Endlich sind alle Einbauten in unserem Toyota GRJ78 fertig. Besonders Olaf hat, trotz winterlicher Wetterbedingungen, unermüdlich in der eiskalten Scheune getischlert und im auf dem Hof geparkten Toyota Landcruiser montiert. Geklebt und gedübelt wurden die Möbel im Wohnzimmer, geölt habe ich das Holz im Bad. Unsere kleine Wohnung wurde so über Wochen zur Werkstatt.
Schön ist es geworden, unser neues mobiles Heim. Die bis ins Detail ausgeklügelten Holzschränke sind geräumig und sehen außerdem viel wohnlicher aus als die üblichen Kunststoff- und Metall-Möbel. Natürlich haben wir eine komplette Küche mit Gaskocher, Sitzbank und einen demontierbaren Tisch. Die Sitzbank dient, neben dem Bett im Aufstelldach, gleichzeitig als Schlafstelle. Sogar eine Trockentrenn-Toilette ist an Bord. Auf Spüle und Kühlschrank können wir entsprechend unserer bisherigen Erfahrungen getrost verzichten.
Nun kann es endlich losgehen zur ersten Testfahrt. Noch findet beim Packen nicht alles seinen idealen Platz, aber das ergibt sich im Laufe des Zeit. Wir sind angenehm überrascht, wieviel Stauraum zur Verfügung steht. Da ist noch Luft für Werkzeug, Wanderausrüstung und Proviant bei ganz großen Touren, zumal die Dachbox mit knapp 200 Litern Fassungsvermögen noch nicht montiert ist.
1.Tag: Von Bad König in den Schwarzwald
Am 10.2. fahren wir endlich los. Erst quer durch den heimischen Odenwald und dann, nach einer ausgedehnten Mittagspause mit gutem Kuchen in einem Café in Weinheim, gleiten wir mit 80-90 km/h gelassen über die Autobahn – immer im Windschatten eines langsamen Lkw. Das Auto könnte natürlich auch schneller. Doch dann steigt der sowieso schon beachtliche Benzinverbrauch rapide an – und außerdem haben wir ja viel Zeit.
Im Schwarzwald oberhalb von Badenweiler finden wir einen sehr schönen Stellplatz für die erste Übernachtung. Die winzige Straße endet an einem Wanderparkplatz am Waldrand, mit weiten Blick bis Basel. Abends ist es bis auf die Rufe der Käuzchen und das heisere Bellen eines Rehbocks vollkommen still. Doch nachts kommt heftiger Sturm auf, der das Aufstelldach ordentlich durchschüttelt. Im Vergleich zum VW-Bus erscheint das Zelt robuster.
2.Tag: Vom Schwarzwald in das Hohe Jura
Morgens ist das Auto komplett eingeschneit. Dank der Standheizung wird es rasch gemütlich warm. Nach einem genussvollen Frühstück mit Panoramablick unternehmen wir eine ausgedehnte Wanderung durch den tief verschneiten Wald. Knallblauer Himmel, glasklare Luft, der glitzernde Schnee knirscht unter den Füßen – herrlich. Mittags geht es dann hinunter ins Rheintal nach Frankreich. Wir meiden die Autobahn und kurven über leere Landstraßen. Vorbei an den Vogesen rollen wir ins französische Jura. Es ist eine raue und karge Landschaft.
Einfache Dörfer mit dem obligatorischen Kriegerdenkmal, weit verstreute Bauernhöfe, kurvige Landsträßchen. Die Wiesen sind noch vom erst kürzlich getauten Schnee braun und flach gedrückt, in den Höhenlagen ist noch alles weiß.
Park4night führt uns über einen holprigen Feldweg auf einen Höhenzug oberhalb des tief eingeschnittenen Tals der Doub. Am Rand einer Wiese können wir über Nacht gut parken. Die gerade untergehende Sonne färbt den klaren Himmel orange-violett. Das wird eine kalte Nacht.
3.Tag: Von St. Hyppolyte nach Vaux-de-Chantegrue
Null Grad Innentemperatur am Morgen, das ist frisch. Richtig frostig ist es auch im tiefen Doubstal bei St.Hyppolyte. Über die steilen Felshänge kommt erst spät Sonnenlicht. Der Fluss dampft und die Bäume sind verzuckert vom Raureif. So fällt unser Bummel durch den idyllischen Ort ziemlich kurz aus.
Wunderschön ist dann die Fahrt durch das einsame, enge Tal der Dessoubre. Am Flussufer stehen urige, tief vermooste Bäume und helle Karstfelsen leuchten aus dem Wald. Am Kloster Consolation wandern wir zum Cirque de Consolation, einem Felskessel, von dessen Hängen mehrere Wasserfälle hinabstürzen. Über Metalltreppen kann man emporsteigen und oberhalb der Wasserfälle auf einem schmalen, mit Eisenseil gesicherten Pfad den Felskessel queren. Eine richtige Märchenlandschaft mit Karsthöhlen, klaren Wildbächen, urigen Bäumen und moosbewachsenen Felsen.
Am Nachmittag fahren wir weiter über schneebedeckte Höhen und an der Doubs entlang. Oberhalb des kleinen Dorfes Vaux-de-Chantegrue übernachten wir ganz einsam im Schnee am Waldrand in der Nähe eines Skigebiets.
4.Tag: Von Vaux-de-Chantegrue zum Lac de Bourget
Eine sehr schöne Route führt uns quer durch das Hohe Jura. Die Flüsse haben in das weiche Kalkgestein tiefe Schluchten gegraben, in die im Winter auch bei blauen Himmel kaum ein Sonnenstrahl fällt. Auf den Höhen dagegen können wir wieder die wärmenden Strahlen genießen. Allerdings ist hier noch alles tief verschneit. So kurven wir wieder auf schmalen Straßen weiter nach Süden. Das in einem engen Talkessel eingezwängte Saint-Claude ist die einzige Stadt, die wir passieren.
Endlich rollen wir nur noch bergab ins Rhonetal. Und plötzlich sind wir im Frühling. Die Luft ist weich und mild, mittags sitzen wir sogar draußen vor dem Auto, mit Blick auf die Alpenkette. Am idyllischen Lac de Bourget besichtigen wir das Kloster Abbeye de Hautecombe. Die Straße führt in unzähligen Kurven durch die steilen Berge oberhalb des Sees entlang mit wunderbaren Ausblicken auf die mächtigen Eisriesen des Mont Blanc Massivs. In der Nähe des markanten Berges Le dent du chat finden wir einen Stellplatz mit schönen Blick ins Tal.
5. Tag: Vom Lac de Bourget nach Serres
Das phantastische Wetter hat sich verabschiedet. Schon in der Nacht wurde es windig und nass. Den ganzen Tag über regnet es mehr oder weniger heftig. Und es wird richtig kalt. Zunächst kurven wir durch das Chartreuse Gebirge. Beeindruckend schroff sind die felsigen Berge und tief eingeschnittenen Täler. Leider wird das Wetter immer schlechter und der Regen verwandelt sich in heftigen Schneefall.
Hinter Grenoble geht es hoch in die Berge des Vercours. Gerade jetzt ist die Fahrt durch die Gorge de la Bourne spannend. Die tiefe Schlucht ist eine richtige Winterwunderwelt mit zu Eis erstarrten Wasserfällen an den Felswänden, die wie riesige Stalaktiten aussehen. Schließlich sind noch der Col de Rousset und zwei weitere kleinere Pässe zu queren, beide knapp über 1200 Meter hoch. Doch hier liegt selbst auf der Straße eine dicke geschlossene Schneedecke und es schneit noch immer heftig.
Und wir Träumer haben gestern wirklich gedacht, jetzt haben wir den Winter hinter uns! Dabei beweisen die Lavendelfelder und Weingärten unten im Tal bei La Beaume, dass wir schon in der Provence sind. Doch selbst hier ist alles weiß und mit Temperaturen um den Gefrierpunkt sehr ungemütlich.
So verbringen wir wirklich den ganzen Tag im Auto. Endlich kommen wir in schneefreie Gegend und in der Nähe von Serres rollen wir abends mit einsetzender Dunkelheit auf einen Feldweg zum Übernachten.
6. Tag: Von Serres nach Moustiers Ste. Marie
Heute scheint wieder die Sonne. Wir fahren vorbei an endlosen Lavendelfeldern, Olivenhainen und Weingärten. Wunderschön sind die urigen Dörfer mit den ockerfarbenen Häusern und ihren von Plantanen gesäumten Plätzen, um die sich kleine Läden und das Bistro gruppieren. Endlich sind wir wirklich im Süden angekommen. Doch noch immer weht ein heftiger Wind eisig von den Bergen.
In Sisteron eröffnen wir dennoch die Freiluftsaison bei einem Café Crème auf dem Marktplatz. Durch das Durancetal und über viele Hügel kommen wir schließlich in die Gegend des Grand Canyon du Verdon.
Wieder lotst uns die App Park4night zu einem großartigen Stellplatz. Über 12 Kilometer auf einer winzigen Straße hoch in die Berge und über einen holprigen Feldweg gelangen wir auf 920 Meter Höhe zur einer offenen Weidefläche mit herrlicher Sicht über den Lac de St. Croix, dem Stausee am Ende des Verdun-Canyons. In der Nähe grast eine große Herde Pferde, sonst ist hier weit und breit niemand. Herrlich, genau so muss es sein. Im Windschatten einiger Pinien genießen wir unseren Nachmittagstee, ein Spaziergang rundet den Tag ab.
7. Tag: Wanderung nach Moustiers Ste. Marie
Heute lassen wir endlich das Auto mal stehen. Auf steinigen Wegen wandern wir aus den Bergen vier Kilometer steil hinunter nach Moustiers. Der kleine Ort ist ein Provence-Dorf wie aus dem Bilderbuch und entsprechend voll auf Tourismus ausgerichtet. Die ockerfarbenen Hauser mit den braunen Ziegeldächern türmen sich dekorativ vor einer Felswand dicht gedrängt übereinander. In die Felsen oberhalb des Dorfes ist eine kleine Kirche gebaut. Jetzt, außerhalb der Saison, sind fast alle Lokale und Geschäfte verschlossen und nur einige wenige Menschen beleben die engen, verwinkelten Gassen. Es scheint hier kaum jemand zu wohnen Zu unserer Enttäuschung ist sogar die Bäckerei zu. Also keine Croissants zum Mittag, schade. Trotzdem ist es schön hier. In weitem Bogen steigen wir wieder in die Berge hoch und erreichen nach einigem Auf und Ab über schmale Pfade nach zwei Stunden unseren Toyota.
8.Tag: Pistentour durch die Berge des Verdun
Wunderbares Sonnenwetter verlockt zu einer Rundfahrt durch die Berge. Wir folgen der Piste, von der wir zu unserem Stellplatz abgezweigt waren, weiter Richtung Osten. Sie ist insgesamt gut zu fahren, aber in einigen Passagen sehr, sehr matschig. Der lehmige Boden ist erst vor kurzem aufgetaut und so sieht unser braver Toyota danach endlich richtig „Offroad-mäßig“ aus, d.h. von oben bis unten verschlammt.
Im Weiler Le Plan nahe des verlassenen Dorfes Chateauneuf, das malerisch auf einem Bergrücken thront, erreichen wir wieder Asphalt und ein paar Kilometer und viele Kurven weiter sind wir in La Palud. Am eiskalten Dorfbrunnen wird sich zuerst gründlich gewaschen, sogar die Haare. Eigentlich wollten wir hier Brot kaufen, doch Restaurants, Bäckerei und der kleine Supermarkt öffnen erst Mitte März, denn auch in diesem Dorf wohnt niemand dauerhaft. Für Wanderer oder Radfahrer wird die Verpflegung außerhalb der Touristensaison damit echt zum Problem. Wir sind dagegen in nur ca. 40 Minuten im 30 Kilometer entfernten Riez im Supermarkt. Danach starten wir eine zweite Pistentour durch die Berge am Verdon, dieses Mal mit reichlich Schnee in den Hochlagen. Endpunkt ist wieder der Weiler Le Plan bei Chateauneuf. Dort übernachten wir auf einem Feldweg.
9.Tag: Wanderung nach Chateauneuf und ein kranker Magen
Olaf geht es gar nicht gut. Übelkeit und Magenschmerzen haben ihn schon die ganze Nacht geplagt, schuld ist wohl das Olivenbrot von gestern. So bleibt er im Auto, während ich bei schönstem Frühlingswetter eine Wanderung hinauf zu dem Ruinen des Dorfes Chateauneuf unternehme. Außerdem gibt es noch eine in einer Höhle oben in einer Felswand gebaute Kapelle zu erkunden. Beides sehr beeindruckend. Doch die Reste des vor hundert Jahren verlassenen Dorfes haben auch etwas sehr melancholisches, trotz des Frühlingserwachens mit blühenden Obstbäumen und Bienengesumme. Eine Gedenktafel erinnert an die Namen von elf jungen Männern, die im 1. Weltkrieg gefallen sind. Wenig später wurde die Siedlung aufgegeben, denn es gab nun niemanden mehr, der die Felder hätte bestellen können. Am Nachmittag bin ich wieder zu Hause. Olaf geht es nicht gut. Das Olivenbrot hat zwar den Weg ans Tageslicht gefunden, aber ihm ist immer noch übel.
10.Tag: Im Grand Canyon du Verdon
Wir fahren nach La Palud und zum Anfang des Wanderweges durch die Verdunschlucht. Olaf geht ein ganzes Stück mit bergab in den Canyon und kehrt dann zum Auto zurück. So ganz fit ist er noch nicht. Auf guten Pfaden wandere ich weiter hinunter bis fast zum Fluss und durch die beeindruckende Schlucht. Bis zu 700 Meter ragen die Felswände fast senkrecht auf, teilweise von Höhlen durchlöchert wie ein Käse. Adler lassen sich vom Aufwind hoch empor tragen. Unten gurgelt der türkisblaue Verdun. Der Pfad ist leicht zu laufen. Mal geht es durch Wald in Flussnähe, mal hoch oberhalb am Steilhang. Die wenigen exponierten Stellen sind alle gut mit Metallseilen gesichert oder per Leitern überbrückt. An den Verdun selbst kommt man nur an zwei Stellen. Auf der ganzen Tour begegnet mir niemand.
Nach fast 7 Stunden bin ich wieder am Auto. Es war unglaublich gut, mal wieder flott voran zu wandern. Olaf geht es auch wieder besser. Wir fahren noch durch das dramatische Tal des Verdun und finden nach einer Stunde einen ruhigen Stellplatz an einem Feldweg. Nachts wird es wieder sehr kalt und morgens sind alle Scheiben im Toyota von innen gefroren.
11. Tag: Vom Verdun nach St. Tropez
Unsere Bordbatterie macht uns Sorgen. Sie lädt sich während der Fahrt nicht auf. Nach intensiver Fehleranalyse klemmt Olaf die Solarzellen ab – und siehe da, nun geht’s. Wie sich später herausstellen wird, unterstützt das Batteriemanagementsystem VBCS 30/20/250 von Votronic nur Spannungen von den Solarpanels bis maximal 36 Volt. Da unsere beiden Panels in Reihe geschaltet sind, ist die Spannung deutlich höher und als Folge schaltet das VBCS merkwürdigerweise die Ladung durch den Anlasser ab, wenn Spannung von den Solarpanels anliegt. Nach der Reise haben wir für die beiden Solarpanels ein MPPT-Ladegerät von Victron eingebaut, dass mit den hohen Spannungen problemlos zurechtkommt. Außerdem hat sich in dem Schrank, wo wir die Wasserkanister verstauen, und unter dem Gummifußboden reichlich Kondenzwasser angesammelt. Auch das muss optimiert werden. Genau um solche Kinderkrankheiten zu erkennen, sind wir ja unterwegs.
Durch das steppenähnliche Gelände eines Truppen-Übungsplatzes kurven wir durch die Berge zum fast 1000 Meter hohen Pass Col de Beau Homme. Von hier haben wir einen phantastischen Blick über die Berge bis zum Meer – und endlich ist es herrlich warm. Stundenlang sitzen wir hier oben und genießen unsere Freiheit. Viele schmale und kurvige Sträßchen bringen uns, vorbei an urigen Dörfern, hinunter Richtung Meer.
Bald macht sich die Nähe der Küste bemerkbar mit erhöhter Dichte von teuren Carbrios auf den Straßen und Ferienhäusern zwischen den Olivenhainen. Oberhalb von St. Tropez übernachten wir in den Bergen mit toller Aussicht, aber sehr exponiert im immer heftiger werdenden Sturm.
12. Tag: Stadtbummel in St. Tropez
Rasch ist St. Tropez erreicht. Wir parken etwas außerhalb, um die horrenden Parkgebühren zu sparen. Die Altstadt ist völlig auf Tourismus ausgerichtet, jetzt im Februar sind die meisten Läden und Lokale jedoch noch geschlossen. Durch die Straßen und besonders am Hafen fegt ein eisiger Sturm, der die edlen Superyachten zum Schaukeln bringt. Nach dem Stadtbummel und einem sündhaft teuren Kaffee Crème fahren wir entlang der Küste nach Osten.
Ein Ort geht unmittelbar in den nächsten über, und alle sehen mit ihren Hotels und Strandpromenaden gleich aus. Hier einen Stellplatz zu finden ist echt schwer. Schon die meisten Parkplätze sind auf eine Höhe von 2 Metern begrenzt. Park4night weist uns den Weg zu einem etwas abgelegenen Friedhof mit einem leeren Parkplatz davor. Im Friedhof gibt es auch eine Toilette mit Waschbecken und Wasser. Ideal für eine Nacht. Allerdings tobt der Sturm immer noch so heftig, dass wir erstmals das Dachzelt unten lassen und ich mit dem 42 cm breiten „Notbett“ auf dem Tischbrett im Mittelgang vorlieb nehme. Das geht erstaunlich gut.
13.Tag: Port de Fréjus und St. Raphael
Vom sterilen Retortenferienort Port Fréjus bummeln wir am Strand entlang bis St. Raphael. Hier ist schon reges touristisches Leben, allerdings überwiegt die 70+ Generation. Die etwas betuchteren französischen Rentner verbringen hier wohl gerne den Winter. Für uns ist mit 19 Grad schon fast Sommer und ich tauche zumindest mal die Füße ins noch frische Mittelmeer. St. Raphael ist endlich ein Ort, in dem auch das ganz normale Alltagsleben stattfindet und durch dessen Altstadt sich ein Bummel lohnt.
Wirklich wunderbar ist die Weiterfahrt entlang der Steilküste von Cap Esterell mit ihren leuchtend roten Felsen. Zwar reiht sich auch hier ein Ort an den nächsten, doch die Topographie verhindert eine ausufernde Bebauung. In unendlichen Kurven windet sich die recht stark befahrene Straße entlang der Klippen. Bald sehen wir die Silhouette von Cannes in der geschwungenen Sandbucht. Die schneebedeckten Seealpen scheinen direkt hinter der Stadt aufzuragen. Wirklich eine spektakuläre Lage. In einem Vorort von Cannes gehen wir erstmals auf unserer Tour auf einen Campingplatz. Nach fast zwei Wochen wird es höchste Zeit für eine Dusche. Abends sitzen wir am Hafen, essen unser Baguette und lauschen dem unablässigen Rauschen des regen Autoverkehrs an der Strandpromenade.
14.Tag: Von Cannes nach Apricale
Nein, abgesehen von der reinigenden Dusche kann ein Campingplatz uns nicht verlocken. Zu laut und zu beengt ist es hier. Wieviel schöner sind da die „wilden“ Stellplätze mitten im Nirgendwo. Auch unser Bedarf am Schickmicki der Cote d’Azur ist gedeckt. Zwischen Cannes und Italien ist wirklich jeder Zentimeter mit vielstöckigen Häusern oder Schnellstraßen gepflastert.
Über die Autobahn gelangen wir ins italienische Ventimiglia und von dort hinauf in die ligurischen Alpen. Die enge Straße windet sich durch ein Flußtal bis zum extrem malerischen Dorf Apricale, dessen Bruchsteinhäuser eng übereinander geschachtelt auf einem Berg thronen. Die steilen, holprigen Kopfsteingassen sind nur breit genug für zwei Fußgänger. Oft wurden die Häuser über die Gassen gebaut. Es ist dunkel und kühl in diesem Labyrinth.
Auch hier lebt niemand mehr wirklich, fast alle Gebäude werden als Touristen-Unterkunft genutzt und sind zu dieser Jahreszeit noch verlassen. Trotzdem hat der urige Ort noch eine schöne Atmosphäre. Nach der Weiterfahrt über eine winzige kurvige Straße erreichen wir unseren Traumstellplatz, 900 Meter hoch in den Bergen, an einem Feldweg in totaler Ruhe und Einsamkeit mit Panoramablick über die Täler und noch schneebedeckte Gipfel. Herrlich zum Tee trinken, lesen und nichts tun. Nachts bewundern wir vom Schlafsack aus den glitzernden Sternenhimmel. Was für ein Kontrast zum quirligen Trubel an der nur 20 Kilometer entfernten Küste.
15. Tag: Von Apricale durch die ligurischen Alpen nach Quarzina
Mitten in den ländlichen Frieden platzt am morgen die Nachricht, dass Russland die Ukraine angegriffen hat. Was lange befürchtet, aber nicht als mögliche Realität gesehen wurde, ist eingetreten. In Europa gibt es wieder Krieg. Es ist unfassbar. Wir sind schockiert.
Heute ist es mit nur 10 Grad wieder kühl. Im Laufe des Tages bewölkt es sich immer mehr. Auf der einspurigen Straße DS17 arbeitet sich unser braver Toyota in unzähligen Kurven durch die steilen Berge Liguriens. In den extrem engen Haarnadelkurven müssen wir manchmal zurücksetzen, um herum zu kommen. Eine abenteuerliche Strecke.
Die Hänge reichen fast senkrecht hinunter in die tief eingeschnittenen Täler. Für Olivenhaine und Gartenbau sind terrassenförmige Felder angelegt, die über Trockenmauern gestützt werden. Was für eine Knochenarbeit. Viele Terrassen sind jedoch schon verwildert, viele einsame Bauernhäuser verlassen. Absolut großartig sind die Bergdörfer mit ihren verschachtelten Häusern, die wie ein Adlerhorst hoch auf den Steilhängen thronen.
Die Passtrecke der DS 17 nach Rezzo ist eigentlich erst ab Mitte März wieder für den Verkehr frei, unmissverständlich tut dies ein unübersehbares Schild in Italienisch, Französisch und Englisch kund. Wir realisieren das trotzdem nicht so wirklich (Olaf behauptet glaubhaft: „Da war kein Schild – und außerdem konnte ich die Schrift nicht lesen“) und fahren weiter. Und unser braves Auto meistert mit Olafs ruhiger Hand zuverlässig alle auf der Nordseite noch verschneiten und vereisten Passagen, auch wenn ich ein zeitweise doch sehr kitzliges Gefühl in der Bauchgegend spüre, denn der Abgrund neben mir ist tief und nicht gesichert.
Für kurze Zeit geht es über eine breitere Straße. Dann zweigen wir bei Ponte di Nava auf eine extrem steile und schmale Bergstrecke ab, um auf einen einsamen Übernachtungsplatz auf einer Almhochfläche zu kommen. Die Breite reicht gerade für unseren Toyota aus. Im Navi gibt es bald den Weg nicht mehr und so nehmen wir im Bergdorf Quarzina eine falsche Abzweigung und landen in einer Hofeinfahrt. Ganz vorsichtig muss Olaf nun die engen Kurven wieder bergab rückwärts rangieren, bis er endlich wenden kann. Aber er ist in solchen Situationen immer die Gelassenheit in Person, bewundernswert. Endlich ist der richtige Weg gefunden und nach einiger Zeit endet der Asphalt. Der Toyota zieht zuverlässig mit Allradantrieb und Untersetzung über den steilen Traktorpfad weiter bergauf. Der Frühling hält gerade seinen Einzug hier oben. Noch sind die Wiesen braun und platt, bald erreichen wir die letzten Schneefelder. Zur Belohnung kommen wir auf die herrliche Almfläche La Colma zu einem absolut einsamen Stellplatz nahe einer kleinen Kapelle. Hier in 1500 Metern Höhe liegt noch richtig gut Schnee. Leider senkt sich die Wolkendecke und bald sitzen wir im dicksten Nebel.
16.Tag: Von Quarzina nach Aosta
Der Nebel ist verschwunden und strahlend blauer Himmel weckt uns, allerdings bei nur 1 Grad unter Null. Morgens gibt es eine herrliche kleine Wanderung zum nahen Lago Lado. Der winzige See ist noch komplett gefroren. Kurze Zeit später erreichen wir das Croce dei Gasti in 1643 Metern Höhe mit traumhaften Panoramablick über die schneebedeckten, schroffen Gipfel rings um uns herum.
Gegen 11.00 Uhr brechen wir schließlich auf und rollen abwärts aus den Bergen in die weite, langweilige Ebene. Auf der Autobahn geht es um Turin herum und dann wieder in die Berge ins Aostatal. Am Nachmittag unternehmen wir in Aosta einen Stadtbummel durch die nette Fußgängerzone. Das wahre Highlight der Stadt sind aber die mächtigen, schneebedeckten Berge, die unmittelbar hinter den Häusern ansteigen. Mont Blanc, der höchste Alpengipfel, und der Große St. Bernhard sind zum Greifen nahe. Ein toller Anblick.
Im Dorf Cretallaz hoch über der Stadt parken wir für die Nacht. Unten im dicht bebauten Tal ist kein ruhiger Stellplatz zu finden. Hier oben in den Bergen ist es dagegen total ruhig, na ja…wenn die Turmuhr der Dorfkirche, neben der wir stehen, nicht zuverlässig alle 30 Minuten schlagen würde. Der Blick auf den Sonnenuntergang hinter dem Mont Blanc und abends auf die glitzernden Lichter der Stadt im Tal ist jedenfalls grandios.
17.Tag: Von Aosta nach Montreux
Wieder allerschönstes Wetter. Durch eine wahrhaft majestätische, tiefverschneite Bergwelt fahren wir hinauf zum Tunnel durch den Großen St. Bernhard und schon sind wir in der Schweiz. Hier liegt erheblich mehr Schnee als auf der Alpensüdseite. Aber die tieferen Täler sind ebenfalls schneefrei.
Gegen Mittag erreichen wir den Genfer See und wandern an der Seepromenade vom Schloss Chillon nach Montreux. Ein wahrer Genuss ist der weltberühmte Blick über den See zu den hohen Schneebergen. Ein toller Kontrast zu den Palmen, Blumen und Weinbergen am See. An der Promenade ist heute am Samstag natürlich sehr viel los. Und so gibt es nicht nur die Naturschönheiten zu bewundern, sondern auf etliche auf „edel“ gestylte Passanten. Sehenswert sind auch die pompös-plüschigen alten Grand Hotels. Den ganzen Nachmittag verbummeln wir am See, fahren abends noch ein Stück weiter Richtung Bern und übernachten an einem Feldrand.
17.Tag: Von Montreux nach Bern
Nach der bisher kältesten Nacht mit 8 Grad unter Null haben wir morgens Eisblumen an den Fenstern. Gegen Mittag sind wir in Bern. Der strahlend blaue Himmel täuscht, es ist mit Temperaturen um die 7 Grad und einem scharfen Wind ziemlich kalt. Sehnsuchtsvoll denken wir an den Frühling gestern in Montreux.
Die Berner Altstadt, immerhin UNESCO Welterbe, ist mit ihren stattlichen Bürgerhäusern und arkadengesäumten Straßen absolut sehenswert. In einem Café tauen wir langsam wieder auf und auf einer Parkbank in einer sonnigen, windgeschützten Ecke ist es sogar warm genug für ein Picknick. Den Luxus eines Restaurantbesuchs verkneifen wir uns angesichts des schweizerischen Preisniveaus. Gegen 16.00 Uhr sind wir wieder zu Hause an unserem Toyota und genießen in der Sonne auf unseren Klappstühlen mit einem Kaffee den wunderbaren Blick auf die Altstadt.
Noch eine Stunde Fahrt durch die beschaulichen Dörfer in der Emmental Region, die mit ihren uralten, großen Bauernhöfen aussehen wie ein großes Freilichtmuseum. Allerdings sind sie auch genauso aufgeräumt und wirken daher etwas steril im Vergleich zu den Orten in Frankreich und Italien. Aber wir sind halt in der ordentlichen Schweiz. Wir haben wieder einen ruhigen Übernachtungsplatz an einem Feldweg, wo wir abends zahlreiche Rehe beobachten. Im dicht besiedelten Hügelland der Schweiz ist es echt schwer, einen einigermaßen abgelegenen Übernachtungsplatz zu finden.
18.Tag: Schaffhausen
Morgens ist die restliche Strecke nach Schaffhausen rasch zurück gelegt und wir besuchen Sanne und Kevin in ihrer neuen Heimat in Schaffhausen. Die beiden haben eine sehr schöne Wohnung mit Blick über die Stadt und bei klarem Wetter sogar bis zu den Alpen. Nachmittags erkunden wir gemeinsam die sehr schöne Altstadt und ein Abstecher zum Rheinfall gehört natürlich zum Pflichtprogramm. Wir beschließen den sehr schönen Tag in einem sehr guten thailändischen Restaurant. Am nächsten Tag treten wir dann die Heimreise an und sind am frühen Nachmittag in Bad König.