Einen entspannten, sommerlich-sonnigen Tag verbringen wir in San Francisco. Schon die Fahrt von Sausalito mit der Fähre am frühen Morgen über die weite Bucht nach Downtown San Francisco ist ein Erlebnis. Es ist schon sehr besonders, sich der imposanten Skyline zwischen Bay Bridge und Golden Gate Bridge vom Wasser her zu nähern.
Zur Feier des Tages gönnen wir uns ein Frühstück in einem Coffeeshop in der Market Street, für 25 Dollar bekommen wir immerhin jeder einen Pappbecher mit Kaffee und ein klebriges Mandelcroissant. Essen ist in den USA für unser Gefühl sowieso schon teuer, Kalifornien und besonders San Francisco haben aberwitzige Preise. Der Lebensstandard scheint dennoch bei einigen hoch zu sein, nirgendwo haben wir bisher so viele teure Luxusautos gesehen. Aber auch in den schicken Vierteln der Innenstadt leben Obdachlose in Zelten auf der Straße.
Natürlich klappern wir die typischen Touristen-Highlights ab. Vom Finanzdistrict mit seinen Wolkenkratzern über die Market Street geht es zum Union Square, gesäumt von stattlichen Palmen und edlen Luxusgeschäften, und durch Chinatown. In den Läden an der mit Lampignons aufgehübschten Hauptachse gibt es Touri-Andenkenramsch, ausnahmsweise aber authentisch, da 100% made in China. Abseits davon werden die merkwürdigsten Köstlichkeiten angeboten, die besonders uns Vegetariern eher den Magen umdrehen.
Eine spannende Gegend. Ungeachtet der Topographie wurde das Wegenetz der Stadt, wie in den USA üblich, in Rasterform angelegt. Das führt aufgrund der vielen Hügel zu unglaublich steilen Straßen mit bis zu 30% Steigung. Wir erklimmen den Telegraph Hill und natürlich darf auch der kurvenreiche Abschnitt der Lombard Street nicht fehlen, wo sich ein endloser Strom von Touristen in ihren Autos die acht engen Serpentinen nach unten schraubt. Zum Abschluss statten wir den Seelöwen am Pier 39 an der kirmesähnlichen Fishermen‘s Wharf einen Besuch ab.
Von unserem Stellplatz im Yachthafen von Sausalito ist es nur ein Katzensprung zur Golden Gate Bridge, wo wir am nächsten Morgen frühstücken, mit einem traumhaften Blick auf die elegant geschwungene Hängebrücke. Diesen Luxus hat man nur in einem rollenden Zuhause. Dann fahren wir über die Brücke, durch die edlen Wohngebiete am Golden Gate Park und hinauf zum 300 Meter hohen Twin Peak. Hier genießt man den absolut besten Blick über die gesamte Stadt. Danach geht es wieder auf dem teilweise 6spurigen Highway 1 Richtung Süden.
Rasch liegt der Ballungsraum hinter uns. Die Pazifikküste lockt wieder mit Klippen und weiten Sandstränden, wo man im Sonnenschein wunderbar spazieren und beim Frühstück die muskulös-sportlichen Surfer beobachten kann. Samstags tummeln sie sich schon am frühen Morgen in den Wellen und das bei 8 Grad Lufttemperatur. Das Wasser ist hier mit ganzjährig maximal 14 Grad nicht viel wärmer. Trotz der Neoprenanzüge, die sie tragen, sieht das ungemütlich aus. Aber ohne Surfbrett auf der Ladefläche ist hier kaum ein Pickup unterwegs. Zumindest bei den Leuten, die genügend Geld und Zeit haben, um sich hauptsächlich am Strand oder in den Bars am Meer zu vergnügen, und so das Klischee des California Easy Going zu pflegen.
In Monterey ist die Fishermen’s Wharf zu einer reinen Kirmes mutiert, mit Andenkenbuden und Restaurants. Am Wochenende offensichtlich ein beliebtes Ziel für den Familienausflug. Immer wieder sind wir erstaunt, mit welchem Vergnügen sich die Besucher irgendwelches undefinierbare fettige Essen einverleiben. Hier kann man Studien im American Way of life machen, alleine deshalb lohnt sich der Besuch.
Eine echte Herausforderung ist auf diesem Küstenabschnitt immer die abendliche Suche nach einem Übernachtungsplatz außerhalb der sündhaft teuren Campingplätze. Auf den privaten Plätzen bezahlt man bis zu 180 Dollar pro Nacht, die simplen Forstcampgrounds nehmen über 40 Dollar. Dafür gibt es dann aber auch nur ein Plumpsklo. Leider nimmt die Dichte der No Camping/no Parking -Schilder noch zu, je weiter wir entlang der Küste nach Süden fahren. An wirklich fast jeder noch so winzigen Haltebucht entlang der Straße ist das Übernachten verboten. Parken darf man nur auf den offiziellen Day Use Areas der State Parks, in der Regel gegen 5 bis 12 Dollar Gebühr. Ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist das nicht mehr, teilweise sind wir ziemlich genervt.
Südlich von Carmel beginnt der berühmte Big Sur, eine dramatisch einsame Küste mit unbewaldeten Hügeln, steilen Felsen und versteckten Buchten und eine der schönsten Strecken des Highway 1. Der ca. 100 Kilometer lange Abschnitt ist ein State Park, da ist „freies“ Übernachten sowieso tabu. Also wählen wir einen Forestcampground als Ziel.
Doch es kommt wieder einmal anders als geplant. Der Highway 1 ist ab Big Sur im gesamten Verlauf gesperrt. Die sintflutartigen Regenfälle der letzten Tage haben zu Erdrutschen geführt, ganze Straßenabschnitte und etliche Brücken sind zerstört. Die Instandsetzung wird also viele Monate dauern. Also müssen wir unsere gesamte Route umplanen.
Da schon wieder neuer Regen zu erwarten ist, entscheiden wir uns spontan dazu, direkt Richtung Las Vegas zu fahren. Die Carmel Valley Road G16 führt eng geschwungen durch die Sierra de Salinas. Weingüter und Farmen beherrschen das Bild. In Küstennähe wird die Straße gesäumt von zahlreichen sehr edel wirkenden Ausflugsrestaurants, die sehr gut besucht sind. Nach dem letzten Weingut wird es einsamer, es gibt nur noch große Weideflächen mit herrlichen knorrigen Eichen. Von den Bäumen hängen lange Bartflechten. Eine unerwartet wunderschöne Strecke mit ganz neuen Eindrücken.
Nachts fällt wieder heftiger Regen mit Sturm, auch am nächsten Tag fegen immer wieder starke Schauer über das Land. Wir erreichen den zur Autobahn ausgebauten Highway 101, der durch das breite Salinas Valley führt. Endlose Weinfelder und Nussbaumplantagen lassen die Fahrt eintönig werden.
Der Highway 46 bringt uns nach Bakersfield und der Highway 58 über den 1200 Meter hohen Pass der Tehachapi Mountains hinunter in die Mojave Wüste und damit in eine völlig andere Landschaft. Nach dem extrem nassen Wetter ist die Wüste erstaunlich grün, dornige Büsche und einzelne Joshua Trees beherrschen die weite Ebene, aus der einsame Kegel ehemaliger Vulkane ragen. Die Autobahn führt als schnurgerades Band hindurch, am Rand der Wüste passieren wir einen unglaublich großen Windpark. Sonst gibt es nicht viele Zeichen von Zivilisation. Über eine Piste fahren wir am Abend nach fast 500 Kilometern Autofahrt einfach über eine Piste ein Stück in die Wüste zum Übernachten hinein. Hier kann man parken, wo man will – kein no overnight Schild hindert uns mehr!
Barstow ist eine wenig ansehnliche über viele Kilometer verstreute Kleinstadt in der Wüste, besitzt aber ein Community Center mit einer herrlich heißen Dusche für nur 3 Dollar, danach geht es in die Laundry zum Wäsche waschen. Im Levis Outlet Store an der Interstate gibt es superpreiswerte Jeans, da schlagen wir zu. Am Nachmittag hoppelt Master Yoda über eine Waschbrettpiste zum Owl Canyon, mit schönen, bunten Sandsteinformationen im Rainbow Basin, nur 10 Meilen von Barstow entfernt und schon mitten in der Wüste. Hier gibt es einen sehr einfachen Forstcampground in herrlicher Lage, auf dem wir sogar kostenlos übernachten können, da die Briefumschläge zur üblichen Selbstregistrierung fehlen.
Der Rest des Tages vergeht mit Vorbereitungen für meine Wanderung auf dem Arizona Trail, die in wenigen Tagen starten wird. Das Bauchkribbeln wächst schon gewaltig und ich bin hypernervös, vor allem, weil die Wetterbedingungen nach wie vor sehr schlecht sind und in den Bergen noch extrem viel Schnee liegt.
Vom Campingplatz aus führt ein Fußpfad ca. eine Stunde durch den bunten Owl Canyon, überwiegend direkt durch das weitgehend trockene Bachbett. Es tut gut, wieder etwas zu laufen. Natürlich bringt die nächste Nacht wieder Regen und Kälte. Immerhin können wir gegen Mittag eine sehr lohnenswerte, 12 Meilen lange Rundfahrt auf einem Scenic Drive westlich des Canyons unternehmen. Die Piste bietet schöne Ausblicke auf die bunten Felsformationen, eine tolle Gegend.
Rund 100 Kilometer auf der Interstate 15 führen quer durch die Wüste, magere Büsche und vereinzelte Joshuatrees sorgen für etwas Grün. Kleine, unglaublich triste Siedlungen liegen ab und an nahe der Autobahn. Um die Containern ähnlichen Häuser türmen sich Berge von Sperrmüll und ausrangierten Autos. Das ist ein ganz anderes Amerika als an den schicken Küstenorten. Das Wetter bessert sich, aber ein irrer Wind fegt über die Ebene und entwickelt sich zu einem richtigen Sandsturm.
In der Nähe von Baker verlassen wir die Autobahn. Eine Piste führt in das Mojave National Reserve, schon nach einem Kilometer haben wir das Gefühl mitten im Nirgendwo zu sein. Hier kann man übernachten, wo man will, wie herrlich. Genau so sollte es im Wilden Westen sein. Doch als wir am späten Nachmittag unseren Tee vor dem Auto genießen – nicht zu fassen, für ca. 2 Stunden scheint die Sonne- kommen zwei Cops der Highway Control lässig in ihrem Wagen angerollt. Ob das Ärger gibt? Aber die beiden wollten nur unserem Yoda ihre Aufwartung machen, der ja stets bei den autoverliebten Amis viele Bewunderer findet, und grüßen mit dem Blick auf Yoda mit „nice setup“.
Drei Wochen sind wir nun schon unterwegs und erstmals können wir draußen frühstücken, die Käfighaltung hat zumindest Pause. Trotz Sonne ist es kühl, auf den nahen Bergen liegt Neuschnee.
Den Vormittag verbummeln wir in der Sonne. Nach 120 Kilometern auf der Autobahn sind wir dann in Las Vegas. Was für ein irrer Autoverkehr! Die Stadt ist ein wahrer Horror, es gibt keine irgendwie erkennbare Struktur. Monotone Einfamilienhaus-Ressorts, durch Mauern und ein vergittertes Eingangstor von den 6spurigen Straßen und dem Rest der Welt getrennt, wechseln ab mit Brachflächen, Einkaufszentren, Hochhäusern und gigantischen Parkplätzen. Ein Ort, in dem man sich nur im Auto fortbewegen kann. Wir meiden die Innenstadt und den berühmten Vegas Strip mit unzähligen Spielcasinos und klappern einige Geschäfte ab. Zwischen Walmart, Telefonladen und dem Outdoorladen REI liegen 80 Kilometer und erhebliche Fahrzeiten, so dass wir bis abends unterwegs auf den Stadtautobahnen sind. An einem Casino am Stadtrand soll man angeblich auf dem Parkplatz übernachten können. Leider wird unsere Anfrage an der Rezeption rabgelehnt, aber so sind wir live in eine Spielhölle gewesen. Wir stellen uns schon auf eine lange Suche ein, denn Stellplätze sind sehr rar in der Stadt. Per Zufall finden wir dann doch wenig später an einer lauten Ausfallstraße einen Parkplatz vor einem leer stehenden Einkaufszentrum, auf dem offensichtlich schon ein LKW und zwei Wohnmobile zum Übernachten stehen. Wir fragen den Security-Mann und dürfen bleiben.
Viel Glück auf den Arizona Trail!
Wünsche dir Mama eine schöne Wanderung, und dir Papa eine gute Fahrt!