Alaska Highway von Hinton nach Watson Lake (980 Kilometer, 1.- 8.8.2022)

Gut drei Wochen sind wir nun schon auf Kanadas Straßen unterwegs und Master Yoda ist zu unserem Zuhause geworden. Bisher war das Wetter auch so sonnig und warm, dass wir uns fast immer draußen aufhalten konnten und nur zum Kochen und Schlafen ins Auto gehen. Besonders lieb ist mir das Aufstelldach. Wenn seine drei großen Fenster geöffnet sind, habe ich einen tollen Rundumblick und kann sogar vom Bett aus den meist grandiosen Sternenhimmel betrachten.

Doch irgendwie scheint eine geheimnisvolle Macht in Master Yoda zu sein. Laufend vermissen wir Gegenstände, die trotz verzweifelter Suche unauffindbar bleiben. So fehlen mittlerweile drei Paar Socken von Olaf, eine Straßenkarte und ein Akku zum Laden des Fotoapparates.  Die drei verschwundenen Deckel für unsere Wasserkanister, die außen befestigt sind, haben wir durch Tape ersetzt. Vielleicht gibt es ein Schwarzes Loch, das alles einsaugt und aus dem Yoda seine Kraft schöpft. Wahrscheinlich finden wir alle Dinge, die sich scheinbar in Luft aufgelöst haben, im Benzintank wieder, der sich stets schneller leert als uns lieb ist. Stolze 14 bis 15 Liter trinkt Master Yoda immerhin auf 100 Kilometern.

Unsere Route (Kartengrundlage „The Mile Post)

Bighorn-Highway und Forestry Trunk Road

Die Fahrt geht weiter nach Norden. Nördlich von Hinton erstrecken sich endlose dichte Nadelwälder, die über das leicht bergige Land bis zum Horizont reichen – Heimat von Bären, Karibus und Elchen. Allerdings keine Wildnis, denn dies sind alles Nutzwälder, die regelmäßig großflächig gerodet werden.

Wir rollen über den Bighorn-Highway #40. Hier ist nur noch wenig Verkehr. Und als wir später auf die parallel laufende, nicht asphaltierte Forestry Trunk Road abbiegen, begegnet uns kein Touristen-Auto mehr. Die Schotterstraße führt sehr schön über Höhenkämme und dient als Transportweg für die Forstwirtschaft sowie zur Erschließung von Ölfeldern. Wir fahren an vielen Ölpumpen und Gasförderanlagen vorbei, fabrikartige Camps liegen in regelmäßigen Abständen an der Straße.

Forestry Trunk Road
Ölfelder an der Forestry Trunk Road

Und das ist erst der Vorgeschmack zu den gigantischen Ölschieferfeldern im Norden von Alberta, wo durch Fracking das schwarze Gold gewonnen und ganze Landstriche verwüstet werden. Die giftigen Abwasser werden praktischerweise durch den Athabasca River, dessen Ursprung wir im Columbia Icefield gesehen haben, ins Polarmeer entsorgt. Dumm nur, dass auf dem Weg dorthin auch große Siedlungsgebiete der First Nation, wie man die Indianer heute respektvoller nennt, verseucht werden. Beim Profit hört nämlich die Gleichberechtigung auf und die Rechnung für unseren Ressourcen zerstörenden Lebensstil zahlen wir meistens nicht selbst.

Gewaltige Holzlager an der Forestry Trunk Road

An der Forestry Trunk Road finden wir am frühen Nachmittag etwas abseits der großen Piste einen sehr schönen und ruhigen Stellplatz. Auf dem kleinen, kostenlosen staatlichen Frying Pan Creek Campground mitten im Wald mit Plumpsklo und Feuerstelle sind wir nach rund 200 Kilometern die einzigen Gäste. Wir lassen es nun langsamer angehen, fahren kurze Strecken. Das tut uns ebenso gut wie dem Trubel in den Nationalparks zu entfliehen. Abends beim Lagerfeuer haben wir wenigstens die Illusion, alleine in unberührter Natur zu sein.

Am nächsten Tag erreichen wir rasch wieder den geteerten Highway 40, später geht es auf der #43 weiter. Die Landschaft wird nun flach und eintönig mit vielen Feldern und Wiesen. Die gesichtslose Stadt Grande Prairie mit endlosen Einkaufs- und Gewerbegebieten entlang des hier vierspurigen Highways ist die einzige Abwechslung. Auf dem Highway 2 verlassen wir die Provinz Alberta und kommen in British Columbia in eine neue Zeitzone. So haben wir wieder eine Stunde gewonnen.

Von Dawson Creek nach Fort Nelson

Dawson Creek ist nur deshalb erwähnenswert, weil hier der berühmte Alaska Highway beginnt und die Stadt sich daher stolz „Mile Zero Town, where the adventure begins“ nennt.  Na, wenn das nicht verheißungsvoll klingt. Wenig später erreichen wir abseits der neuen Route des Highways den Kiskatinav River. Die mit dem Bau des Alaska Highways 1942 errichtete Holzbrücke über den Fluss ist natürlich eine „Historic Site“. Doch da mittlerweile baufällig, wurde sie  gesperrt und die Nebenstraße mit der Brücke ist zur Sackgasse geworden. Das ist toll, denn so haben wir, unbehelligt vom Verkehr, an einer Parkbucht am Straßenrand einen schönen Stellplatz für die Nacht mit Blick auf die Brücke und den tief ins Tal eingeschnittenen Fluss. 

Übernachtung an der Holzbrücke über den Kiskatinav River am alten Alaska Highway

Rasch ist dann am nächsten Tag der kleine Ort Fort St. John erreicht. Früher war dies einmal eine bedeutende Goldgräberstadt, heute lebt man hier von Erdgas und Ölforderung. Auf den folgenden 370 Kilometern bis Fort Nelson gibt es keine Ortschaft, lediglich fünf Tankstellen mit Gasthaus und Motel. Wieder fahren wir ausschließlich durch nicht endenden Wald, manchmal auch durch große Gebiete alter Waldbrände. Auf halber Strecke nähert sich der Alaska Highway den Ausläufern der Rocky Mountains und die Hügel, über die sich die meist schnurgerade Straße zieht, werden höher und steiler. Die Flüsse haben tiefe Canyons in den lehmigen Boden gegraben, an den Steigungen aus den Flusstälern können sogar wir die fetten Trucks abhängen.

Alaska Highway – noch mit regem Verkehr

Doch der Verkehr wird immer spärlicher. Die bisher sommerlichen Temperaturen schrumpfen im Regen auf lächerliche 10 bis 14 Grad. Kein Zweifel, wir kommen in den rauen Norden. Abends stehen wir an einem kleinen See und wagen es wegen der Moskitoinvasion nicht, das Auto zu verlassen. Nur 20 Kilometer weiter erreichen wir morgens Fort Nelson. Hier wird ein Wartungstag eingelegt. In einer Autowerkstatt vereinbaren wir einen Termin für den nächsten Tag, Yoda braucht neues Öl. In einer Laundry werden unsere Wäsche und im großen Hallenschwimmbad wir selber gereinigt.

Von Fort Nelson nach Watson Lake

Nach dem Werkstattbesuch in Fort Nelson rollen wir ab Mittag weiter nach Norden. Jetzt gibt es praktisch überhaupt keinen Autoverkehr mehr. Die Landschaft wird nun immer interessanter. Wir kommen in die Northern Rocky Mountains, endlich wieder richtige Berge. Und wieder Wald bis zum Horizont, ohne eine Spur menschlicher Besiedlung. Großartig und für uns Europäer völlig unvorstellbar. Selbst in den einsamsten Winkeln im finnischen Nordkarelien gibt es nicht solche Einsamkeit. Angesichts dieser endlosen Wildnis kommen wir uns plötzlich ganz schön klein vor.

 

In den Stone Mountains

Immer weiter schraubt sich die nun endlich schmalere Straße bergauf, unter uns rauscht der Tessa River in diversen Armen durch sein breites Kiesbett. Nun sind wir im Stone Mountain Provincial Park. Nomen est omen, die Berge hier sind schroffe, nackte Felskuppeln, die aus der Waldwildnis aufragen. Am Summit Pass ist mit 1295 Metern die höchste Stelle des Alaska Highways erreicht. Ringsum ragen steile Gipfel von 2500 Metern Höhe in den blauen Himmel. Ein tolles Bild.

Wieder ein traumhafter Stellplatz – am Mac Donald River

Am blauen Summit Lake entlang und noch ein paar Kilometer bergab durch das canyonartige Mac Donald River Valley, dann biegen wir nach nur 160 Kilometern am frühen Nachmittag auf eine Schotterstraße ab, die uns an das nun breite Kiesufer des Mac Donald River bringt. Der völlig einsame Stellplatz am wilden, glasklaren Gebirgsfluss mit einfach überwältigenden Panoramablick auf die felsigen Gipfel ist ein echter Volltreffer. iOverlander sei Dank. Die App hat uns schon zu vielen praktischen und schönen Plätzen geführt. Aber der hier ist bisher der allerbeste. Und abends gibt es natürlich ein großes Lagerfeuer. Genau so haben wir uns Kanada erträumt. Wir bleiben auch am nächsten Tag hier und machen eine schöne Wanderung vom Summit Lake zu den Spring Flower Lakes, idyllischen Bergseen in einem Felskessel.

Genusswanderung zu den Spring Flower Lakes
Bilderbuchlandschaft am Mac Donald River

Die bisher schönste Strecke des Alaska Highway bringt uns zum mächtigen Liard River. Immer großartiger wird die Berglandschaft bei den Folding Mountains. Der Alaska Highway ist im engen Tal des Toad River noch nicht breit ausgebaut, sondern folgt dem Fluss in allen Kurven mit einigem Auf und Ab. Wie herrlich ist ein natürlicher Flusslauf mit Mäandern, Seitenarmen, Kiesbänken und Stromschnellen. Wir fahren staunend durch diese herrliche Natur.

Unendliche Wälder

Toad River Lodge und Muncho Lake Lodge, die einzigen Siedlungen am Highway, bestehen aus Tankstelle, Imbiss, Hotel und Campgrounds, auf denen die großen Wohnmobile dicht nebeneinander stehen. Wieviel schöner sind da doch unsere Stellplätze mitten im Nirgendwo.

Außenposten der Zivilisation – Toad River Lodge

Bisonbulle – Zwei Meter Schulterhöhe, 900 kg Gewicht

Ein echtes Highlight ist die Begegnung mit einer großen Herde von Waldbisons, die nördlich von Muncho Lake am breiten Seitenstreifen des Highways grasen und sich durch die vorbeifahrenden LKW nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wir halten natürlich an, um die mächtigen Tiere beobachten zu können, die gelassen direkt an unserem Auto vorbei wandern. Wirklich sehr beeindruckend, die größten Landtiere Nordamerikas aus nächster Nahe zu sehen. 

Bisons haben immer die Ruhe weg

Am Nachmittag erreichen wir die heißen Badepools des Liard River Hot Springs Provincial Park. Mitten im Wald befinden sich zwei naturbelassene Pools, die durch Thermalquellen eine Temperatur von 42 bis 52 Grad Celsius haben. Wir liegen lange im warmen Wasser und genießen faul die fast tropische Atmosphäre. Ein paradiesischer Platz. Nur 15 Autominuten weiter haben wir wieder einen herrlichen Stellplatz gefunden, direkt am Hochufer des breiten Liard River, den die Abendsonne trotz einiger Regenschauer in silbriges Licht taucht und den Himmel rosenrot leuchten lässt. Wir genießen das Schauspiel jedoch durch die Autoscheiben, denn draußen warten Schwärme blutrünstiger Moskitos auf ihre Opfer.

Liard River Hot Springs – ein echter Urlaubstag
Übernachtung am mächtigen Liard River

Am nächsten Tag sind wir mittags in Watson Lake. Die Fahrt dorthin gestaltet sich sehr schön immer entlang des Liard River, doch die Berge werden nun flacher und die Wälder lichter. Die 800-Seelen-Siedlung Watson Lake ist der erste Ort nach 500 Kilometern seit Verlassen von Fort Nelson. Nun sind wir in Yukon, einst Sehnsuchtsziel der Goldgräber und nun das vieler Reisender. Davon zeugt der Sign Post Forest, die Attraktion von Watson Lake. Hier verewigen sich seit Bau des Alaska Highways die modernen „Abenteurer“, mittlerweile ist aus der Sammlung von Orts- und Kfz-Schildern aus der ganzen Welt ein richtiger Wald mit über 80.000 Schildern geworden. Wir schlendern neugierig umher, entdecken etliche Ortsschilder aus unserer Heimat und fügen uns natürlich auch dazu.

Sign Post Forest in Watson Lake

2 Kommentare

  1. Liebe Freunde, wieder vielen Dank für ihre offener und ausführlicher Reisebericht. Und hoffentlich verschwinden nicht noch mehr Dinge im Schwarzen Loch!

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