Kühle 6 Grad sind es morgens auf 2300 Metern Höhe in den Bergen der Sierra. Da warten wir mit dem Frühstück gerne bis um 8 Uhr die wärmende Sonne aufgeht.
In rund 1,5 Stunden rollen wir dann wieder 80 Kilometer hinab zur Mex 1 auf Meereshöhe. Während der Fahrt sehen wir wieder einige Condore kreisen. Auf der stark befahrenen Straße fahren wir weiter nach Süden. Die Küste ist nun ganz flach. Unendliche Gemüse-und Obstplantagen dehnen sich aus, deren mit Plastikfolie bespannte Felder auf den ersten Blick kaum vom Meer zu unterscheiden sind. Die Dörfer sind staubig und ärmlich.
Im größeren Ort Colonia Vicente Guerrero bietet uns eine sehr saubere öffentliche Dusche den Luxus einer gepflegten Körperreinigung, und das für nur 3 Euro pro Person. Direkt daneben gibt es ein Café mit gutem WLAN und damit endlich die Möglichkeit, unseren ersten Blogbeitrag fertig zu machen und online zu stellen. Erst am frühen Nachmittag geht es weiter. Wir fahren noch eine Weile auf der Mex 1 und dann ab Lázaro Cardenas über tiefsandige Pisten hinüber zum Meer. Dort rollt Yoda auf einen einsamen Stellplatz am Playa de Oeste Médano. Die Dünen rings um die Vulkankegel sind Naturreservat, in einiger Entfernung liegt ein winziges Fischerdorf, kurioserweise mit einer Handvoll schicker Villen zwischen den einfachen Häusern. Während unseres Nachmittagstees am Strand beobachten wir Pelikane beim Fischen und am nächsten Morgen zieht ein große Gruppe Delfine ganz nah vorbei.
In Lázaro geht es zum Einkaufen. Spannend ist es immer, wenn man nicht so ganz sicher ist, was für merkwürdige Dinge man aussucht. Die Bananen sehen z.B. sehr ungewöhnlich aus, wir nehmen sie trotzdem. Dann rollen wir wieder auf der Mex 1 nach Süden. Die weiten Obst-und Gemüseplantagen in der topfplatten Küstenebene sind wenig spannend. Interessanter wird es erst, als die Straße bei El Rosario nach Osten in die Berge abbiegt. Hier läßt auch endlich das Verkehrsaufkommen nach, denn nun gibt es die nächsten 350 Kilometer keine größeren Orte mehr.
Karge Sträucher ziehen sich über die Hänge, die Landschaft ähnelt immer mehr einer Halbwüste. Dann tauchen die ersten Kakteen auf und schließlich durchfahren wir ein wahres Kaktuswunderland mit den unterschiedlichsten Arten dieser stacheligen Nationalpflanze der Baja. Besonders spektakulär sind die Kakteenwälder im Gebiet von Cataviña, da hier auch noch sehr malerisch große Granitfelsen zwischen den Kakteen liegen. Dort fahren wir nachmittags auf eine Piste nach Südwesten ab und finden einen wirklich außergewöhnlich schönen Stellplatz inmitten dieser Felslandschaft. Wir streifen durch die Umgebung und bewundern die interessanten Formen der unterschiedlichen Kaktusarten, deren Namen wir natürlich meist nicht kennen.
Da gibt es die vielarmigen Saguaros, die mehrere hundert Jahre alt werden und klassischen Requisiten in jedem Westernfilm oder auch den Lucky Luke Comics sind. Oder strauchähnliche Arten mit stachelbesetzten Tentakeln und roten Blüten an den Spitzen. Skurril sehen die kerzengeraden Stengel mit dem Samenpuschel am Ende aus, die bis zu 12 Meter in die Höhe ragen und aus deren glatten Stamm kleine grüne Zweige sprießen. Richtige Kunstwerke sind die knorrigen, buschigen Arten, deren Äste geflochtenen Tauen gleichen. Es gibt viel zu entdecken und wir bewundern die verschiedenen Überlebensstrategien der Pflanzen in dieser extremen Umgebung.
Beim Frühstück am Morgen wird das Geheimnis der fremdartigen Bananen gelüftet. Es handelt sich um Kochbananen, die roh absolut ungenießbar sind. Ich schneide sie klein und koche die Stücke. Geschmack und Konsistenz ähneln Kartoffeln. Prima, dann machen wir Brei daraus, der zusammen mit Knoblauch, Currypulver und Salz einen guten vegetarische Füllung für Tortillas zum Mittagessen ergibt.
Die weitere Fahrt bringt uns durch die Desierto Central, die große Halbwüste im Inneren der nördlichen Baja, wo die Kakteenwälder oft kargen Steppen weichen. Eigentlich hatten wir geplant, über eine ca. 25 Kilometer lange Piste zur Oasis Santa Maria zu fahren, einer Palmenoase mit klaren Quellen im Wüstengebirge. Doch am Beginn der Piste versperren uns tiefhängende Äste zweier Bäume den Weg. So suchen wir etliche Kilometer weiter im Süden ein kleines Ersatz-Abenteuer, indem wir mit 15-20 km/h im ersten und zweiten Gang mit Untersetzung über eine teils sehr sandige, teils felsige und bucklige Piste rumpeln, die nur auf dem Navigationsgerät, nicht aber in der Straßenkarte verzeichnet ist. Über knapp 80 Kilometer soll sie uns zum Meer führen. Die Strecke ist jedoch stellenweise so rauh, dass ich mich auf der hinteren Sitzbank kaum halten kann. Also kehren wir auch hier nach einer halben Stunde wieder um. Ein dritter Pistenausflug bringt uns am Nachmittag in ein schönes Kakteenfeld, wo wir unser Lager aufschlagen. So können wir noch einige Stunden draußen genießen, bevor Punkt 18 Uhr die Sonne untergeht und es schlagartig kalt wird.
Doch vorher bekommen wir noch überraschend Besuch. Zwei Militär-Humvies rumpeln vorbei, besetzt mit mehreren Soldaten mit Gewehren im Anschlag. Sie sind sehr nett, fragen uns nach dem Woher und Wohin, lachen mit uns über unsere lustigen Sprachversuche und fotografieren natürlich unseren Master Yoda. Ein Soldat schneidet sich eine Frucht von einem Kaktus ab und nimmt sie mit. Aha, die Dinger kann man also essen. Das müssen wir natürlich auch testen. Die apfelgroßen, roten Früchte haben viele Stacheln. Vorsichtig kann ich sie mit dem Messer öffnen und dann das dunkelrote, weiche Fruchtfleisch auslöffeln. Schmeckt süßlich, und es wird einem auch nicht schlecht davon. Also eine tolle Zutat für unseren Porridge am nächsten Morgen.
Entgegen unserer Planung fahren wir nicht über eine Piste zur sehr schön restaurierten Mission Borja, sondern direkt ans Meer nach Bahia de Los Angeles. Meine Mutter hat ernsthafte gesundheitliche Probleme und wir möchten daher in einer Gegend mit Internetverbindung sein. Nach nur 70 Kilometern quer durch die Halbwüste sind wir in dem kleinen Ort am Golf von Kalifornien. Obwohl die Gegend als abgelegener Geheimtipp gilt, kommt es uns hier im Vergleich zu den bisher bereisten Teilen der Baja sehr touristisch vor. Es gibt viele kleine und sehr einfache Motels, Tacobuden und Campingplätze. Im Cafe eines Campingplatzes außerhalb des Ortes finden wir endlich sehr gutes Wifi. Das erleichtert die Krisenkommunikation mit Deutschland gegenüber unserem Satellitentelefon mit der begrenzten Sprechdauer erheblich. Außerdem gibt es guten Café und Kuchen, allerdings zu recht hohen Preisen, die auch gleich in US-Dollar angegeben werden. Das gilt auch für die Übernachtungsgebühren. Pro Stellplatz 30 US-Dollar oder 100 Dollar für ein Strandhaus pro Nacht finden wir ziemlich viel.
Mittags erreichen wir einen sehr schönen Stellplatz direkt am Sandstrand, ca. 10 Kilometer von Bahia de los Angeles entfernt. Hier verbringen wir einen echten Badetag. Im Gegensatz zum kühlen, wilden Pazifik ist der Golf eine lauwarme Badewanne. Wir genießen es, träge im kristallklarem Wasser zu planschen und die Pelikane beim Fischen zu beobachten. Sie kreisen über dem Wasser und stürzen sich aus großer Höhe mit angezogenen Flügeln auf ihre Beute. Abends ziehen Delfine vorbei. Es ist hier deutlich wärmer als auf der Pazifikseite, doch trotzdem gibt es am Strand ein zünftiges Lagerfeuer. Das haben wir bisher wegen Brandgefahr vermieden. Ein sehr schöner, friedlicher Platz. Doch so richtig entspannend ist es nicht wegen der Sorgen um meine Mutter. Es ist eine dieser Situationen, in denen ich mich frage, ob unser Lebensstil der richtige ist. Reisen ist nicht immer lustig. Morgens sind wir wieder am besagten Campingplatz, um zu telefonieren. Immerhin ist meine Mutter nun nach harter Überzeugungsarbeit doch ins Krankenhaus gegangen, somit unter ärztlicher Obhut und es scheint ihr relativ gut zu gehen.
Erst kurz vor Mittag brechen wir auf. In Los Angeles endet die Asphaltstraße. Es geht nur noch über eine Piste weiter. Wir holpern über Steine und schlittern durch Tiefsand. Heimtückisch sind tiefe Schlaglöcher, die man erst spät sieht. Wenn Yoda darin schwungvoll abtaucht, vollführe ich auf meiner unergonomischen Sitzbank wahre Luftsprünge. Doch die großartige Wüstenlandschaft ist alle Mühe wert. Weite Kakteenwälder in den sandigen Tälern und kahle Bergrücken. Keine Besiedlung, nur völlige Einsamkeit. Nach 70 Kilometern bzw. 3 Stunden beenden wir den Fahrtag an einem schönen Stellplatz mit Weitblick am Meer, in Gesellschaft vieler Pelikane und einiger Delfine. Nachts heulen die Koyoten den Vollmond an, der silbern über dem Meer steht.
Den nächsten Tag beginnen Eva und ich mit einer Mini-Wanderung. Wir haben das Gefühl, ganz dringend Bewegung zu brauchen und laufen einfach auf unserer Piste voraus. Die Landschaft und der staubig-sandige Weg erinnern mich sehr an die Wanderung durch den Süden New Mexikos vor 5 Jahren. Nur werden wir hier bereits nach 5 Kilometern von Olaf und Yoda wieder eingesammelt.
Heute fährt Eva am Vormittag in der Holzklasse auf der Rückbank. Die Piste wird sehr, sehr rauh so dass sie sich mit Kissen ringsum auspolstert und sich kunstvoll mit dn Beinen zwischen den Schränken verkeilt. Durch zahlreiche Arroyos, die breiten Flusstäler, die nur bei Regen Wasser führen, verlaufen lange sehr tiefsandige Passagen. Als es dann hinauf in die Berge geht, wird die Piste steil und sehr felsig. Olaf umkurvt geschickt die heftigsten Felsbrocken. Doch manchmal ist der Weg zu eng dazu und Yoda klettert brav im ersten Gang und Untersetzung im Schneckentempo darüber hinweg. Im weiteren Verlauf sind durch Unwetter an vielen Stellen die betonierten Furten der querenden Bachläufe weggerissen oder Stücke der Piste sind ausgebrochen. Nun gilt es die steilen Böschungen hinab und herauf zu klettern und vorsichtig auf der schmalen Fahrspur die tiefen Rinnen zu umfahren. Olaf macht das mit bewundernswerter Ruhe. Und gut, dass Yodo so zierlich gebaut ist. Mit einem breiterem Fahrzeug käme man hier nicht durch.
Nur langsam mit ca. 10 km/h kommen wir in den schwierigen Abschnitten voran, der Treibstoffverbrauch steigt auf 20 l/100 km. Die Piste ist Teil der Baja off-Road-Ralleystrecke, die sich über die gesamte Halbinsel zieht. Uns begegnen einige ATV, die in Höchstgeschwindigkeit durch Sand und Steine heizen und so die Strecke ruinieren, total verrückt. Nach 30 Kilometern verbessert sich die Qualität der Piste, da es sich nun um eine Strecke handelt, die regelmäßig begradigt wird.
Nach rund 4 Stunden und 70 Kilometern sind wir an unserem Tagesziel, wo wir such übernachten. Eine schmaler Abzweig endet an einem Pfad, der uns in 20 Minuten Fußweg zu einer kleinen Höhle am Berghang hinauf bringt. Hier findet man interessante Höhlenmalereien. Herrlich war heute auch wieder einmal die Landschaft. Viel sandige Wüste, großartige Kakteenwälder, vollkommene Stille und keine Spur von Siedlungen, das begeistert uns.
Bald sind wir am nächsten Tag auf der geschotterten, schnurgeraden Mex 18. Auch hier gibt es tiefe , durch Hochwasser ausgespülte Rinnen oder Löcher in der Piste. Doch sind sie immerhin stets durch alte Reifen am Wegrand markiert. Wir sind nun in der Provinz California Baja Süd. Nach rund einer Stunde Fahrt erreichen wir wieder die Mex1. Um die Mittagszeit sind wir in Viscaino, einem relativ großen Ort mit 10.000 Einwohnern. Hier gibt es mit Tankstelle, Supermarkt und Tacobuden die gesamte Infrastruktur für Reisende. Erstmals gehen wir im Mexiko essen. Das von uns erwählte Lokal ist rappelvoll, muss also gut sein.
Die vegetarischen Tacos sind mit roten Bohnen, Kartoffeln und Tomaten belegt. Dazu gibt es Salate und höllisch scharfe Soßen, ohne die das Essen aber zu fade wäre. Es macht Spaß, die ungewohnte Atmosphäre zu genießen und das superfreundliche und unermüdliche Personal an der Theke zu beobachten. Auch im Supermarkt ist die Hölle los, am Sonntag ist für viele offensichtlich Großeinkauf angesagt. Noch rund 50 Kilometer durch öde Steppenlandschaft trennen uns von San Ignacio. Der Ort in der grünen Flussoase mit Palmenwäldern ist ein beliebtes Touristenziel, wir sehen hier erstmals viele US-Wohnmobile. Und auf dem Campingplatz Paraiso Misional, der wie ein schöner Garten mit gepflegten Rasen unter den Palmen liegt, parken wir direkt neben einem Wohnmobil aus Mettmann in Deutschland. Die Welt ist klein. Es ist wirklich eine echte Oase hier und die Dusche bei 30 Grad ein echter Luxus. Allerdings ist es ungewohnt, wieder auf einem belebten Campingplatz statt „wild“ zu übernachten.
Klingt grandios 🙂