schwingtür vom Lokal getrennt, so dass man direkten Einblick in den natürlichen Kreislauf des Kaffeekonsums erhält. Wunderbar! Den Nachmittag verbringen wir auf dem Campingplatz und gehen abends noch einmal zum Essen in den Ort.

Cocora-Tal, 9.7.2025

Unser kirchlicher Wecker funktioniert wieder bestens. Heute stehen wir auch sofort auf, denn wir wollen im Cocora-Tal wandern gehen und vor dem üblichen Regenguss am Nachmittag zurück sein.

Wachspalmen im Cocora-Tal
Wachspalmen im Cocora-Tal

Das Cocora-Tal am Rand der Hochanden gilt als eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des mit Naturschönheiten so großzügig bedachten Landes. Berühmt ist es vor allem als Heimat der seltenen Wachspalme, dem Nationalbaums Kolumbiens. Mit 60 Metern ist es die höchste Palme der Welt, sie wächst in den Anden bis in 3200 Metern Höhe. Früher wurde die grau-grüne, wachsartige Schicht des Stammes für die Herstellung von Kerzen oder zur Imprägnierung verwendet. Heute steht die seltene Palme unter Naturschutz. Im Cocora-Tal gibt es noch viele dieser riesigen, super-schlanken Bäume. Eigentlich sind sie Teil des Nebelwaldes und ragen dort nur wenige Meter über die anderen Bäume hinaus. Allerdings wurden wie überall auch im Cocoa-Tal große Flächen des Waldes zugunsten der Weidewirtschaft abgeholzt. Übrig sind hier nur die Palmen, die wie gigantische Betonmasten einsam in die Höhe ragen und neben denen die Kühe wie winzige Spielzeuge aussehen. In den umliegenden Wäldern leben auch seltene Tiere, wie Pumas und Brillenbären, die man aber normalerweise nicht zu Gesicht bekommt. Nur den großen Andenkondor sehen wir in der Luft kreisen.

Die schönste Wanderung führt über 10 Kilometer zu zwei Aussichtspunkten über das Palmental hinauf und durch den dichten Nebelwald wieder bergab. Man muss eine Eintrittsgebühr von 5 € und später nochmals 1,6 € pro Person bezahlen. Der optionale Abstecher zu einem Kolibrireservat kostet nochmals 5 €. Für Kolumbien ein absurd hoher Preis, den sich nur die wohlhabenen Leute leisten können. Das gesamte Tal lebt vom Tourismus. Man kann Ausritte zu Pferd oder mit MTVs buchen und vor allem gibt es viele Restaurants, denn das gemeinsame Essen mit Familie oder Freunden steht in Kolumbien im Mittelpunkt jedes Freizeitvergnügens. Natürlich rennen wir am Startpunkt unseres Wanderweges zielstrebig vorbei. Eine Beschilderung von Wanderrouten ist nicht üblich und der GPX-Track von Alltrails wird im Handy nicht ausreichend genau geortet. Unseren Irrtum bemerken wir erst, als wir schon 30 Minuten durch ein Flusstal bergauf geschnauft sind. Immerhin liegt das Cocora-Tal schon auf 2500 Metern Höhe, da macht sich die relativ dünne Luft noch immer bei alten Leuten wie uns bemerkbar. Also wieder zurück.

So mag man es in Kolumbien - Eingang zum Palmenhain im Valle Cocora
So mag man es in Kolumbien – Eingang zum Palmenhain im Valle Cocora

Gegen 9.30 Uhr stehen wir dann endlich am Kassenhäuschen des Palmenhains, wo auch der Wanderweg beginnt. Der Park ist Disneyland-mäßig gestaltet mit Standorten zum Selfie-Posen vor urigen Jeeps, Blumenbeeten, kitschigen Skulpturen oder dem quietschbunten Schriftzug „ I Love Cocora“. Hierher sind natürlich sämtliche Besucher unterwegs. Ab dem zweiten hoch oben liegenden Aussichtspunkt mit wirklich wunderbarer Sicht auf das palmengeschmückte Tal und die steilen Flanken der Anden, sind wir fast alleine. Nein, der Reiseführer hat wirklich nicht zu viel versprochen. Es ist eine herrliche Landschaft und die klare Bergluft lässt das Grün leuchten.

Finca La Montaña
Finca La Montaña
Hängebrücke im Regenwald von Cocora
Hängebrücke im Regenwald von Cocora

Mit stetiger, doch recht bequemer Steigung geht es auf gutem Weg durch den Wald bis zur sonnig gelegenen Finca de la Montaña, mit knapp 3000 Metern dem höchsten Punkt der Wanderung. Nun folgt ein sehr steiler Abstieg im Zick-Zack auf lehmig-felsigen Pfad ins enge Tal des rauschenden Gebirgsflusses Rio Quindio. Jetzt sind wir wirklich froh darüber, dass wir unsere Wanderstöcke dabei haben und der Boden ziemlich trocken ist. Ansonsten wäre das hier eine fürchterlich rutschige Schlammschlacht. Durch den dichten Nebelwald wandern wir am Fluss entlang. Der Pfad ist eng und felsig, oft muss man über große Steine steigen oder Matsch und Bachläufe umgehen. Mehrfach wird der Fluss mittels schwankender Hängebrücken gequert. Ein echtes Urwaldvergnügen. Die letzten 2 Kilometer führen dann auf sonnigen Almwiesen zum Ausgangspunkt zurück. Ein anstrengender, aber einfach herrlicher Weg.

Eine weitere Überraschung wartet noch kurz vor dem Ende der Wanderung. Ein Mann spricht uns auf deutsch an. Gustavo ist Kolumbianer, lebt in Göttingen und zeigt seiner in Deutschland geborenen, erwachsenen Tochter nun erstmals sein Heimatland. In seinem YouTube-Kanal veröffentlicht er Reiseerlebnisse und nimmt ein Interview dafür mit uns auf. Wie klein die Welt ist.

Am Nachmittag erreichen wir wieder unser Auto und fahren wenige Meter zu unserem heutigen Übernachtungsort. Im gepflegten Garten des Restaurants Donde Juan B Bosques kann man sehr schön campen. Es gibt sogar in einem Nebengebäude eine warme Dusche, eine Seltenheit in Mittel- und Südamerika.

Finca la Bonanza/Silvia, 10./11.7.2025

Rund 300 Kilometer haben wir heute auf Schnellstraßen, überwiegend auf der Panamericana Ruta 25, zurückgelegt, dafür aber 8 Stunden reine Fahrzeit benötigt. Viele Baustellen, dichter Lkw-Verkehr und die ultralangen Zuckerrohrtransporter, die mit 5 Anhängern über die Straße schleichen, haben uns das Leben schwer gemacht.

Hinter Salento sind wir morgens bergab in die größere Stadt Armenia gefahren und staunen dort über die ungewöhnlich vielen luxuriösen Villen und schicken Apartementhäuser, die natürlich in bewachten Arealen liegen. Wenig später sind wir dann auf nur 1000 Metern Höhe unterwegs, die Temperatur steigt sofort auf 30 Grad an. Endlos zieht sich die Schnellstraße durch Zuckerrohrfelder, eine ziemlich langweilige Fahrt.

Der Linienbus transportiert alles
Der Linienbus transportiert alles

Dazwischen liegen wieder Dörfer, kleinere und etliche große Städte. Die Anden sind wirklich dicht besiedelt. Hier leben fast alle der 53 Millionen Kolumbianer, davon 80% in Städten. Rund die Hälfte der Fläche des Landes, das immerhin so groß ist wie Frankreich und die Iberische Halbinsel zusammen, sind undurchdringliche Wälder und vor allem das unbewohnbare Amazonasgebiet. Letzteres entspricht etwa der Fläche von Deutschland.

An einer Tankstelle machen wir im Schatten unsere Mittagsrast, dann schleichen wir weiter mit 30-50 km/h hinter den vielen LKW her. Hat man mühsam einen überholt, hängt nan schon am nächsten. An vielen Baustellen ist eine Fahrtrichtung gesperrt, hier kommt es zu nervigen Staus. Ungefähr 20 Kilometer vor der Stadt Popayan biegen wir in die Berge ab und landen im Dorf Estrella auf dem Campingplatz La Bonanza. Das große Gelände gehört einem marokkanischen Paar, das früher mehrere Jahre mit dem Auto in Südamerika unterwegs war, und ist perfekt auf die Bedürfnisse von Overlandern ausgerichtet. Auf dem Parkplatz stehen 2 gigantische 11 Meter lange französische Wohnmobile. Kurz nach uns kommt ein älteres Paar aus Israel mit einer Wohnkabine auf einem Pick-up an.

Finca La Bonanza

Wir bleiben einen weiteren Tag auf der Finca La Bonanza, lassen unsere Wäsche waschen und verbummeln den Tag. Bei einer benachbarten Werkstatt lassen wir das nicht einrastende hintere Differenzial unseres Yoda checken. Bisher haben wir es noch nicht gebraucht, doch man weiß ja nie. Allerdings kann man uns nicht weiterhelfen, wir werden uns in Ecuador darum kümmern.

Popayan, 12.7.2025

Nach einer guten Stunde Fahrzeit über die lebhafte Fernstraße erreichen wir Popayan. Die Kolonialstadt ist für ihre Altstadt mit schneeweißen Häuser bekannt und trägt daher den Titel „Ciudad blanca“. Die reichen Besitzer der Zuckerrohr-Plantagen im Tiefland haben hier prachtvolle Paläste gebaut, da hier in den Bergen das Klima angenehmer ist als in der Ebene mit den Zuckerrohrplantagen.

Popayan, la ciudad blanca
Popayan, la ciudad blanca

Mehrfach haben Erdbeben, zuletzt das schwere Beben 1985, die Stadt erheblich beschädigt. Es ist alles sehr gut restauriert, doch wir empfinden die Atmosphäre als etwas steril. Es fehlen die netten Straßencafés an der zentralen Plaza. Statt dessen findet man dort die repräsentativen Residenzen der großen Banken.

Am frühen Nachmittag sind wir dann am Campingplatz Finca Pulaju, ungefähr 15 Kilometer von der Stadt entfernt. Eigentlich ist es nur eine Wiese an einem privaten Wohnhaus mit zwei einfachen Toiletten in einem Schuppen. Ein Fiat Ducato aus Sankt Gallen parkt bereits dort. Es sind Bekannte von Olaf, die ihr Wohnmobil zeitgleich von Panama nach Kolumbien verschifft haben. Abends hocken wir zusammen und erzählen. Die Welt ist klein.

San Agustin, 13./14.7.2025

Es ist mal wieder Sonntag. Morgens früh gehören die Fernstraßen in Stadtnähe wie immer den Rennradfahrern. Der Radsport ist in Kolumbien sehr populär und wo könnte man besser mit schmalen Reifen unterwegs sein oder seine Kondition testen, als auf einer glatt asphaltierten Autobahn oder den kurvenreichen, steilen Straßen in den Bergen.

Bei schönstem Sonnenschein kurven wir gemeinsam mit vielen Motorrädern, Radfahrern, Autos und Lkw auf der Ruta 25 hinauf in ein sehr schönes, alpines Tal. Hinter Puracé gibt es einige Thermalquellen, die am Wochenende natürlich zahlreiche Besucher anlocken. Danach lässt der Verkehr nach, aber nun kommen wir ab 2700 Meter Höhe in den Regen. Die rund 30 Kilometer lange Strecke durch den Nationalpark de Purace ist nicht geteert, dafür mit tiefen Schlaglöchern gespickt. Sie schraubt sich bis auf 3150 Meter Höhe. Der Regenwald macht seinem Namen alle Ehre, es schüttet wie aus Eimern. Ganz langsam kämpfen sich die großen Lkw voran, oft lassen sie uns überholen. So kommen wir mit 20 km/h ganz gut voran.

Piste auf der Ruta 25
Piste auf der Ruta 25

Nur schade, dass wir von der Landschaft absolut nichts sehen. Auch eine Pause ist nicht möglich. Es gibt nur den Streifen der Piste, gerade breit genug für 2 Pkw. Im erstens Dorf hinter dem Pass machen wir im Landcruiser bei strömenden Regen Mittagspause. Kurzzeitig hört es mal auf, als wir am Nachmittag nach 5 Stunden Fahrzeit in San Agustin auf die vom tagelangen Dauerregen total durchweichte Wiese des Campingplatzes rollen. Wie gut, dass es Tische und Stühle auf einer überdachten Terrasse gibt, wo wir trotz Dauerregen draußen im Trockenen sitzen können. Von unseren freundlichen Gastgebern werden wir mit heißem Zuckerwasser und Hefegebäck verwöhnt. Auch können wir das Bad in einem der leerstehenden Gästezimmer nutzen, so dass wir nicht zu den Campingtoiletten über die verschlammte Wiese waten müssen.

Archäologischer Park in San Agustin
Archäologischer Park in San Agustin
Stele in San Agustin
Stele in San Agustin

Am folgenden Tag ist der Regen durch. Wir bleiben noch einen Tag in San Agustin, denn der eigentliche Grund für die lange Fahrt hierher sind die geheimnisvollen, 5000 Jahre alten Steinfiguren, die hier gefunden wurden. Über 130 Stück davon können im archäologischen Park bewundert werden. Es sind phantastische Mischwesen aus Mensch und Tieren, großartige abstrakte Darstellungen, die u.a. Gräber bewachten und über deren weitere Bedeutung nur gerätselt werden kann. Man weiß auch nichts über ihre Schöpfer und deren Kultur. Rund drei Stunden wandern wir staunend und begeistert durch den Regenwald. Der Umweg hierher hat sich absolut gelohnt, die größte Stätte megalithischer prähistorischer Skulpturen in Lateinamerika ist immerhin UNESCO-Welterbe.

Dorfplatz San Agustin
Dorfplatz San Agustin

Zum Mittagessen gönnen wir uns danach ein wirklich hervorragendes Essen in der „Tomate“, einem vegetarischem Restaurant in San Agustin, das täglich nur zwei Gerichte anbietet und schließt, wenn alles verkauft wurde. Wir haben Glück und bekommen tatsächlich noch die letzten Portionen. Zusammen mit Getränken zahlen wir für das 3-Gang-Menü insgesamt circa 8 €. Nach den hohen Preisen in Panama und Costa Rica ist das Preisniveau in Kolumbien wirklich wohltuend!

Am Nachmittag bummeln wir auf der Terrasse des Campingplatzes, genießen die leider doch nur kalte Dusche und kuscheln mit Lukas, einem gigantischen und verschmusten Husky.

Mocoa, 15.7.2025

Unsere Gastgeber in San Agustin haben sich nach dem Straßenzustand der Ruta 19 „Trampolin de la muerte“ erkundigt und teilen uns mit, dass die Piste passierbar sei. Also brechen wir auf nach Mocoa, um dann übermorgen die 70 Kilometer Piste zwischen Mocoa und Pasto zu fahren. Wir verbringen den Großteil des Tages auf der Straße. Von San Agustin ist bei Pitalon die Schnellstraße Ruta 45 rasch erreicht. Trotzdem brauchen wir ewig für die 170 Kilometer, bis wir am Nachmittag nach 7 Stunden in Mocoa sind. Endlos schlängeln wir uns wieder durch die Berge. Endlos auch die Wartezeiten an den unzähligen Baustellen, wo die Straße ausgebaut und daher nur einspurig befahrbar ist. Zusätzlich sind viele frische Erdrutsche vorhanden, so dass auch hier eine Fahrtrichtung immer abwechselnd gesperrt wird.

Eine der vielen Baustellen auf der Ruta 45
Eine der Baustellen auf der Ruta 45

So brauchen wir rund 2 Stunden länger als von Google Maps angezeigt. Mocoa ist eine lebhafte Stadt im Süden Kolumbiens an der Grenze zwischen den Anden und dem Amazonasbecken. Auf nur noch 300 Metern Höhe ist es knapp 30 Grad warm und ziemlich drückend. Wir erkundigen uns bei einer Polizistin, ob die Ruta 10 wirklich frei sei, angesichts der vielen Erdrutsche sind wir uns unsicher. Sie fragt wiederum einen vorbeikommenden Jungen und der meint, die Piste sei gesperrt. Wann sie wieder offen wäre, könnte man uns am Busbahnhof sagen. Dort wiederum bekommen wir die Auskunft, dass die Straße natürlich befahrbar wäre. Was sollen wir nun glauben?

Übernachtung im Vorgarten
Übernachtung im Vorgarten

Wir fahren zu einem Übernachtungspunkt aus der App iOverlander am Stadtrand und treffen dort auf Olivia und Martin. Die beiden jungen Deutschen sind für 10 Monate in einem amerikanischen Van in Südamerika unterwegs, sie haben gestern mit uns in San Agustin auf dem Campingplatz übernachtet. Auch sie wollen über die Piste fahren. Der Stellplatz an der lauten Brücke gefällt uns nicht gut, wir fahren daher noch eine halbe Stunde bergauf auf der Ruta 10 und übernachten im Garten eines Privathauses, der offiziell als „ Campingplatz“ ausgewiesen wird. Das gibt es häufig in Kolumbien. Hier sagt man uns, die Straße sei passierbar, auch wenn es Erdrutsche und eine defekte Brücke geben würde. Wir sind sehr gespannt darauf, was uns erwartet.

Colón, 16.7.2025

Und wieder ein Tag voller Überraschungen. Unsere Gastgeber verwöhnen uns morgens mit Kaffee, schenken uns zum Abschied einige Bananen aus dem Garten und ermahnen uns zur Vorsicht auf unserer heutigen Strecke. Schon um 8.30 Uhr sind wir auf der Straße und wagen die „Trampolin de la muerte“, angeblich eine der gefährlichsten Straßen der Welt.

Kurz hinter dem winzigen Ort La Trebaida endet der Asphalt. Die geschotterte Piste ist in überwiegend gutem Zustand. Die Fahrbahn ist ca 3 Meter breit und besitzt immer wieder Ausweichstellen. Sie schlängelt sich an den Bergflanken stetig nach oben, auf einer Seite geht es senkrecht hoch, auf der anderen ebenso steil einige hundert Meter hinunter. Es gibt sogar eine Leitplanke, die vor dem Absturz in die Tiefe bewahren soll, allerdings wird sie an sehr vielen Stellen durch ein gelbes Plastikband ersetzt. Hier sieht man oft Kreuze am Straßenrand stehen und kann sich denken, was die Ursache der fehlenden Leitplanke ist. An einer Ausweichstelle vor mehreren Antennen genießen wir in der Morgensonne unsere Kaffeepause mit schönem Blick auf die nun schon tief unter uns liegende Stadt Mocoa, die Ausläufer der Anden und den mäandrierenden Rio Caquéta. Ein irgendwie toller Gedanke, dass dessen Wasser einmal ein Teil des Amazonas werden wird. Hier treffen wir auch Olivia und Martin wieder, die nach einem kleinen Plausch weiterfahren.

Auf der Ruta "Trampolin de la muerte"
Auf der Ruta „Trampolin de la muerte“
Auf der Ruta "Trampolin de la muerte"
Auf der Ruta „Trampolin de la muerte“

Neben Pkw und Motorrädern sind überraschend viele kleine Lkw und Busse in beiden Richtungen unterwegs. Sie sind das eigentliche Problem, denn die sehr engen Kurven sind nicht einsehbar und bei Gegenverkehr muss einer ausweichen oder sogar bis zur nächsten geeigneten Stelle zurücksetzen. Dabei besteht Absturzgefahr in teils mehrere hundert Meter tiefe Täler. An einer Engstelle muss Olaf drei Mal immer wieder um die gleiche Kurve 200 Meter rückwärtsfahren, da uns stets wieder ein neuer Lkw entgegen kommt.

Etliche Stellen der Fahrbahn sind zudem weggebrochen oder durch Erdrutsche versperrt. Es gibt auch einige Furten. An den steilen Hängen gehen häufig Muren ab. Man sollte deshalb nicht im Nebel oder stärkeren Regenfällen fahren. Wirklich technisch schwierig ist die Strecke bei guten Witterungsbedingungen nicht, man muss allerdings stets sehr aufmerksam sein.

Auf der Ruta "Trampolin de la muerte"
Auf der Ruta „Trampolin de la muerte“

Die Landschaft ist mal wieder unglaublich schön. Bis auf fast 2800 Meter geht es durch dichten Regenwald hinauf, der manchmal sogar wie ein Dach über der Fahrbahn hängt. Viele Wasserfälle, dramatisch enge und tiefe Schluchten, wilde Gebirgsflüsse – die Anden aus den Bilderbuch und einfach ein Genuss.

Nach der Passhöhe ändert sich allerdings das Wetter. Wir fahren durch Wolken, es nieselt und regnet teilweise heftig. Die letzten Kilometer der Piste sind daher sehr schlammig, hier gab es vor kurzem auch große Erdrutsche. Rund 10 Kilometer vor dem kleinen Ort San Francisco, wo der Asphalt wieder beginnt, erreicht uns per WhatsApp ein Hilferuf von Olivia und Martin. Sie haben eine Reifenpanne und sind im nächsten größeren Ort Sibundoy liegen geblieben. Gemeinsam schaffen es Olaf und Martin nach harter Arbeit mitten auf der Hauptstraße mit unserem hydraulischem Wagenheber, Kompressor und Reifenreparaturkit den total platten Hinterreifen fahrtüchtig zu machen. Olivia und ich sind derweil der „Prellbock“ für den ungehindert fließenden Autoverkehr. Kaum ist der Schaden behoben, rollt witzigerweise ein hupender Autokorso mit geschmückten Wagen und Heiligenstatuen und natürlich irrsinnig lauter Musik vorbei.

Übernachtung an der Tankstelle
Übernachtung an der Tankstelle

Mittlerweile regnet es wieder in Strömen. Wir beschließen, gemeinsam zum Campingplatz an einem kleinen Hotel oberhalb des Ortes zum Übernachten zu fahren. Natürlich geht es wieder über einen kurvenreichen Erdweg. Wenige Meter vor dem Ziel müssen wir an einer defekten Brücke umkehren. Heute bleibt uns nichts erspart. Trotzdem finden wir gemeinsam noch einen ganz annehmbaren Stellplatz auf der Wiese hinter einer Tankstelle im Ort Colón. Wie so oft gibt es hier sogar eine einigermaßen saubere Toilette. Also alles gut. Ein ereignisreicher, toller Tag, genau nach meinem Geschmack.

Las Lajas, 17.7.2025

Und schon ist unser letzter Tag in Kolumbien angekommen. Nachts hat es viel geregnet und auch morgens nieselt es noch. Es sind nur 12 Grad und eine ungemütliche, feuchte Kälte lässt uns beim Frühstücken draußen auch mit Daunenjacken frösteln. Die Nacht an der Tankstelle war friedlich, aber durch den schon gegen 4 Uhr einsetzenden Autoverkehr doch ziemlich kurz. Da tut ein starker Kaffee gemeinsam mit Olivia und Martin ganz gut. Wir brechen gemeinsam auf, fahren aber tagsüber unterschiedliche Wege. Vielleicht sehen wir uns wieder auf der Finca Sommerwind, einem legendären Overlandertreffpunkt in Ecuador zwei Fahrstunden hinter der Grenze.

Die Umgehung der eingestürzten Brücke hinter Santiago ist mittlerweile durch eine stabile Behelfsbrücke ersetzt. So ist die Ruta 10 tatsächlich doch ohne Hindernisse befahrbar gewesen. Was für ein Glück, dass wir uns für diese Strecke entschieden hatten. Die Strecke der Ruta 10 führt nach der Brücke in vielen steilen Kurven durch die tiefhängenden Wolken bergauf bis auf 3200 Meter. Leider sehen wir von der Páramo-Landschaft praktisch nichts, zu dicht ist der Nebel. Dazu bläst ein scharfer Wind. Den Abstecher zur Laguna de Cocha, einem großen See und beliebten Feriengebiet, sparen wir uns bei dem Wetter.

So sind wir rasch bei der großen Stadt Pesto, die wesentlich tiefer liegt und wo es endlich wieder trocken und warm wird. Hier treffen wir auf die 4-spurig ausgebaute und fast autofreie Panamericana, die hier wirklich beeindruckend in den Berghängen trassiert wurde. Aber auch hier sehen wir trotz der massiven Befestigung der Steilhänge einige Erdrutsche.

Schon am frühen Nachmittag erreichen wir sehr bequem die Grenzstadt Ipiales und nur wenig später den kleinen Ort Las Lajas, der für seine Wallfahrtskirche berühmt ist. Ende des 18. Jahrhunderts soll hier im Cañón des Río Guáitara ein taubstummes Mädchen eine Marienerscheinung erlebt und daraufhin sprechen gekonnt haben. Zur Erinnerung wurde in der Schlucht eine prachtvolle neugotische Basilika erbaut (1916–1949), verbunden über eine 50 Meter lange Brücke zu den gegenüberliegenden Felswänden.

Wallfahrtskirche Las Lajas
Wallfahrtskirche Las Lajas

Zur Kirche führt seit 2013 auch eine Seilbahn in den Talkessel hinunter. Wir parken in 2800 Metern Höhe an der Seilbahnstation, wo wir auch übernachten wollen. An der Wallfahrtsstätte herrscht der übliche Rummel mit dem Verkauf von Devotalien, Andenken und Imbissbuden. Wir finden das Bauwerk im Zuckerbäckerstil ziemlich Disneyland-mäßig kitschig und fühlen uns etwas an Neuschwanstein erinnert. Trotzdem ist es interessant und ein lohnenswerter Abstecher.

An unserem Übernachtungsplatz steht bei unserer Rückkehr ein Steyr-Puch Geländewagen aus Ulm. Chris ist ein Bekannter von Olaf, der mit ihm gemeinsam von Panama nach Cartagena verschifft hat.