Sinchi Warmi

Von Baños nach Palanda

Sinchi Warmi Lodge bei Puerto Misahualli, 4./5.8.2025

Die ganze Nacht regnet es und auch am Morgen will es nicht hell werden. Wir fahren im Regen die „ruta de cascadas“ , wie die E30 östlich von Baños genannt wird. Sie führt durch das sehr tiefe Tal des Rio Pastaza an zahlreichen Wasserfällen vorbei. Der absolut spektakulärste ist der Pailon del Diablo. Und wie es der Zufall will, stehen dort auf dem Parkplatz Chris aus Ulm und Paul mit Janine aus der Schweiz.

Pailon del Diablo
Pailon del Diablo

 

Gemeinsam wandern wir im strömenden Regen in das Tal hinab. Ich habe mir klugerweise eine Regenhose angezogen. Durch den Dauerregen haben die Flüsse besonders viel Wasser und der „Eimer des Teufels“ ist wirklich ein wahrer Hexenkessel. Ein Gebirgsfluss stürzt hier in eine enge Schlucht und sammelt sich in einem Felskessel. Man kann auch auf einer Hängebrücke über den Fluss oder sogar hinter den Wasserfall gehen. Momentan ist letzteres aber reine Theorie, denn es stürzen solche Wassermassen herab, dass man durch die Gischt in Sekundenschnelle total durchnässt ist. Da nützt selbst die Regenhose wenig. Ein tolles Erlebnis!

Bis auf die Unterhose durchweicht kommen wir wieder im Auto an. Wir fahren kontinuierlich bergab nach Osten Richtung Amazonasbecken. Endlich hört es auf zu schütten, die Temperaturen steigen auf ca. 25 Grad. Die Orte sehen ziemlich ärmlich aus, in der Stadt Puyo sind die Fassaden vieler Häuser durch die hohe Luftfeuchtigkeit verschimmelt. Das ist wieder eine völlig andere Welt als in den Städten oder den Andendörfern. Der krasse Klima-und Höhenunterschied ist für uns auch ein echtes Herz-Kreislauftraining. Gegen 17 Uhr rollen wir in die Sinchi Warmi Lodge ein.

Sinchi Warmi
Sinchi Warmi
Sinchi Warmi
Sinchi Warmi

Die einfache Dschungel-Lodge einer indigenen Frauen-Cooperative liegt in der Nähe des Ortes Puerto Misahualli am Rio Napo. Wir sind mal wieder die einzigen Gäste. Es ist ein schönes Gelände mit Bambushütten, Teichen und Palmen voller Papageien. Die exotische Umgebung erinnert uns an Zentralamerika. Abends lauschen wir den Geräuschen des Rest-Urwaldes. Denn man darf sich das Amazonasgebiet hier nicht als undurchdringlichen, unberührten Dschungel vorstellen. Die „grüne Hölle“ ist zum größten Teil gerodet und Plantagen für Kakao, Zuckerrohr, Balsaholz und Bananen gewichen.

Wir bleiben noch einen Tag in Sinchi Warmi. Vormittags erkunden wir das Gelände der Lodge. Überall gibt es exotische Blüten und kunterbunte große Schmetterlinge, von Aussichtsturm blicken wir bis zum Rio Napo. Von hier können wir auch gut die Bauarbeiten an einem neuen Haus der Lodge beobachten. Momentan wird das Dach mit Palmwedeln gedeckt, eine Gemeinschaftsarbeit der gesamten Community, verbunden mit viel Essen und noch mehr Musik. In einem der Teiche entdecken wir mehrere wirklich gigantische Fische, wahre Monster. Es sind Paiche (Arapaima Gigas), die größten Süßwasserfische der Erde. Sie werden 2-3 Meter lang und bis zu 200 kg schwer.

Am Rio Napo
Am Rio Napo
Misahualli
Misahualli

Am Nachmittag fahren wir mit einem Boot nach Misahualli hinüber. Die Brücke über den Fluss ist schon seit Jahren kaputt. Der Ort ist klein und in den Seitenstraße findet man halb verfallene Häuser, die jedoch bewohnt sind. Für uns ist immer noch schwer nachvollziehbar, wie die Menschen hier mitten im Dreck und Chaos total entspannt stundenlang in der Hängematte liegen und im Handy daddeln, anstatt sich eine angenehmere Umgebung zu schaffen. Misahualli ist vor allem wegen des Sandstrandes und der umliegenden Dschungellodges beliebt. Es gibt hier sehr komfortable Anlagen, wo man 200-300 $ pro Nacht für ein Doppelzimmer bezahlt, die auch bei wohlhabenden Ecuadorianern beliebt und durch den nahen Flughafen auch von Quito aus rasch zu erreichen sind.

Mirador Pomona, 6.8.2025

Wir fahren wieder zurück nach Puyo, wo unsere Lebensmittel aufgestockt werden. Doch wir bleiben noch im Amazonasgebiet. Über eine gute kurvige Asphaltstraße geht es noch eine halbe Stunde nach Süden zum Rio Pastaza. Auf dem Weg zum Mirador Puerto Santa Ana kommen wir an etlichen indigenen Dörfern vorbei, meist nicht mehr als eine Absammlung wellblechgedeckter Holzverschläge. In Puerto Santa Ana machen wir auf dem Dorfplatz Mittag, kein Mensch stört sich an uns. Es gibt ein großes Fußballfeld, den üblichen überdachten Mehrzweckplatz und sogar relativ neue öffentliche Toiletten. Letztere sind jedoch auch für unsere abgehärteten Sinnesnerven in einem absolut unbenutzbaren Zustand. Unten am Ufer gibt es einen Mirador mit mehreren Lokalen und einer Seilbahn, die den schlammigen, schnellfließenden Fluss quert.

Wir fahren noch 30 Minuten weiter bis zum Ende der Straße nach Pomona. Die Route wird wohl nicht oft genutzt, der Dschungel hat schon einen Teil der Fahrbahn zurück erobert. Pomona ist ebenfalls ein kleiner indigener Ort, jedoch gibt es hier etwas außerhalb ein neues Dorfzentrum mit Schule, Sportplätzen, Kirche, Verwaltungsgebäuden und sauberen Toilettenhäuschen. Vor allen Dingen steht hier auch ein stattlicher Aussichtsturm mit schönem Blick über den Dschungel und den Rio Pastaza. Bei Sonnenuntergang herrscht eine besondere Stimmung. Irgendwie ist es für mich surreal, hier zu stehen und über den Regenwald zu schauen. Als Kind habe ich die Abenteuerberichte der Entdeckungsreisenden verschlungen, das Amazonasgebiet war seitdem einer meiner Sehnsuchtsorte.

Sonnenuntergang im Amazonasbecken
Sonnenuntergang am Rio Pastaza im Amazonasbecken

Am Mirador von Pomona wollen wir übernachten. Natürlich fragen wir vorher, ob das okay wäre und ernten dafür lediglich erstaunte Blicke. Si, claro, was für eine Frage. Man stelle sich eine ähnliche Situation in einem deutschen Dorf vor. Hier hat niemand damit ein Problem, im Gegenteil: Alle Besucher, die im Laufe des Abends hierher kommen, grüßen sehr freundlich und winken zum Abschied. Abends dürfen wir die Dorfjugend bei einem leidenschaftlichen Fußballspiel auf dem Sportplatz neben unserem Auto beobachten.

Sangay Nationalpark, 7.8.2025

Zum Frühstück, das wir auf dem Aussichtsturm genießen, wird uns ein wunderschöner Blick über den Dschungel im aufsteigenden Morgennebel mit den schneebedeckten Gipfeln der Anden serviert. Vor allem der perfekte weiße Kegel des Sangay leuchtet herrlich im wolkenlosen Himmel. Der Vulkan ist der aktivste in Ecuador und stößt auch heute wieder eine Rauchwolke aus.

Blick auf den Vulkan Sangay vom Rio Pastaza
Blick auf den Vulkan Sangay vom Rio Pastaza

Nur wenige Kilometer von Pomona entfernt starten wir zu einem kurzen Spaziergang zur Cascada Hola Vida. Ein bequemer Pfad führt an einem idyllischen Bach durch den Regenwald und endet nach knapp 20 Minuten an einem kleinen Wasserfall. Natürlich kann ich der Versuchung nicht widerstehen wenigstens kurz in das klare Wasser im Bassin unter dem Wasserfall einzutauchen. Kalt und sehr erfrischend!

Urwalddusche an der Cascada Hola Vida
Urwalddusche an der Cascada Hola Vida

Nach diesem Zwischenstopp ist die wenig befahrene Hauptstraße schnell erreicht. Die Fahrt wird etwas eintönig, einen netten Platz für die Mittagspause finden wir nicht. Eine größere Schotterfläche am Straßenrand muss genügen.

Fahrt von Macas zur Laguna Negro
Fahrt von Macas zur Laguna Negro

Erst am Nachmittag wird die Gegend interessanter. Wir kommen den Anden wieder näher und bei Macas biegen wir auf die kurvenreiche Straße hoch in die Berge ab. Eine tolle Strecke. Bald sind wir hoch über dem Tal an einem Mirador mit Getränkeverkauf. Hier könnte man übernachten, doch es ist noch früh und wir haben einen Stellplatz auf IOverlander ausgesucht, an dem man der Vulkan Sangay und eventuell sogar das Leuchten der Lava sehen soll. Nach einer weiteren Stunde Fahrzeit auf der teils durch Erdrutsche und Geländebrüche erheblich beschädigten Straße stellt sich dieser Platz jedoch als echter Flop heraus. Hier liegen für unseren Geschmack einfach zu viele Klopapierreste herum und eine schöne Aussicht hat man auch nicht. So fahren wir weiter hoch in die Berge und landen schließlich kurz vor 18 Uhr auf dem Parkplatz an der Laguna Negra um Nationalpark Sangay auf über 3500 Meter Höhe. Wirklich schön ist es hier auch nicht, aber es gibt keine Alternative in der Nähe.

Fahrt von Macas zur Laguna Negro

Cobje Bajo, 8.8.2025

Nach einer ziemlich frostigen Nacht mit nur 3 Grad im Auto werden wir belohnt durch einen Bilderbuchblick auf die spiegelglatten Lagunas Atillo im Morgenlicht. Auch die Fahrt durch das weite Bergtal auf der E46 ist ein Genuss. Die goldenen Weiden leuchten in der hellen Sonne, es duftet nach frisch gemähten Gras. Nach wenigen Kilometern biegen wir im Weiler San Jose de Atillo ab auf eine schmale Piste, die über einen Höhenrücken mit herrlicher Fernsicht in das Tal des Rio Ozogoche führt. Überflüssig zu erwähnen, dass es nun überall einfach ideale Stellplätze gegeben hätte. Auch hier gibt es nur goldgelbe Weiden und einige kleine Felder. Die Wälder sind praktisch vollständig gerodet, wie praktisch überall in Ecuador (mit Ausnahme des Amazonagebietes).

 

Piste am Rio Ozogoche
Piste am Rio Ozogoche

Ein paar Fincas liegen am Weg, die wichtigsten Verkehrsmittel sind Esel, Pferd und Motorrad. Unsere Strecke ist praktisch verkehrsfrei. Diese Piste ist so winzig, dass sie auch auf Google Maps nicht auftaucht, sondern nur in Organic Maps. Olaf hat wirklich einen guten Riecher für diese verborgenen Schätze. Wie anders wirkt eine Landschaft von einer beschaulichen Schotterstraße aus, die in jeder Biegung der natürlichen Umgebung folgt und über die man langsam dahinrumpeln kann. Hier geht es noch sehr traditionell zu. Ausnahmslos tragen die Frauen ihre traditionelle Kleidung, bestehend aus einem leuchtend rot oder blauen Rock, der mit glitzernden Bordüren bestickt ist. Darunter blitzen mehrere Lagen Unterröcke hervor. Über dem Pullover tragen sie einen warmen Poncho, auf dem Kopf natürlich den schwarzen Filzhut. Schön sieht das aus.

Lagunas Ozogoche
Lagunas Ozogoche

Viel zu schnell ist der Weiler Ozogoche Bajo erreicht. Nun wird die Piste etwas breiter, es geht kräftig bergauf bis Ozogoche Alto, wo wir wieder in den Sangay Nationalpark hineinfahren. Der ansonsten arbeitslose Ranger freut sich darüber unsere Reisepass-Nummern, Name, Nationalität und Alter notieren zu können. Wir wollen hier zu den schönen Bergseen Lagunas Ozogoche gehen. Am Parkplatz werden wir von einer alten Frau und ihrer Enkelin ziemlich rüde um 2,5$ „gebeten“ als Parkgebühr. Dabei ist in Nationalparks stets Eintritt, Parken und Camping kostenlos und der Betrag ist außerdem maßlos überzogen. Das beeindruckt die beiden Frauen nicht im geringsten. Uns ist das zu dumm. Wir stellen Yoda direkt vor dem Haus des Parkrangers ab und starten dann unsere kleine Wanderung. Durch die moorigen Wiesen des Parámo geht ein Pfad zum See, trotz Wind und der Höhe von über 3800 Metern ist es bei dem sonnigem Wetter angenehm warm. Nachdem wir einige Tage im Amazonasbecken verbracht gaben, merken wir die dünne Luft beim Gehen wieder deutlich. Auf der weiteren Fahrt schwingt sich unsere Piste bis auf 4060 Meter hoch. Hier gibt es tolle Stellplätze, aber schon in der letzten Nacht haben wir aufgrund der Höhe nicht gut geschlafen. Also folgen wir den unendlichen Kurven noch 1200 Höhenmeter weiter hinunter. Hier sind wir schon wieder in dichter besiedelten Gebiet mit richtigen Dörfern und Feldern.

 

Cuenca, 9.-11.8.3025

Heute war ein Autotag. Die vier Stunden Fahrt nach Cuenca zog sich in die Länge wie ein Kaugummi. Ziemlich schnell kommen wir von unserem Stellplatz auf eine Teerstraße. Die Fahrt durch dieses eindrucksvolle und unglaublich tiefe Tal war wirklich sehr schön. Immer wieder sind Teile der Straße durch Erdrutsche oder tektonische Bewegungen weggebrochen und die Straße wird dann ohne Vorwarnung einspurig. Man muss halt gut aufpassen, sonst landet man ggf. einige hundert Meter tiefer. Vom Talgrund arbeiten wir uns wieder auf 4100 Meter hinauf. Die Berge sind einfach nur gigantisch.

Schließlich wird es flacher, die Besiedlung und der Autoverkehr werden immer dichter. Die Straße führt kontinuierlich bergab und die schweren Lkw schleichen mit 20-30 km/h dahin. Die letzte Fahrtstunde bis in die große Stadt Cuenca geht auf einer vierspurigen Straße.

Kathedrale von Cuenca
Kathedrale von Cuenca

Olaf hat natürlich schon ein Cafe ausfindig gemacht, wo es gute Croissants, Brioches und vor allem Sauerteigbrot gibt. Anschließend geht es zum Campingplatz, einer Wiese mit einem Privathaus am Rand der Innenstadt. Wir genießen die sehr warme Dusche, waschen Wäsche und halten ein Schwätzchen mit Paul und Juliane, die seit gestern hier stehen. So trifft man sich immer wieder.

Am folgenden Tag steht sightseeing in der Altstadt an. Cuenca ist deshalb schließlich als UNESCO-Welterbe ausgezeichnet worden. Aber heute ist Nationalfeiertag und deshalb haben fast alle Läden zu. Cuenca wirkt daher ähnlich trist wie die deutschen Städte an einem Sonntag. In der Altstadt flanieren zwar sehr viele, offensichtlich wohlhabende, modisch gestylte Leute, die Lokale sind offen, es gibt prächtige Kirchen und viele wirklich schöne alte Gebäude.

Viel Betrieb in Cuencas Altstadt
Viel Betrieb in Cuencas Altstadt
Devotalienstand in der Markhalle von Cuenca - (direkt daneben tanzenn die Gogo-Girls)
Devotalienstand in der Markhalle von Cuenca – (direkt daneben tanzenn die Gogo-Girls)

Doch so richtig warm werden wir mit der Stadt nicht. Ein echtes Highlight ist jedoch die Gruppe von vier äußerst freizügig bekleideten jungen Frauen, die anlässlich des Nationalfeiertages auf der Bühne in der Markthalle zu unglaublich lauter Musik singen und neckisch tanzen. Lägen da auf den benachbarten Verkaufsständen nicht die ebenso nackten Hühner und würden nicht Heiligenbilder und große Kruzifixe darüber hängen, wir würden uns wie in einer Stripteasebar vorkommen. Und das im katholisch-konservativen Ecuador! Den vielen Machos, die die Bühne sabbernd umlagern und das Spektakel mit ihren Handys filmen, gefällt es jedenfalls, auch die züchtig traditionell gekleideten, drallen Marktfrauen tanzen fröhlich vor der Bühne mit. Es sind diese irren Kontraste zwischen den Lebenswelten, die uns immer wieder begegnen.

Da der Nationalfeiertag dieses Jahr auf einen Sonntag fällt, ist am folgenden Montag noch immer Feiertag. Wir gehen mittags wieder in die Altstadt und entdecken außer einem sehr guten und preiswerten vegetarischen Restaurant beim Bummeln einige nette Straßen mit hübschen alten, teils etwas verfallenen Häusern. Cuenca ist ja doch ganz schön.

Loja 12./13.8.2025

Nachdem wir uns in der guten Bäckerei nahe dem Campingplatz von Cuenca mit Kuchen und Brot versorgt und in einem noblen Supermarkt, in dem viele Amis einkaufen, unsere Vorräte ergänzt haben, geht es auf die E35 Richtung Süden . Die Panamerikana ist hier eine gut ausgebaute zweispurige Straße, die rasch aus der Stadt hinaus führt. Die Umgebung erinnert uns sehr an das Allgäu. nur reichen die grünen Berge mit Almen hier auf 3000 Meter. In Stadtnähe liegen an den Hängen etliche sehr schicke Villen, in Cuenca gibt es viele ziemlich wohlhabende Leute und einen hohen Anteil Ausländer, die das milde Klima schätzen.

Kurze Zeit später ist Schluss mit der entspannten Fahrt. Die Straße ist durch Demonstranten blockiert, eine sehr beliebte Art, um in Lateinamerika seinen Unmut zu äußern. Die Polizei leitet den Verkehr auf ungeteerte, schmale Nebenstraßen um, die aber auch gesperrt sind. Das übliche Chaos. Dank Google Maps finden wir eine fahrbare Alternative und kurven mit vielen anderen, die die gleiche Umleitung nehmen, auf einer Schotterstraße durch ein idyllisches Tal. Doch dann ist auch hier Ende. Irgendeinem heißblütigem Anwohner hat wohl der Verkehrsfluss missfallen oder er wollte lediglich solidarisch mit den Demonstranten sein. Jedenfalls hat er kurzerhand vor wenigen Minuten einen Baum mit der Kettensäge gefällt und so auch diese Strecke blockiert. Aus dem Kleinbus vor uns springen jedoch mehrere kräftige Männer, die das Hindernis rasch zur Seite schieben. Der Verkehr könnte jetzt wieder einspurig das Hindernis umfahren. Allerdings müsste man dafür erst den Lkw im Gegenverkehr durchlassen und dafür eine kleine Lücke lassen. Genau das macht Olaf, aber er hat natürlich nicht mit dem üblichen Giga-Ego der lokalen Lenkrad-Helden gerechnet. Die überholen nämlich noch rasch, quetschen sich in die Minilücke und im Nu hat sich wieder ein tolles Verkehrskneuel gebildet, bei dem niemand vor oder zurück kommt. So dauert es mit Hin und Her rangieren einige Zeit, bis der Verkehr wieder fließt. Dafür haben wir wieder eine kostenlose Lehrstunde zur lateinamerikanischen „Me-first“-Mentalität bekommen.

Die Berge, durch die wir fahren, sind nun nicht mehr so schroff. Trotzdem kommen wir wieder mit endlosen Kurven auf über 3500 Meter Höhe. Die Route ist ein einziges Auf und Ab entlang der Berghänge. Es gibt sehr viele massive Erdrutsche, an denen nur eine Spur geräumt ist oder die talseitige Spur komplett weggerissen wurde. Warnschilder gibt es dazu nicht, bei Nacht ist das echt lebensgefährlich. Dazu kommen tiefe Schlaglöcher sowie wellenförmige Verwerfungen oder stufenartige Brüche der Fahrbahn durch tektonische Bewegungen.

Am späten Nachmittag sind wir endlich am Ziel und übernachten im Freizeitgelände oberhalb der Stadt Loja. Hier gibt es einen kleinen Park mit See und Essensständen, es ist sogar ein Nachtwächter da.. Ein sehr guter, ruhiger Stellplatz für Overlander.

Loja
Loja

Am nächsten Tag bummeln wir lange in der warmen Sonne am See, bevor wir hinunter zur Stadt fahren. Loja ist mit einer Universität und regem Einzelhandel das regionale Zentrum im Grenzgebiet zu Peru. Es gibt zahlreiche schöne alte Häuser, teils aus der Kolonialzeit, teils im Jugendstil. In den geschäftigen Einkaufsstraßen und auf grünen Plazas vor prächtigen Kirchen kann man wunderbar den normalen Alltag beobachten. Das gefällt uns. Touristen sehen wir keine, bis auf Paul und Juliane, die uns zufällig über den Weg laufen. Sie haben gestern bei der Straßensperre drei Stunden im Stau gestanden und dann an einer Tankstelle übernachtet. Da hatten wir ja noch mal Glück.

Nachmittags fahren wir hinauf in den Podocarpus Nationalpark, der ein großes Gebiet südlich von Loja umfasst und für seine große Artenvielfalt berühmt ist. Nach der Zufahrt in den Park fahren wir noch über eine Piste bergauf zur Rangerstation in 2800 Metern Höhe, wo wir übernachten. Es beginnt bald kräftig zu regnen.

Podocarpus Nationalpark, 14.8.2025

Wir bleiben den ganzen Tag im Nationalpark Podocarpus. Am Refugio sind wir, abgesehen von dem einsamen Ranger, der hier Dienst gat, ganz alleine. Es tut gut, mal wieder so abgeschieden einige Zeit zu verbringen.

Auch in der Nacht hat es sehr kräftig geregnet und morgens nieselt es oder die Nebelschwaden bringen feuchte Luft. Es ist ziemlich ungemütlich nass-kalt. Also lassen wir uns viel Zeit, bis gegen 10.30 zumindest der Regen aufhört und wir mit Daumenjacke und Regenkleidung im Rucksack zu einer kleinen Wanderung zu einem 200 Meter höher gelegenen Aussichtspunkt aufbrechen können.

Im Nebelwald des Podocarpus-NP
Im Nebelwald des Podocarpus-NP

Der nur 1,5 Kilometer lange Pfad führt stetig bergauf, uns wird rasch wärmer und in der relativ dünnen Luft gehen wir langsam. Außerdem gibt es so viele phantastische Pflanzen zu bewundern. Seit Costa Rica waren wir nicht mehr in einem primären Nebelwald und die dichte Vegetation begeistert uns von neuem. Bei 3000 Metern Höhe erreichen wir die Baumgrenze, ein scharfer Wind fegt über die Bergflanke und bringt immer wieder Nebelfetzen mit. Am Mirador sehen wir daher von den Bergen des Nationalparks leider nicht viel. Dafür kann man sehr eindrucksvoll die Unterschiede in der Vegetation zwischen dem ursprünglichen Wald im Nationalpark und den kahlen Hängen mit Weiden auf der gegenüberliegenden Talseite sehen.

Wanderung im Podocarpus NP
Wanderung im Podocarpus NP

Den Nachmittag verbringen wir mit Recherchen zu einer möglichst optimalen Heimreise, die Ende Oktober ansteht. Mein Flug von Bogota nach Frankfurt ist ja bereits gebucht. Optional könnten wir von Lima oder Cusco einen Zubringerflug nehmen. Außerdem muss ein Storage für Yoda gefunden werden. Abends treibt uns die Kälte schon früh ins Auto. Gelobt sei die Standheizung.

Palanda, 15.8.2025

Wann sieht man schon mal einen Regenbogen von oben? Unser letzter Tag in Ecuador beginnt mit diesem ungewöhnlichen Schauspiel, als wir nach dem nächtlichen Dauerregen am Refugio im Podocarpus Nationalpark wieder bergab fahren und die Wolkendecke durchstoßen.

Over the rainbow - Podocarpus NP
Over the rainbow – Podocarpus NP

Im Tal scheint die Sonne, es ist wunderbar warm. Über Mittag vergnügen wir uns in der Kleinstadt Vilcabamba, die mitten zwischen den Bergen auf nur 1700 Metern Höhe liegt und sich wegen ihres milden Klimas sowie der schönen Landschaft zu einem sehr beliebten Backpacker-Ziel und Wohnort für Rentner aus Nordamerika entwickelt hat. Die Geschäfte und Lokale an der Plaza sind hinsichtlich Angebot und Preisen ganz auf diese zahlungskräftige Kundschaft eingestellt. Hierhin verirrt sich kein Einheimischer. Allein an der Plaza sehen wir drei Maklerbüros, die Immobilien zu für amerikanische Verhältnisse niedrigen Preisen anbieten. Auf den Hügeln rings um den nur 5000 Einwohner zählenden Ort liegen viele edle Häuser. Die „Gringorisierung“ führt jedoch zu steigenden Preisen für alle und stößt daher nicht auf allgemeine Begeisterung, auch wir fühlen uns in diesem „Ghetto“ nicht so wirklich wohl.

Fahrt nach Palanda
Fahrt nach Palanda

Den Nachmittag verbringen wir wieder auf der Straße. Die Ruta 682 führt strikt nach Süden, hoch und runter durch eine wieder wunderschöne Bergwelt. Unterwegs sehen wir ein paar Fernradler. Bei den extrem bergigen Strecken und den Straßenverhältnissen gehört ihnen unser absoluter Respekt. Das Wetter im Tal ist sonnig und warm, auf den Pässen geht es durch die Wolken und strömenden Regen. An die vielen Erdrutsche und Straßenschäden sind wir schon gewohnt. Es gibt auf der 75 Kilometer langen Strecke bis Palanda nur ein Dorf, sonst ist in den engen Tälern kein Platz. Kurz vor Palanda liegt abseits der Straße die archäologische Ausgrabungsstätte Sta. Ana, wo die Reste einer 5000 Jahre alten Maya-Siedlung freigelegt wurden. Hier kann man sehr ruhig auf dem kleinen Parkplatz übernachten, es gibt saubere Toiletten und einen Nachtwächter. Ein super Tipp von IOverlander für unsere letzte Nacht in Ecuador. Wir hatten 30 ereignisreiche Tage in diesem wunderbaren Land, jetzt sind wir gespannt auf Peru.