Von Nordschweden zu den Lofoten

Die erfolgreiche Beendigung des Südlichen Kungsleden am 3.8. wird mittags in Storlien im Fjällcafé würdig gefeiert, der Kuchen ist hervorragend und wir essen viel zu viel davon. Anschließend bringt uns unser Bus über kleine Sträßchen, vorbei an Seen und Flüssen, in den Weiler Lillholmsjön, in the middle of nowhere, nordöstlich von Östersund. Erstmals seit Flensburg gehen wir hier auf den Campingplatz. Körperpflege und Wäschewaschen sind angesagt, es gibt tolle heiße Duschen, Waschmaschine und Wäschtrockner, einfach perfekt. Olaf kennt den Platz noch von seiner Berlin- Nordkap-Helsinki-Radtour, in den 7 Jahren seither hat sich nichts geändert.

Zum Stekenjokk

Am nächsten Tag steht leider Autofahren im Mittelpunkt, auch wenn die Strecke sehr schön ist. Es geht durch unendliche Walder, an im Sonnenlicht silbrig glänzenden Seen vorbei. Mittags faulenzen wir in der Sonne auf einem Steg an einem der idyllischen Seen, die von niedlichen roten Holzhäusern gesäumt sind. Wieder einmal das klassische Bilderbuch-Schweden, ein reales Klischee … wunderbar friedlich und entspannend.

Schwedische Idylle par excellence
Wasserfall bei Gäddede

Das Sommerwetter bleibt uns erhalten. Nach einer netten Vormittagswanderung zu einem Canyon mit Wasserfall bei Gädedde verleitet die warme Sonne mich zu einem Bad in den ausgewaschenen Felsgumpen unterhalb des Wasserfalls. Es fällt extrem kurz aus …brrr…saukalt! Anschließend eine sehr schöne Fahrt auf die über 700 m hohe Passstraße Stekenjokk, wo wir an der Passhöhe übernachten. Der Blick über das weite Fjäll und die Berge ist einmalig schön, im milden Abendlicht leuchtet die Fjällheide golden. Der Himmel zeigt sich in zarten Pastelltönen. An den Bergflanken liegt noch Schnee. Bis spät in die Nacht bewundern wir dieses Panorama, bequem vom Schlafsack aus. Welch ein Luxus.

Am Stekenjokk

Fahrt zur norwegischen Küste

Nach dem Frühstück in der Sonne führt uns am nächsten Tag ein Morgenspaziergang auf den kleinen Berggipfel hinter unserem Stellplatz. Dann rollen wir hinunter ins Tal, vorbei am Wasserfall Hällingsfållet, wo ein dickes Wohnmobil neben dem anderen parkt. Über schmale, staubige Pisten geht es weiter – Fortsetzung der Olaf-Radtour- Gedächtnisfahrt – bis Dikanäs, zu einem schönen Stellplatz direkt an einem rauschenden Fluss. Hier verbummeln wir den Rest des Tages.

Auf der Fahrt zum Meer
Kaskaden des Wasserfalls Hällingsfållet
Unser Stellplatz bei Gädedde

Wir entscheiden uns, die Reise in  Norwegen fortzusetzen. Nächstes Fernziel sind die Lofoten. Über kleine, völlig verkehrsfreie Straßen rollen wir hinab zum Meer, immer noch vorbei an unendlichen Wäldern, Seen und Flüssen. Einen halben, faulen Tag verbringen wir an einem schönen, einsamen Stellplatz an einem Fluss. Das Wetter wird windiger und kälter, ein abendliches Lagerfeuer ist da genau richtig.

Am Grenzübergang nach Norwegen, der nur durch das Schild „Reichsgrenze“ zu erkennen ist, hängt ein Hinweis „Stängt, ring 117“. Aha, die Grenze hier ist also geschlossen und man soll die Telefonnummer 117 anrufen – es gibt aber keine Straßensperre oder ähnliches. Bei der Einreise von Schweden muss man nämlich einen Impfnachweis vorlegen oder einige Zeit in Quarantäne gehen. Da natürlich nicht alle Grenzübergänge kontrolliert werden können, hat man die kleinen Übergänge einfach „geschlossen“, in dem man dort ein entsprechendes Schild aufhängt und darauf vertraut, dass sich alle freiwillig daran halten. Typisch skandinavisch.

Über kleine, verkehrsfreie Straßen geht es hinunter nach Norwegen
Unsere Alternative zur „Nordkap-Rennstrecke E6“ – langsam, aber schön

Wir rollen also unbehelligt hinunter nach Norwegen. Die Berge werden schroffer und felsiger, es wird immer wärmer. Kurze Zeit fahren wir über die E6, auf der Hauptroute für alle eiligen Nordkapfahrer ist ganz schön Betrieb. Nein, das gefällt uns gar nicht. Bald tuckern wir wieder mit 50 km/h über winzigste Schottersträßchen. In Mosjoen ist schließlich das Meer erreicht, mit 20 Grad Celsius erscheint uns die Luft fast tropisch warm. Von Levang setzen wir, zusammen mit vielen anderen Wohnmobilen, per Fähre nach Nesna über.

Entlang der Helgelandsküste

Die Strecke ist uns schon von mehreren Radtouren zum Nordkap  gut vertraut und noch nach über 10 Jahren erinnern wir uns genau an Details, wo man z.B. Zuflucht vor Regen gesucht hat oder an die heftige 10%-Steigung nördlichen von Nesna auf die schroffe Flanke des Fjordes. Damals war alles in Wolken gehüllt, wir fuhren durch eiskalten Regen. Heute erreichen wir mühelos die Höhe mit phantastischem Panoramablick über den Fjord und die wie Haifischzähne gezackten Inselberge, die über 900 Meter hoch fast senkrecht aus dem Meer ragen. Genau auf dem Aussichtspunkt parken wir am frühen Nachmittag unseren Bus für die Nacht, trotz Regenschauern und heftigen Sturmböen, die den Sandfloh zum Schwanken bringen. Hier oben sitzt man wie in einem Adlerhorst, 400 Meter über dem Fjord, fast senkrecht fallen die Felswände ins Meer. Bei Kaffee und Schokolade können wir das schlechte Wetter aussitzen und abends noch einen gemütlichen Spaziergang mit schier unglaublichen Ausblicken über die Küste unternehmen.

Stellplatz bei Nesna mit Panoramablick über den Fjord

Die ständig wechselnde Stimmung des Lichts in der endlosen Dämmerung der nordisch-hellen Nacht ist faszinierend. Immer wieder brechen Bündel von Sonnenstrahlen  durch die dramatischen grau-blauen Wolkenbilder, zaubern silbrig- glänzende Spiegel auf das Meer und beleuchten wie gigantische Scheinwerfer die Bühne des Naturschauspiels. Nachts strahlt die tiefstehende Sonne die Wolken von unten bonbonrosa an. Und wir haben in unserem Bus die Logenplätze. 

Dramatische Lichtspiele – Sonne und Wolken über dem Meer

 

Es geht weiter die wunderbare Küste Helgelands entlang, von der einschlägige Reiseführer behaupten, es handele sich um eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. Sie könnten ausnahmsweise Recht haben. Uns kommt es vor wie eine gigantische Eisenbahnmodell- Landschaft. Zackige Felsenberge mit Schneefeldern, tief eingeschnittene Fjorde, Bauernhöfe mit grünen Wiesen, Birkenwälder, das kristallklare Meer, die vielen kleinen Inseln – und das alles auf kleinstem Raum. Dazwischen immer wieder Fahrten mit der Fähre. Bei der Überfahrt von Kilboghamn passieren wir den Polarkreis. Jetzt sind wir endgültig im hohen Norden. Wie zur Bestätigung beginnt es zu regnen.

Auf der Überfahrt mit der Fähre nach Kilboghamn

Am Svartisengletscher

Unser Tagesziel ist der Svartisngletscher. Bei Glomfjord geht es durch einen langen Tunnel, dann über eine winzige Straße der Stromgesellschaft in ein Seitental hoch zum Stausee Storglomvatnet, davor sind zwei weitere unbeleuchtete, sehr steile Tunnel zu passieren. Von Meereshöhe windet sich so das Sträßchen 600 m hoch in die Berge. Direkt am Stausee landen wir auf einem herrlichen Stellplatz mit Blick auf eine blauschimmernde Gletscherzunge des riesigen Svartisngletschers. Vor ca. 40 Jahren waren wir auf einer Wanderung schon einmal hier, allerdings nach einem mühsamen Aufstieg zu Fuß über eine steile Holztreppe, die mit 1132 Stufen in eine Felswand 300 Höhenmeter hinauf auf die Hochebene führt. Die 1,7 Kilometer lange „Fykantrappa“ diente 1919 ursprünglich als Transportweg für den Bau eines Kraftwerks am Fykanwasserfall und ist in den letzten Jahren dank Facebook und Youtube zu einer Touristenattraktion mit 12.000 Besuchern pro Jahr geworden. Die Treppe und die wackelige Hängebrücke, die zuvor zu queren ist, wurden jedoch im Sommer 2020 wegen Bauschäden gesperrt. Sie gelten als nicht mehr sicher genug für den Touristenverkehr.

Den großen Stausee Storglomvatnet, die Tunnel und die Straßen zum Staudamm hoch in die Berge gab es vor 40 Jahren noch nicht. Die ganze Region wurde hierdurch grundlegend verändert, der Ort Glomfjord lag damals in einer Sackgasse am Ende der Welt. Heute führt die vielbefahrene FV 17 durch mehrere Tunnel wie eine Umgehungsstraße herum. Aber oben auf dem Fjäll ist es noch immer wunderschön und ein abendlicher Spaziergang in der absoluten Stille tut gut.

Stellplatz am Storglomvatnet
Tunnel und Zufahrt zum Storglomvatnet

Eigentlich wollten wir hier einige Tage für ausgedehnte Wanderungen nutzen, in Erinnerung an alte Zeiten. Doch das Wetter macht uns einen Strich durch die Rechnung. Die Landschaft ist im Nebelgrau versunken, man sieht wirklich gar nichts mehr. Dauerregen plätschert auf den Sandfloh und eine Besserung ist nicht in Sicht. So verbringen wir den ganzen Tag mit Lesen und Tee trinken im Bus. Erstmalig auf dieser Reise kommt bei naßkalten 8 Grad Celsius die Standheizung zum Einsatz.

Fahrt zu den Lofoten

Am nächsten Tag haben sich die Wolken zumindest etwas gehoben und wir wagen einen kleinen Spaziergang. Auch beim Abstecher zum Holmvassdammen, einer weiteren Staumauer des Storglomvatnet, haben wir Glück und können die eisblaue Gletscherzunge aus der Nähe bewundern, bevor sie sich wieder in Nebel hüllt.

Ausläufer des riesigen Svartisengletschers, Blick vom Holmvassdammen

Während des restlichen Tages fühlen wir uns allerdings wieder sehr an unsere Radtouren erinnert, Dauerregen mit sehr tief hängenden Wolken, die die schroffe Berglandschaft unmittelbar am Meer nur ahnen lassen. Allerdings ist nun sehr viel mehr Autoverkehr auf der bei Touristen beliebten FV17. Ob da das Radeln noch Spaß macht?

Unbedingt einen Stop wert ist der Saltstraumen, ca. 40 Kilometer vor Bodø. Der weltweit stärkste Gezeitenstrom presst durch den Tidenhub zwischen Ebbe und Flut rund 400 Millionen Kubikmeter Meereswasser durch eine nur 2,5 Kilometer breite Engstelle zwischen zwei Fjorden. Es bilden sich gewaltige Strudel von bis zu 10 Metern Durchmesser und 5 Metern Tiefe. Am besten kann man das Naturschauspiel von der hohen Brücke über den Sund beobachten, der Blick hinunter auf die gurgelnd mit über 40 km/h vorbei schießenden Wassermassen ist wirklich beeindruckend.

Der Saltstraumen – Hotspot für Angler
Die Landschaft versinkt im Regen – typisches Küstenwetter

Kurz hinter dem Saltstraumen verlassen wir die vielbefahrene FV17 und holpern über einen sehr schlammigen und ausgefahrenen Feldweg, der nur für Allrad geeignet ist und große Bodenfreiheit erfordert, zu einem tollen Stellplatz, den wir wieder einmal Dank der App park4night gefunden haben. Eine Wiese am Meer mit Sandstrand, einsam, vollkommen ruhig und, wenn die Wolken nicht auf Meereshöhe hängen würden, mit Blick auf Bodø.

In der Region um die Hafenstadt leben rund 55.000 Menschen. Das mag uns sehr kleinstädtisch vorkommen, doch es ist, abgesehen von Tromsø, der wichtigste Siedlungsraum nördlich des Polarkreises, mit Flughafen, Universität, einer „richtigen“ Innenstadt mit Geschäften aller Art und vielen modernen, hohen Bürogebäuden.

Wir stehen schon um 6.30 Uhr erwartungsvoll am Kai der Fähre nach Moskenes, denn wir erwarten einen ziemlichen Reiseverkehr zu den Lofoten und denken, dass wir bei der Frühfähre um 7.00 Uhr eher Chancen auf ein Ticket haben. Und wirklich – der Kai ist menschenleer. Allerdings gibt es auch kein Schiff. Die erste Fähre geht entgegen der Angaben im Fahrplan erst um 11.00 Uhr! Sehr mysteriös.

So stehen wir als erste in der noch nicht vorhandenen Warteschlange, haben wir reichlich Zeit für ein ausgiebiges Frühstück und können uns in aller Ruhe in den blitzsauberen Toiletten des Warteraums mit warmen Wasser (!) waschen. Nun klärt sich beim genauen Blick auf den Fahrplan auch das Rätsel: Dienstag und Donnerstag verkehrt die Frühfähre nicht und wahrhaftig – heute ist tatsächlich Donnerstag! Kurzum: Wer lesen kann, ist im Vorteil. Wir nehmen es mit der Gelassenheit von an Zeit reichen Reisenden ….

 

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2 Kommentare

  1. Liebe Anette, lieber Olaf,
    ich war neugierig wohin es Euch in diesem Sommer verschlagen hat.mit Eurem Bericht seid Ihr wieder sehr inspirierend, danke! Gerne denke ich an die Teepausen mit Euch im vergangenen Sommer in Island. Gute Reise!

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