Mittelschweden – Südlicher Kungsleden, Teil 2

Am 30.7. geht die Wanderung auf dem Südlichen Kungsleden endlich weiter. Mein Knie scheint dank regelmäßiger Fütterung mit Ibuprofen und Dehnübungen bereit, die letzten knapp 100 Kilometer zu bewältigen. Für die Überquerung des Jämtlandgebirges habe ich 5 Tage geplant. Proviant nehme ich jedoch noch für einen zusätzlichen Tag mit, um einen Wetterumschwung auszusitzen oder falls mein Knie eher kürzere Tagesdistanzen bevorzugt.

Das kalte Jämlandsfjäll, Schwedens südlichstes Hochgebirgsmassiv, besticht durch schroffe Gipfel bis zu 1800 m Höhe, Gletscher und unendlich weite Hochtäler –  für mich der landschaftlich spannendste Abschnitt und nicht nur im topographischen Sinne der Höhepunkt der Tour.

Auf der gesamten Strecke gibt es Rasthütten sowie bewirtschaftete Hütten des Schwedischen Wandervereins STF, diese jeweils im Abstand einer Tageswanderungen, wo man gut (und teuer) essen und bequem übernachten kann, Sauna inbegriffen. Eine überaus gute Infrastruktur also- schließlich ist dies einer der Wanderklassiker des Landes und für die Schweden ist nicht leistungsbezogenes Ultralighthiking, sondern „Friluftsliv“, also eher das gemütliche Leben in der Natur mit Geselligkeit und einem gewissen Komfort, ein Teil ihrer Kultur.

Südlicher Kungsleden

Von Fjällnäs nach Klinken

Das Wetter ist alles andere als einladend, als Olaf mich im Skiort Fjällnäs aus dem wohlig- warmen Bus entlässt. Nach dem Gewitter der letzten Nacht hat es einen kräftigen Temperatursturz gegeben, selbst im geschützten Tal sind es nur noch 7 Grad. Sommer ade – in den Bergen wird es Frost geben. Und so schultere ich um kurz vor 10 Uhr bibbernd meinen Rucksack, der dieses Mal auch Wintermütze und Handschuhe enthält, und stiefele bergan durch den dürren Birkenwald.

Kungsleden bei Fjällnes
Nebel beim Aufstieg von Fjällnes
Mittagspause in einer Rasthütte

Die Bäume tragen lange, schwarze Bartflechten, als wollten sie sich vor der Kälte schützen. Schnell bin ich über der bei ca. 750 Höhe liegenden Waldgrenze und im Nebel, den ein eisiger Nordwind in Fetzen reißt. Eine gespenstische Stimmung – aber auch irgendwie sehr schön. Aber meine Zweifel, ob es bei dem Wetter wirklich eine gute Idee ist in die Berge zu gehen, bleiben.

Der Weg ist gut markiert und lässt sich leicht laufen. Eine Pause ist wegen des Sturms nur in einer Rasthütte möglich. Doch schon kurz nach Mittag steigt der Nebel und die Wanderung über die Fjällheide macht nun richtig Spaß. Weit reicht der Blick über die rauhe Landschaft. Bis auf über 1000 Meter Höhe führt der Weg über einen Rücken. Rentiere begleiten mich und ein kleiner Vogel fliegt mir lange Zeit voraus. Er scheint auf jedem Wegkreuz auf mich zu warten. Die karge Schönheit der Landschaft lässt ganz schnell die Beschwerlichkeiten und Zweifel vergessen, ich genieße das Laufen.

Endlich freie Sicht….
…. doch die Berge hängen noch in den Wolken

Für den teilweise steilen und steinigen Abstieg ins Tal zur Alm Klinken nehme ich mir viel Zeit, es ist sonnig und im Windschatten sogar relativ warm geworden. Schon gegen 15.30 Uhr und nach nur 18 Kilometern ist das Tagesziel erreicht. Die alte Alm ist ein beliebtes Ausflugsgebiet, mein Zelt werde ich also erst aufschlagen, wenn sich die Tagestouristen verzogen haben. Müde bin ich überhaupt nicht, würde liebend gerne noch wenigstens zwei oder drei Stunden weiter gehen und einen Teil des anstehenden Aufstiegs aus dem Tal schaffen. Aber ich will ja mein Knie schonen, bleibe standhaft, langweile mich entsetzlich und bin sehr stolz auf mich. Immerhin gibt es eine gute Wiese für das Zelt, einen Windschutz und eine Feuerstelle. Letzteres kann man brauchen. Rasch wird es abends frostig und um 19.00 Uhr bin ich schon im Schlafsack verschwunden.

Heuschober an der Alm Klinken
Mein Zeltplatz in Klinken

Von Klinken zur Helagsstugan

Eiseskälte weckt mich bereits um 4.00 Uhr morgens. Das Zelt ist gefroren, wunderschön glitzert die Morgensonne vom wolkenlosen Himmel auf den mit Rauhreif verzuckerten Heidebüschen. Toll sieht das aus, aber Himmel…ist mir kalt. Erinnerungen an die Wanderung mit Dreamwalker auf dem Continental Divide Trail kommen hoch.

Eine Stunde gönne ich mir noch im warmen Schlafsack, schon der Gedanke ihn zu verlassen und in meine kalte Kleidung zu schlüpfen lässt mich schaudern. Doch es hilft ja nichts…schlotternd wird alles gepackt, ein Rentier schaut mir dabei interessiert zu. Ein vereistes Zelt zu verstauen, ist ein Vergnügen der speziellen Art. Die klammen Finger schmerzen und wollen einfach nicht mehr richtig gehorchen. Frühstück wird es erst später geben, schon kurz vor 6.00 Uhr ist Abmarsch.

Im Järmlandsfjäll oberhalb von Klinken

Gott sei Dank geht es steil bergauf, da wird man schnell warm und ich komme auch endlich auf einen sonnigen Hang. Atemberaubend schön dann der Panoramablick über die Berglandschaft im hellen Morgenlicht, das entschädigt mehr als genug für alles. Atemberaubend aber auch der noch immer heftige Nordwind, der mir ungehindert in Sturmstärke entgegenbläst und Tränen in die Augen treibt.

Rasthütte Svaletjakke

Meine Zuflucht ist die Rasthütte  Svaletjakke, in die ich hineingepustet werde und Tina aus dem Schlafsack treibe. Die junge Frau aus Leipzig ist ebenfalls auf dem Kungsleden unterwegs, allerdings in Gegenrichtung und hat hier die Nacht auf einer Holzpritsche verbracht. Ihr Zelt aufzubauen wäre in der exponierten Lage unmöglich gewesen und für genau diese Fälle gibt es die Rasthütten. Gemeinsam frühstücken wir und genießen die nette Unterhaltung.

Der weitere Weg ist traumhaft schön und sehr bequem zu laufen. Die Bäche und kleinen Flüße können trockenen Fußes auf Steinen gequert werden. Der Wind flaut ab und bald gehe ich bei hochsommerlichen 14 Grad im T-Shirt. Das markante Bergmassiv der  Helags, erst von Wolken umhüllt, liegt in seiner ganzen Pracht vor mir. Unendlich weit zieht sich die Fjällheide, kleine Seen glitzern wie silberne Spiegel. Wieder sind viele Rentiere meine treuen Begleiter. Bewundernswert, wie sie, hocherhobenen Hauptes, mühelos über das unwegsame Terrain galoppieren. Der Rücken bleibt stets waagerecht, alle Unebenheiten werden mit den staksigen Beinen ausgeglichen. Sie scheinen fast zu schweben.

Neugieriges Rentier
Bäche kann man auf Steinen gut queren
Fjalljagarstugan
Helagsmassiv

Am späten Vormittag dann eine Rast an der urigen und herrlich gelegenen Hütte Fjalljagarstugan und ein ausführliches Schwätzchen mit der netten Wirtin. Immer weiter geht es bergauf, bis um 16.00 Uhr nach 25 Kilometern die große Fjällstation der Helagshütten auf 1100 m Höhe erreicht ist. Bisher sind mir keine Wanderer begegnet, aber hier ist nun wirklich viel los. Ungefähr 40 bis 50 Zelte stehen in Umfeld verteilt, in der mehrere Gebäude umfassenden Hüttenanlage gibt es Duschen, Sauna, einen Kiosk und ein Restaurant. Bergeinsamkeit findet man hier nicht, da war ich in der Fjalljagarstugan schon vorgewarnt worden.

Einige der unzähligen Seen
Auf dem Weg zur Helagshütte
Zeltplatz mit Blick auf Helags und seinen Gletscher

Ebenso auf einen erneuten Wettersturz und aufziehenden Sturm in der Nacht, auch wenn es jetzt noch fast windstill ist. Daher suche ich lange und sorgsam einen windgeschützten Platz für mein Zelt, die Leinen werden zusätzlich mit großen Steinen gesichert. Die Temperaturen treiben mich heute schon um 18.00 in mein tragbares Zuhause. Ach, was wäre jetzt eine heiße Suppe fein….die Instant- Kartoffelbreipampe als Abendessen rutscht dagegen nur mühsam, denn sie ist eklig-kalt – aus Gewichtsgründen habe ich keinen Kocher mit. Trotzdem liege ich bald glücklich im Schlafsack, es war ein guter Tag heute. Und ab Mitternacht beginnt der Wind dann auch richtig zu heulen, aber mein Zelt steht stabil wie eine Burg und ich fühle mich geborgen.

Von den Helagsstugan zur Sylarnastugan

Ein wager Blick aus dem Zelt um 4.00 Uhr – man sieht …. nichts. Dichter Nebel umhüllt alles, dazu heftiger Sturm. Eine Stunde später – das selbe Bild. Wieder eine Stunde vergeht … usw. Ich bin gewohnt, sehr früh aufzubrechen und werde unruhig. Gegen 8.00 Uhr meldet sich Olaf per WhatsApp und schlägt vor, ggf. ins Tal abzusteigen. In nur vier Stunden konnte ich unten bei ihm am Bus sein. Sehr verlockend…

Aber heute steht nur eine relativ kurze Etappe von 21 Kilometern zur Sylarnafjällstation an, also beschließe ich doch noch abzuwarten, auch wenn Geduld nicht meine Tugend ist. Der Wetterbericht hat Besserung angesagt. Und wirklich….gegen 9.00 Uhr hebt sich der Nebel etwas, zumindest die Zelte in der unmittelbaren Umgebung sind wieder sichtbar.

Also packen und Aufbruch. Das Zelt beim Abbau im Sturm zu bändigen ist schwierig, mir fehlen einfach noch zwei zusätzliche Arme. Kaum ist alles doch glücklich verstaut, fällt mir auf, dass ich ja normalerweise eine Brille trage. Mist, die ist noch im Innenzelt….und hoffentlich nicht kaputt. Das wäre der GAU, den ohne sie sehe ich nicht viel. Vorsichtig taste ich mich zur Helagsstugan, um wettergeschützt in einem Flur vor den Duschräumen den Rucksack wieder auszupacken. Auf die leicht irritierten Nutzer der Sanitäranlagen kann ich leider keine Rücksicht nehmen. Gott sei Dank….da ist die Brille und sie ist heil. Ein gutes Ohmen.

Helagshütte

Die nächste gute Idee ist es, in der Hütte einen Kaffee zu trinken. Und dann noch einen Tee…. eine heiße Schokolade…. und es gibt sogar heißes Wasser für mein Instantporridge. Eine richtig gutes Frühstück, das mich den ganzen Vormittag innerlich wärmen wird. So vergeht wieder eine Stunde und ich finde immer neue Gründe, um nur nicht in das unwirtliche Wetter rauß zu müssen. Mittlerweile ist der Nebel weiter aufgestiegen, man kann den Berghang und sogar den Helagsgletscher wieder sehen. Etliche Wanderer sind im Aufbruch. Jetzt gilt kein Kneifen mehr.

Also rein in die winddichte Regenhose, Mütze und Handschuhe und bei schlappen 2 Grad rauß in den eiskalten Nordwind, der mir den ganzen Tag ins Gesicht pusten wird. Solange man läuft, ist es warm genug, folglich gibt es eben eine Pause nur in der auf halber Strecke liegenden Rasthütte. Bis zum Mittag wird das Wetter besser, es gibt sogar etwas Sonne. Nun bin ich heilfroh, dass ich mich zum weitergehen entschlossen habe. Die Landschaft ist einfach umwerfend schön – das weite Tal, die Gletscher und schneebedeckten Bergflanken.

Endlich hebt sich der Nebel am Helagsmassiv
Hängebrücken führen über die meisten kleinere Flüsse

Der insgesamt gute Weg fuhrt über einige Steinfelder und dann die Moränenhügel im Tal rauf und runter. Nur einen kleine Fluss gilt es zu durchwaten. Das Wasser ist überraschend warm. Am Nachmittag senken sich die Wolken wieder, der Weg wird anstrengender, steigt stetig an und führt abschließend über einen 1200 m hohen Pass, die höchste Stelle des Südlichen Kungsleden. An den kleinen Seen liegen noch große Schneefelder. Nun wandere ich wieder durch Wolken und auf dem Pass schüttet es. Der Weg ist kaum zu erkennen, schon gar nicht mit komplett beschlagener Brille. Ich hangele mich von einem orangefarbenem Punkt, mit dem der Kungsleden auf den Felsen markiert ist, zum nächsten. Jetzt bloß nicht den Pfad verlieren. Endlich senkt sich der Weg, kommt  aus den Wolken und ich sehe tief unter mir die große Anlage der Sylarnahütten. Vielleicht habe ich ja Glück und es ist noch ein Bett dort frei, solchen Luxus will ich mir spontan nach diesem Sturmtag gönnen.

Schneefelder vor dem Sattel zur Sylarnahütte
Endlich im Warmen…. draußen regnet und schneit es

Um 16.30 Uhr stehe ich in der gepflegten Rezeption, triefend vor Nässe. Die Hütte ist eigentlich ein modernes Hotel mit 100 Betten, Restaurant und allem Komfort – und es gibt noch Platz für mich. Das Bett in einem 8-Personenschlafraum kostet stolze 550 SEK, also rund 50 Euro. Aber der mich nun umgebende Luxus einer warmen Behausung ist jeden Cent wert. Eine gefühlte Ewigkeit taue ich unter der heißen Dusche auf – wunderbar. Abtrocknen kann ich mich mit meinem T-Shirt, denn ein Handtuch ist aus Gewichtsgründen natürlich auch nicht dabei. Kleidung, Zelt und Schuhe sind im Trockenraum im Nu wieder in verwertbarem Zustand. Es gibt heißes Wasser für meine Kartoffelbreipampe. Ich fühle mich wie im Paradies, draußen regnet es.

Mein Zimmer teile ich mit einer liebenswerten schwedischen Familie, bestehend aus Vater, Mutter, zwei erwachsenen Töchtern und Schwiegersohn. Sie feiern den 60. Geburtstag des Vaters mit einer mehrtägigen Hüttenwanderung. Abends wird von uns allen gemeinsam „Fjäll-Yoga“ auf dem Fußboden praktiziert, auch der etwas korpulente Vater muss mitmachen. Wir lachen uns schlapp und haben wirklich viel Spaß miteinander. Was für ein Tag!

Von der Sylarnastugan zur Rasthütte Gräsliden

Wieder beginnt der Tag in einer dicken Nebelsuppe, doch nun treiben ab und an auch noch Schneeschauer von den Gletschern herüber. Also erstmal im warmen Bett bleiben, dann in Ruhe Kaffee trinken und mein heißes Porridge auf der Bettkante genießen, auch wenn das Frühstücksbufett im Restaurant einfach umwerfend aussieht.

Sylarnamassiv im aufsteigenden Nebel

Und wieder bessert sich das Wetter gegen 10.00 Uhr, manchmal schaut sogar der blaue Himmel hervor. Der kalte, steife Nordwind bleibt mir erhalten, allerdings nicht mehr in Sturmstärke. Ganze Heerscharen von Wanderern sind auf dem Weg zur Blåhammarenhütte unterwegs. Die Strecke ist Teil eines sehr populären 3-Tagesrundweges und ähnlich stark frequentiert wie der Nördliche Kungsleden Mir ist das deutlich zu viel Rummel.

Sumpffelder werden meist mit Bohlen überbrückt
Herrliche Ausblicke

Trotz der vielen Wanderer bleibt die Etappe anonym. Man grüßt, wenn überhaupt, kurz mit „Hey“ und das war’s auch schon.  Wie anders war dies auf den ersten, wenig begangenen Abschnitten des Kungsleden, wenn man nach mehreren Tagen endlich mal einen Menschen begegnet. Dann freut man sich ehrlich, bleibt für einen kurzen Plausch stehen, berichtet vom Wetter und Weg. Auch unter sehr vielen Leuten kann man also im Grunde alleine sein.

Zerstörung der Vegetation

Der Wanderpfad ist ein wahrer Spazierweg. Sehr leicht zu laufen geht es durch ein weites Tal, nur im Talgrund bei Finnbaken wird es stellenweise sehr sumpfig. Hier sieht man auch deutlich die schweren Schäden, die die Wanderstiefel und vor allem aber auch die Mountainbikes der Vegetation zufügen. Der weiche Moorboden wird von den grobstolligen Reifen regelrecht umgepflügt, hier wächst nichts mehr.

Anstieg nach Enkalen
Wollgras schmückt die Moorwiesen

Es folgt ein langer, bequemer Anstieg auf einen Höhenrücken. Die Rasthütte Enkalen im nächsten Tal für eine windgeschützte Mittagspause ist leider hoffnungslos überfüllt. Abstand halten oder gar eine Maske in geschlossenen Räumen wegen Corona – das haben wir bisher nirgends erlebt.

Danach geht es wieder lange bergauf, durchaus nun etwas anstrengend, bis Blåhammaren. Die ältere Wanderhütte liegt auf 1100 m Höhe sehr exponiert auf einem Sattel. Tolle Aussicht, aber saukalt. Die verdiente Rast fällt daher sehr kurz aus. Kurzzeitig hatte ich vorher aufgrund des einfachen Weges mit dem Gedanken gespielt, die restlichen 11 Kilometer noch bis nach Storvalen  zu laufen.

Auf dem Weg nach Blåhammaren
Die Wanderhütte Blåhammaren

Nun bin ich froh, mich anders entschieden zu haben. Denn hinter der Hütte endet die Wanderautobahn, nun ist der Weg zunächst steil und führt dann quer am Berghang über ein Blockfeld mit dichtem Weidengestrüpp buchstäblich uber Stock und Stein, sehr mühsam. Die Laufgeschwindigkeit sinkt rapide. Das wäre wieder so eine Hetzjagd geworden wie im Fulufjäll, mit dem damaligen Resultat eines entzündeten Knies. Hei, ich scheine ja wirklich ausnahmsweise mal aus Schaden ein winzig bisschen klüger geworden zu sein!

Rasthütte Gräsliden – mein Privathotel für eine Nacht
klein, aber fein

Mein Zuhause für die letzte Nacht auf dem Südlichen Kungsleden wird die 200 Höhenmeter tiefer liegende Rasthütte Gräsliden, nur eine Wegstunde von Blåhammaren entfernt. Schon um 17.00 Uhr und nach 22 Kilometern bin ich dort, sitze vor der Hütte, genieße die herrlichen Wolkenbilder am Horizont. In der Ferne sehe ich schon die Häuser und Skihänge von Storlien und Storvalen, wo der Südliche Kungsleden endet.  Dann treibt mich die Kälte in die einfache Hütte. Es gibt einen Tisch, einen Ofen und zwei Holzpritschen. Auf einer davon bereite ich mein Bett und liege bereits zwei Stunden später im warmen Schlafsack. Essen, etwas lesen, schlafen…ein gemütlicher Ausklang eines guten Tages.

Von Gräsliden nach Storvalen

Nachts nieselt es leicht, ich genieße mein trockenes Heim. Nur 9 Kilometer sind es noch nach Storvalen, wo Olaf und unser roter Bus auf mich warten. Gegen 9.00 Uhr marschiere ich bei Sonnenschein los. Es läuft sich nun auf sehr gutem Weg wie von alleine. Kein Wunder, denn der Pfad führt stetig bergab durch schöne Heidelandschaft mit herrlichen Zeltstellen.

Rasch ist die Baumgrenze erreicht. Durch einen lichten Wald filigran geformter Bergbirken geht es hinab zum breiten Fluss Enan. Eine solide Brücke führt hinüber. Der Windschutz am anderen Ufer wäre keine gute Option fur eine Übernachtung gewesen. Hier am Fluss und im Wald ist es viel zu mückig. Wie gut, dass der Weg nun um 120 Höhenmeter ansteigt bis auf den Berg Rundvalen. Immer wieder drehe ich mich oben um, um noch einen letzten Blick auf die Berge und die Fjällstation Blåhammaren zu erhaschen. Einem Rentierzaum passiere ich durch ein Tor. Als es hinter mir ins Schloss fällt, erscheint es mir wie die Pforte zum Kungsleden, die sich nun hinter mir schließt. Es ist gut, das Ende der Wanderung in Ruhe zu erleben und meinen Gedanken mit Muße nachzuhängen. Alles braucht seine Zeit.

Der Abschied vom Wanderleben wird versüßt durch Unmengen von Moltebeeren, die leuchtend orange mir aus den sumpfigen Wiesen entgegen lachen. Leider komme ich nicht dazu, ein Foto von diesen Köstlichkeiten zu machen. Wie von Zauberhand verschwinden die saftigen Beeren stets vorher in meinem Mund.

Das Ziel ist in Sicht – Storvalen

Schon bald hört man den Autolärm der E 14, dann tauchen die ersten Häuser von Storvalen auf und dort auf dem Parkplatz sehe ich unseren Bus leuchten. Nur noch hundert Meter und ich habe tatsächlich die gesamte Tour geschafft, ohne einmal hinzufallen – ein echtes Ereignis, denn ich stolpere gewöhnlich gerne über meine eigenen Füße. Kaum ist der Gedanke im Kopf, schon liege ich im weichen, triefend nassen Moos am Wegrand. Treffsicher war ich auf einer seifenglatten,  abschüssigen Holzplanke über einer Sumpfstelle ausgerutscht. Vor Lachen komme ich fast nicht mehr auf die Beine. Ein stilechtes Ende der Wanderung. Es war eine gute Tour mit vielen verschiedenen Eindrücken und immer mit der liebevollen Unterstützung durch Olaf. Ich habe allen Grund dankbar und zufrieden zu sein.

Resümee

Der Südliche Kungsleden liegt nun hinter mir, eine abwechslungsreiche Tour durch sehr verschiedene Landschaften. .

Auf jeden Fall ist eine Wanderung von Süden nach Norden zu empfehlen, da so die Dramaturgie der Landschaften zunimmt

Wenig spektakulär, aber eine herrlich weite, einsame Gegend waren die ersten Tage durch die großen Moorflächen und Wälder. Tagelang keiner Menschenseele zu begegnen und die große Stille zu erleben – etwas ganz besonderes und bei hoch- sommerlicher Wärme ein Vergnügen. Aber wehe dem armen Wanderer, der hier bei Regenwetter  unterwegs ist, wenn sich die Sumpfstellen in unpassierbare Moore verwandeln und die Mückeninvasion über ihn herfällt. Das muss eine echte Qual sein. Eine Abwechslung dann die Etappe über die Hochebene des Fulufjells, mit weitem Blick auf Berge und kleine Seen. Sehr steinig und mühsam für die Gelenke, aber schön war der Weg durch das Gebiet um den großen Rogensee. Und wirklich beeindruckend die letzte Etappe von Fjällnas nach Storvalen durch die Hochgebirgstäler, mit den Bergmassiv der vergletscherten Helags und Sylarna, trotz der winterlichen Wetterbedingungen mit Sturm und Kälte und der für meinen Geschmack zu vielen Wanderern.

Gefährlich oder besonders anstrengend ist der Südliche Kungsleden auf gar keinen Fall, und auch nicht „abenteuerlich“ oder  „extrem anspruchsvoll“, wie manche Wanderführer suggerieren wollen. Es ist ein, nach meiner Einschätzung, leichter bis mittelschwerer Weg, dessen Herausforderung vor allem in den Unwägbarkeiten des Wetter liegt und darin, dass man für relativ viele Tage Proviant mitschleppen muss – es sei denn, man hat solchen Superservice wie ich oder kauft in den bewirtschafteten STF-Hütten ein. Also eine schöne Tour zum Genießen.

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