Arizona Trail (23.- 30.3.23)

Der AZT ist eine abwechslungsreiche Tour mit sehr, sehr vielen Höhenmetern und unterschiedlichen Vegetationszonen von der Wüste bis zu schattigen Kiefernwäldern in den bis zu 2800 m hohen Bergen. Ein Höhepunkt ist sicherlich die Querung des Grand Canyon.

Vorausgegangen ist eine wochenlange Vorbereitung, um die Etappen und Versorgungsmöglichkeiten mit Proviant zu planen. Meine Wanderpartner sind Gary Roscoe, der in Seattle unseren Yoda beherbergt hat, und seine Freunde Robert und Roslyn Laudon aus Australien. Wir sind alle ungefähr im gleichen Alter, eine echte Rentner-Gang.

Verlauf des Arizona Trail

Treffpunkt ist bei Garys Cousine Linda und deren Mann Kelly, die in Tucson wohnen und uns Samstag nach Sierra Vista fahren werden. Die Fahrt mit dem FlixBus von Las Vegas nach Tucson dauert 8 Stunden, mit Verspätung bin ich 10 lange Stunden unterwegs. Dennoch ist es besser als zu fliegen, denn die Strecke durch die unendlich weite Wild West Landschaft ist sehr schön. Es gibt viel zu sehen: Wüste, Prärie, Yukkawälder und tolle Saguarokakteen, die aussehen wie aus den Comics von Lucky Luke. Gary, Kerry und Rob holen mich vom Bus ab. Abends planen wir unsere Wanderung.

Der nächste Tag vergeht schnell mit Einkaufen und Versand von Lebensmittelpaketen an zwei Orte entlang unseres Trails, an denen es keine Einkaufsmöglichkeiten gibt. Nachmittags kommen noch Freunde von Kerry und Linda vorbei zum gemeinsamen Essen. Wieder einmal bin ich von der Gastfreundschaft der Amerikaner überwältigt. Wir werden in die Familie aufgenommen, als wären wir uralte Freunde.

Früh um 5.15 klingelt am Samstag der Wecker, ich konnte vor Aufregung sowieso kaum schlafen. Im Morgengrauen werden wir nach Sierra Vista gefahren, dort steigen wir in den Jeep eines Trailangels, der uns zum Coronado Monument fährt. Bei knallblauem Himmel startet die Wanderung um 9.00 Uhr. Zunächst geht es 2 Meilen und 300 Höhenmeter runter zur Grenze, an der eher symbolhaft eine Mauer errichtet wurde, um illegale mexikanische Immigranten abzuschrecken.

„The Wall“ an der mexikanischen Grenze
Grenzstein der USA
Blick nach Mexiko
Beginn des Arizona Trails
Aufstieg zum Millers Peak

Danach schleppen wir uns 1800 Höhenmeter zu Millers Peak über steinige Pfade bergauf. Der Rucksack erscheint bleischwer, obwohl er mit 8 Kilogramm Basisgewicht, 3 Litern Wasser und Proviant für 3,5 Tage eher moderat gepackt ist. Die Höhe von bis zu 2800 Metern macht mir zu schaffen. Das Herz rast wie wild, ich schnappe nach Luft. Kaum haben wir ein Auge für die großartige, unendlich weite Landschaft und die unter uns liegende Ebene.

Wegweiser des Arizona Trail
Am Millers Peak

Hier oben ist es ganz schön kalt, auf dem Kamm fegt ein eisiger Wind. Hinter Millers Peak geht es durch knorrigen Kiefernwald und endlich etwas bergab. Das ist gut, denn ich bin wirklich am Ende meiner Kräfte. Ca. 3 Kilometer müssen wir am Nordhang durch Altschneefelder, da sind die Microspikes an den Füßen Gold wert. Wir sehen frische Fußspuren von Pumas. An der Quelle Bathub Spring wird neues Wasser gezapft. Noch einige Kilometer bis Bear Canyon Trail Junction, wo wir zelten, bevor der nächste Anstieg zum Granite Peak kommt. Um 18.00 und nach 18 Kilometern sind wir alle warm eingepackt in unseren Zelten, denn es ist saukalt, dazu fegt ein scharfer Wind über den Grat. Es war ein unglaublich anstrengender, aber guter erster Tag und sehr schön, nicht alleine zu laufen. Die drei sind sehr nette Wanderkameraden, die Chemie zwischen uns stimmt auf Anhieb.

Abstieg über Schneefelder
Das erste Camp
Waldbrandgebiet

Nachts war es wieder extrem kalt, durch Kondensation bilden sich Eiskristalle an der Zeltinnenwand und sogar das Wasser in den Flaschen im Zelt ist gefroren. Zudem stand mein Zelt auf so einer schiefen Fläche, dass ich immer wieder in die Stange gerutscht bin und dadurch zwei Mal das Zelt zum Einsturz kam. Ich schlafe mit allen Kleidungsstücken, das ist angenehm warm. Bibbernd laufen wir morgens um 7.00 Uhr los. Durch tollen Kiefernwald geht es noch mal bergauf zum Granite Peak.

Rinde der Alligator Juniper -Nomen est omen
Eine gute Wasserquelle
Kiefernwald bei Granite Peak
Am Ende eines langen Wandertages
Weiter Blick in die Ebene am Morgen

Natürlich kommen wir jetzt an den schönsten Zeltstellen vorbei. Schließlich geht es in vielen Serpentinen steil ins Tal. Der Weg führt an einem idyllischen Bach mit kristallklarem Wasser vorbei. Endlich wird es warm, stahlblauer Himmel und ideale Temperaturen. Wegen eines kontrollierten Waldbrandes leitet der Forest Service uns um querfeldein durch eine braune Weidefläche und über Schotterstraßen, staubig und weniger schön. Zum Tagesabschluss geht es nochmals kräftig über die grasigen Canelo Hills rauf und runter. Wieder bin ich total müde, das ist nicht normal. Um 17.00 schlagen wir unser Lager auf, 27 Kilometer sind geschafft. Bei mir gibt es heute Cowboy Camping, d.h. schlafen unter freiem Himmel.

Der Arizona Trail ist meist steil und steinig
Cowboy Camping
Wasserfiltern ist die tägliche Pflicht

Die Nacht war wieder kalt, doch der Sternenhimmel war mehr als genug Entschädigung dafür. Obwohl hundemüde konnte ich mich nicht entschließen, endlich die Augen zu zumachen, so herrlich war der Blick auf dieses endlose Funkeln über mir.

Abstieg in die Ebene bei Patagonia
Buschland und Hitze
Mittagspause im Schatten
Durch die Canelo Hills
Canelo Hills

Um 6.20 Uhr war Abmarsch, wie immer in Daunenjacke, Handschuhen und Mütze. Wieder führt uns der Trail auf sehr steinigen Pfaden hoch und runter, oft mit schönen Ausblicken auf das weite Land unter uns. Genau so muss der Wilde Westen aussehen. Die Hills haben es wirklich in sich, ein ewiges Auf und Ab. Der Trail besteht eigentlich nur aus aus Steinen und losen, rutschigen Schotter. An einem Abstieg rutscht mein Fuß weg und ich verdrehe mir das Fußgelenk. Nach einer Weile schmerzt es so, dass Ros, die Ärztin ist, mir einen Stützverband anlegt. Mit einer Dosis Ibuprofen lässt sich der Wandertag ganz gut überstehen. Schließlich steigen wir von den Hügeln hinab uns Flachland.

Wasserquelle in den Canelo Hills

Aber auch hier geht es hoch und runter zwischen den tief eingeschnittenen, jetzt trockenen Bachläufen. Hier ist es ganz schön heiß. Müde schleppe ich mich von einer Wasserstelle zur nächsten. Von Tag zu Tag fühle ich mich schlapper. Kurz nach 17.00 schlagen wir unser Lager auf. Ein paar Rinder beäugen mich neugierig, als ich auf der Wiese im Schlafsack liege. Wieder 28 Kilometer geschafft.

Poppy – allgegenwärtiger Frühlingsbote
Die letzten Meilen bis Patagonia

Nur 15 Kilometer sind es am vierten Wandertag bis zur Kleinstadt Patagonia, wo wir auf dem Campingplatz übernachten und den Rest des Tages verbringen wollen. Das Bergauf- und ab nimmt kein Ende. Je tiefer wir kommen, desto heißer wird es. Nach der Hälfte der Strecke ist die asphaltierte Straße nach Patagonia erreicht. Mein Kreislauf macht Probleme, mir ist übel und ich fühle mich kraftlos. In dem Zustand kann ich nicht die nächste Etappe angehen.

Saloon in Patagonia

Schon gegen 10.00 Uhr erreichen wir Patagonia. Der erste Weg führt natürlich in ein Lokal, die eiskalte Cola belebt. Doch ich fühle, dass ich dringend eine längere Pause brauche. So ein Mist, hatte ich mich doch so sehr auf diese Tour gefreut. Wahrscheinlich habe ich mir irgendwo eine Infektion eingefangen. Morgen setzt unsere Gruppe ihren Weg fort.

Ich fasse den schweren Entschluss, die Wanderung zu beenden. Olaf sagt spontan zu, mich am nächsten Tag hier abholen. Er verbringt dafür zwei Tage auf der Autobahn, er ist mein wahrer Trailangel und ich bin ihm unendlich dankbar. Was für ein Geschenk, einen Partner zu haben, auf den man sich blind verlassen kann.

Am nächsten Tag heißt es also Abschied von meiner Renter-Gang zu nehmen. Es tut weh, die drei Freunde davon gehen zu sehen. Wir haben uns von Beginn an super verstanden. Den gesamten Vormittag verschlafe ich im Zelt, das tut gut.

Der Campingplatz ist perfekt auf Hiker eingestellt. Es gibt eine offene Küche, kostenlose heiße und kalte Getränke sowie eine gut gefüllte Hikerbox mit Lebensmitteln. Zum Duschen kann man Handtücher und Shampoo bekommen, wenn die Kleidung in der Waschmaschine orgelt, gibt es saubere Ersatzwäsche zum Ausleihen. Solche Luxusartikel haben Wanderer nämlich nicht dabei. Am Nachmittag ist dann Olaf da. So geht das ursprünglich für eine Dauer von ca. 6 Wochen geplante Abenteuer AZT schon nach wenigen Tagen zu Ende, mir ist zu heulen zumute.

Einen Tag später rollen wir auf dem Highway nach Norden. Anfangs immer in Sichtweite der Berge über die der Arizona Trail verläuft. Das tut richtig weh und verstärkt meine gedrückte Stimmung. Plötzlich auf dem Highway 93 in Gegenrichtung ein Stau und viele Polizeiwagen mit Blaulicht. Am Straßenrand steht eine Gruppe Motorradfahrer. Davor ein demoliertes Motorrad auf der Fahrbahn, daneben ein durch eine Plane völlig abgedeckter Körper. Wir sind erschüttert. Was für eine Tragödie – sie rückt die Relationen zurecht – wie lächerlich ist dagegen de Tatsache, eine Wanderung abgebrochen zu haben.

 

Ein Kommentar

  1. Hallo Annette, ich habe gerade deinen Bericht gelesen. Es tut mir sehr leid, dass du deine Wanderung abbrechen musstest, auf die du dich so sehr gefreut hast. Es kommt oft andersals wir uns wünschen. So kannst du mit Olaf, deinem Trailangel eure Reise fortsetzen. Ich wünsche euch weiterhin eine tolle Reise und werde weiterhin eure Berichte lesen. Liebe Grüße, Heike

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