The rush is on – go Yukon. Von Watson Lake zum Stewart River  (9.- 14.8.2022, 1.186 km)

So großartig auch die endlosen Seen und die Niagarafälle im Süden und die zu Recht weltberühmten Nationalparks der Rocky Mountains bei Banff und Jasper sind – Yukon Territory ist für uns das wahre Kanada. Endlose Wälder bis zum Horizont, wildschäumende Flüsse, stille Seen, Berge und vor allem keine Menschenseele in dieser unberührten Wildnis. Keine Besuchermassen, keine Großparkplätze, keine Supermärkte, kein Disneyland-Kitsch – nur eine überwältigend schöne Natur. Yukon – larger than Life!

Von Watson Lake nach Ross River

Beginn des Robert Campbell Highway

In Watson Lake verlassen wir den Alaska Highway und damit die Hauptstrecke der Touristen. Wir biegen ab auf den Robert Campbell Highway. Die ersten rund 100 Kilometer sind geteert, danach rollen wir über Schotter. Die Straße ist in sehr gutem Zustand. Kein Wunder, denn außer uns sind hier fast keine Fahrzeuge unterwegs. Auf 270 Kilometern Einsamkeit begegnen uns drei Autos. Die schmale Straße vermittelt uns einen viel unmittelbareren Landschaftseindruck als die breiten Highways, es ist einfach nur schön.

Berge, Wald, Piste – was will man mehr
Ein Lagerfeuer gehört jeden Abend dazu

Es geht durch einen langgestreckten Senkungsgraben zwischen den hochaufragenden Pelly Mountains und den Selwyn Mountains entlang von Flüssen und Seen, die früher eine Kanuroute der Pelzhändler bildeten.  Irgendwie scheint es, dass wir endlich „angekommen“ sind und lassen es nun sehr geruhsam angehen. An einem der Seen machen wir Mittagspause. Die sonst sehr zahlreichen Mücken werden durch leichten Wind  vertrieben, so dass ich sogar ein kurzes Bad wage. Halleluja, ist das kalt! Nach nur 180 Kilometern beenden wir die Tagesetappe am Zusammenfluss des Big Campbell Creek und Pelly River. Wieder eine traumhaft schöne Übernachtungsstelle – und fast ohne Mücken. Dafür gibt es andere Wildtiere.

Stellplatz am Big Campbell Creek und Pelly River – gleich kommt hier jemand vorbeigeschwommen….
der Bade-Bär

Denn als wir am frühen Nachmittag gemütlich am Flussufer unseren Tee und die Landschaft genießen, schwimmt plötzlich ein Schwarzbär keine 10 Meter von uns entfernt vorbei, lässt sich elegant durch die Stromschnellen tragen und klettert dann ans gegenüber liegende Ufer. Nachts gegen 22.30 Uhr, wir liegen gerade gemütlich im Schlafsack, rumpelt es kräftig draußen am Auto. Es ist hier im Norden nachts noch hell und so sehen wir wieder einen Schwarzbären, der interessiert an den Schlössern unserer Wasserkanister spielt und nach einer Runde um Master Yoda wieder im Wald verschwindet. Unglaublich.

Schlappe 10 Grad zeigt nun mittags das Thermometer, die Blätter der Birken färben sich leicht gelb. Nachts gibt es den ersten Frost. Doch nach zwei kühlen Tagen kehrt der Sommer noch einmal zurück mit 20-25 Grad Celsius am Tag. Die Nächte sind kalt, aber es wird immer noch nicht dunkel. Überhaupt sind die Temperaturen im Yukon-Gebiet beeindruckend. Im kurzen Sommer kann es leicht über 30 Grad heiß werden, in den Wintermonaten fällt das Thermometer auf 40 Grad unter Null und auch mal darunter. Den Rekord hält Mayo, das wir auch noch besuchen werden, mit +37 und -67 Grad.

Nach 370 Kilometern seit Watson Lake treffen wir auf die erste Sieldung, die 400-Seelen-Gemeinde Ross River. Hier wohnen überwiegend Mitglieder der Kaska-First Nation. Der nächste Ort Richtung Norden ist dann das 500 Kilometer entfernte Dawson City. Ross River ist also das wichtigste Zentrum weit und breit. Die Realität zeigt jedoch nur eine weit verstreute Ansammlung barackenartiger Häuser, teils baufällig, mit reichlich Sperrmüll vor der Tür und umher streunende Hunde. Das Hotel ist schon lange geschlossen, doch es gibt noch ein paar vergammelte Werkstätten und eine Schule. Um die winzige Holzkirche hat sich ein Schrottplatz entwickelt.  Ein lagerhallenähnlicher General Store scheint der Treffpunkt im Dorf zu sein. Ross River ist ein sehr rustikales Yukon-Hinterwäldler-Kaff, schmucklos und etwas deprimierend.

Downtown Ross River

Wie uns tags darauf im Besucherzentrum des benachbarten Faro erklärt wird, sind wohl der Alkohol- und Drogenkonsum bei den vom Staat alimentierten First Nation eine Ursache dieser Entwicklung. Ob das so stimmt oder nicht, wissen wir nicht. Allerdings hat bis in die 1980er Jahre der Staat in Erziehungsprogrammen versucht, die First Nation an den „westlichen Lebensstil“ anzupassen. Die Kinder wurden zwangsweise in hierfür vorgesehene Internate gesteckt, die Familienstrukturen und indianische Kultur sollten aufgelöst werden. Wenn die Wurzeln der eigenen Identität zerstört sind, sucht man vielleicht in anderen Dingen Halt. Ein trauriges Kapitel der kanadischen Geschichte.

Lapie River Canyon

Hinter Ross River folgen wir der engen, geschotterten South Canol Road. Die etwas abenteuerliche Strecke führt steil hinab in den Canyon des Lapie River. Es ist eine Straße genau nach unserem Geschmack.  Nach wenigen Kilometern erreichen wir mittags einen tollen Stellplatz am Flussufer. Hier bleiben wir für den Rest des regnerischen Tages. Nachts wird es klar und frostig, es folgt ein strahlender Spätsommertag. Und so ist es ein echter Genuss bei Sonnenschein noch ein gutes Stück weiter über die schmale Piste dem kristallklaren Lapie River zu folgen. Ein wunderbares Tal.

Master Yoda auf der Brücke über den Lapie River

Zurück auf dem Canol Highway sind wir mittags in Faro, wo es wieder eine Internetverbindung gibt, so dass wir mit unseren Lieben daheim telefonieren können. Es ist gar nicht so leicht, das Telefonieren mit der Zeitverschiebung nach Deutschland in Einklang zu bringen, denn entlang der Highways gibt es keine Kommunikationsmöglichkeit über Mobilfunk. Nur in den Orten gibt es Mobilfunkempfang oder auch mal kostenfreies Wifi. So freuen wir uns über das gute Wifi im Visitorcenter des nur 500 Einwohner zählenden Faro. Also ist zunächst einmal Büroarbeit übers Internet angesagt, auch das muss sein. Es folgt ein ausführlicher Plausch mit der netten Dame im Besucherzentrum, die uns im schönsten Bayerisch willkommen heißt. Sie ist vor über 20 Jahren mit ihrem Mann nach Yukon gezogen. Es ist wirklich auffallend, wie oft wir auf Auswanderer oder Kanadier mit deutschen Wurzeln treffen.

Yukon River

Bis zum Abend fahren wir noch weiter auf dem nun etwas eintönigen Canol Highway und übernachten am Little Salmon River. Schließlich geht es auf dem Campbell Highway nach Carmacks, einst eine Telegrafenstation, heute eine winzige Siedlung mit Tankstelle, Hotel und General Store. Hier erreichen wir den Klondike Highway und fahren nun entlang des mächtigen Yukon River nach Norden. Zwischen Whitehorse und Dawson City war der Fluss noch bis vor ca. 70 Jahren die einzige Verkehrsader.

Für mich haben diese Namen einen besonderen Klang, der verbunden ist mit den wunderbaren Geschichten von Jack London, die von unerschrockenen Entdeckern, Trappern und Goldsuchern und dem harten, aber freien Leben in der Wildnis erzählen. Als Kind habe ich diese Bücher verschlungen und davon geträumt, einmal im Leben dorthin zu kommen.

Historische Aufnahme eines Schaufelraddampfers an den Five-Finger-Rapids in Zeiten des Gold Rush

Die Five Finger Rapids, während der Pioniertage berüchtigte  Stromschnellen im Yukon River, sind auch solch ein mystischer Ort. Auch heute sind sie noch beeindruckend, doch nur noch wenig furchteinflößend, denn der Yukon wurde nördlich von Whitehorse aufgestaut und damit seine Wasserkraft reguliert. Die Wildnis ist auch nicht mehr das, was sie mal war.

Five Finger Rapids heute

 

Fireweed

Der Klondike Highway führt relativ eintönig durch Wald, die Berge sind zu Hügeln geschrumpft. Immer wieder kommen wir durch große Gebiete, die durch Waldbrände zerstört wurden. Am Straßenrand sind Schilder mit dem Datum des Brandes aufgestellt. Das letzte große Feuer war hier noch Ende Juni diesen Jahres. Die verkohlten Stämme ragen nackt empor,  der Boden ist von schwarzer Asche bedeckt. Ein beängstigendes Bild völliger Zerstörung. Auf anderen Flächen, wo der Brand schon ein paar Jahre her ist, sprießt jedoch schon wieder zartes Grün aus der Erde. Manchmal leuchten weite Flächen sogar rosa und violett mit blühendem Fireweed, der Nationalblume Yukons. Und noch einige Jahre später wachsen dann die ersten Birken, denen die schlanken Nadelbäume folgen. An den verschiedenen Grüntönen kann man aus der Ferne gut die unterschiedlichen Entwicklungsstadien erkennen. Ungefähr 50 Jahre braucht es, bis der Wald sich nach einem Brand völlig regeneriert hat.

Große Wäsche am Wrong Lake

Bereits am frühen Nachmittag beenden wir die Tagesetappe ca. 30 Kilometer vor Stewart Crossing. Der Wrong Lake ist ein idealer  und mückenfreier Platz zum Entspannen mit wunderbar warmen Wasser zum Baden. Gute Gelegenheit für eine gründliche Körperpflege und große Wäsche. Olaf bekommt auch noch die Haare geschnitten und Master Yoda wird von einer dicken Schlammkruste und den Insektenleichen am Kühlergrill befreit. Nun sind wir alle wieder bereit für neue Entdeckungen.

So geht es am nächsten Tag zur Ghosttown Keno. Nach den Gold- und Silberfunden um 1890 gab es den ersten Rush der Prospektoren, noch vor den sensationellen Goldfunden am Klondike bei Dawson City, die 1898 den größten Goldrush der Geschichte auslösten. In genau dem Jahr wurde übrigens meine Großmutter geboren. Merkwürdig, wenn die Geschichte eines Landes noch so jung ist und gerade mal ein paar Generationen umfasst. 1920 war Keno dann die größte Silbermine Nordamerikas.

Stewart River bei Mayo

Wir fahren auf dem Silver Trail Highway, eine 110 Kilometer lange Sackgasse ab Stewart Crossing. Die erste Hälfte der Fahrt entlang des breiten, träge dahin fließenden Stewart River bis Mayo ist nicht besonders aufregend. Mayo war bis vor 70 Jahren die Anlaufstelle der Schaufelraddampfer, die das Gold und Silber aus Keno nach Dawson City transportierten. Mit dem Bau einer Straße verlor der Ort an Bedeutung, rühmt sich aber damit, die heißeste und kälteste Stadt Kanadas zu sein (s o.). anschließend geht es auf breiter Schotterstraße noch 60 Kilometer bergauf nach Keno. Hier wohnen nur noch 24 Menschen, doch es gibt alte Holzhäuser, die ganz genau so aussehen, wie man sich den wilden Westen vorstellt.

Goldgräber-Kneipe in Keno
Old Hotel – heute Keno Museum
Sign Post Keno Hill

Hinter Keno wird die Strecke spannender. Eine schmale, steile Piste steigt auf 10 Kilometern um 1.100 Höhenmeter vom Ort hinauf auf den Keno Hill. Dieser mit 1.842 Metern höchste mit dem Auto erreichbare Punkt im Yukon ist in iOverlander als toller Übernachtungsplatz genannt. Und das ist natürlich der wahre Grund, warum wir diesen weiten Abstecher machen. Olaf freut sich, dass Master Yoda die Steigung souverän im vierten Gang mit Untersetzung meistert. Oben am Sign Post angekommen haben wir einen phantastischen Panoramablick über Berge. Hier sind wir schon weit oberhalb der Baumgrenze auf alpinen Wiesen- und Schotterflächen.

 

Gipfelblick vom Monument Mountain

Mein Highlight ist eine schöne Wanderung auf den Gipfel des Monument Mountain – eine überwältigende Aussicht über die schier endlose Wildnis. Am Horizont sehen wir die schroffen Olgilvieberge, die am 200 Kilometer entfernten Dempster Highway liegen, unser nächstes Ziel. Auch hier oben am Keno Hill findet man noch viele Spuren des Silberbergbaus. Überall entdecken wir Reste von Hütten der Digger und zugewachsene Zufahrtswege, die die Berghänge überziehen. Abends steht Yoda direkt vor einer halb verfallenen Holzhütte, etwas weiter unten sehen wir den Eingang zu einem Schacht. Ein sehr besonderer Stellplatz mitten in der Wildnis.

Vor einer alten Digger-Hütte – unser Stellplatz in einer stürmischen Nacht

Nachts stürmt es auf unserem exponierten Aussichtplatz so sehr, dass Yoda schwankt wie ein Schiff im Sturm. An Schlaf ist kaum zu denken. Um Mitternacht wird uns das zu heikel, das Aufstelldach wird eingeklappt und ich ziehe eine Etage tiefer auf das immerhin 42 cm breite „Notbett“ auf dem Gang zwischen unseren Schränken um.

Am nächsten Tag geht es wieder runter nach Keno. Im ehemaligen Hotel ist ein wirklich sehenswertes Museum untergebracht. Es gibt uns einen sehr genauen und anschaulichen Einblick in den Alltag der Digger und in die Bergbautechnik. Uns beeindrucken besonders die alten Fotografien der Gold- und Silberschürfer, die in den Bergen ihr Glück suchten. Sie zeigen junge Männer in verschlissener Kleidung, mit hageren und durch extrem harte Arbeit frühzeitig gealterten Gesichtern. Es war ein Leben in Einsamkeit, Armut und unter schwierigsten Bedingungen – keine Aussteigerromantik.

Bis Mayo folgen wir der Duncan Creek Road, einer schmalen und ziemlich holperigen Piste, die in Teilen für 2WD nicht mehr geeignet ist. Hier sind Yoda und Olaf natürlich in ihrem Element. Viel zu schnell sind der Silver Trail und danach der Klondike Highway erreicht. Ihm folgen wir noch zwei Stunden, bis wir am sonnigen Steilufer des breiten Stewart Rivers abseits der Straße unser Lager aufschlagen. Olaf ist den Rest des Nachmittags beschäftigt alle möglichen Schrauben an unserer Einrichtung nachzuziehen. Die Wasserkanister sind aufgefüllt, alle Benzintanks inklusive der beiden Reservekanister auf dem Dach sind voll. Wir sind bereit für den legendären Dempster Highway, eine 743 Kilometer lange Schotterpiste zum Polarmeer.

Übernachtung am Stewart River

 

 

 

 

 

 

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