Durch den Süden von British Columbia (12. – 23.10.2022, 2.383 km)

Wir können uns einfach noch nicht von den Bergen trennen. Sonniges, warmes Spätsommerwetter lockt uns in einen weiten Bogen nach Osten in die Rocky Mountains, bevor es dann endgültig Richtung Vancouver geht.

Unsere Route durch den Süden von British Columbia (Kartengrundlage: Mile Post)

Yellowhead Highway von Prince Rupert nach Tete Jaune Cache 

Indian Summer am Yellowhead Highway

Anstatt auf dem kürzesten Weg nach Vancouver zu fahren, folgen wir ab Prince Rupert weiter dem Yellowhead Highway nach Osten. Rasch sind die ersten schroffen Berge der Rocky Mountains wieder in Sicht. Am späten Nachmittag starten wir noch eine kleine Wanderung durch den Ancient Forest Provincial Park. Der Rundweg führt uns durch einen uralten Regenwald, eine absolute Seltenheit soweit abseits der Küste. Wirklich gigantische Rotzedern, teilweise 1000 bis 2000 Jahre alt, wurden hier vor den bereits geplanten Holzfällarbeiten gerettet. Staunend bewundern wir die bemoosten Riesen, es sind wahre „Ents“, Wächter des Waldes. Eine geheimnisvolle Atmosphäre herrscht im Dämmerlicht, einfach wunderschön.

Baumriesen im Ancient Forest Provincial Park
Im Ancient Forest Provincial Park

Nur wenige Kilometer weiter übernachten wir auf einem Rastplatz direkt am Highway. Für den Luxus einer geheizten Toilettenanlage mit warmen Wasser müssen wir den Straßenlärm in Kauf nehmen. Alternativen sind nicht in der Nähe, die Zeit der abgeschiedenen, ruhigen Stellplätze scheint vorbei zu sein. 

Schon am späten Vormittag ist dann der Ort McBride im breiten, sonnigen Robson Valley erreicht. Im schön restaurierten Bahnhof gibt es ein wirklich gemütliches Bistro-Café, eine echte Rarität und absolut sehenswert. Die „Beanery“ wird von einem alten Paar geführt und die rustikale Einrichtung ist mit ihnen in die Jahre gekommen. Das Sammelsurium ist eine wahre Augenweide, ebenso die das ganze Jahr installierte Weihnachtsbeleuchtung. Wir fühlen uns wie in Großmutters guter Stube. Die mit Liebe und guten Zutaten homemade zubereiteten Muffins, Suppen und Bratkartoffel-Sandwiches sind gigantisch, preiswert und köstlich. Eine wirkliche Oase in der gastronomischen Wüste und offensichtlich der Treffpunkt des gesamten Dorfes. Interessante Originale sieht man hier. Wir machen unsere Studien. Und natürlich werden wir, wieder einmal, von einem älteren Mann angesprochen, der als Pilot bei der Army lange in Deutschland stationiert war. Er berichtet begeistert von dieser Zeit und beherrscht die Sprache noch immer hervorragend.

Die „Beaneriy“ in McBride

Diese Erfahrungen haben wirklich eine Brücke zwischen Nordamerika und Deutschland gebaut, das wird uns hier immer bewusster. Überhaupt sind die Verbindungen oft enger als wir in Europa meinen. Denn natürlich treffen wir auch häufig Leute, deren Vorfahren aus Deutschland stammen und die uns ihre Familiengeschichte erzählen. Sie freuen sich dann immer, wenn wir ihre Heimatorte kennen. Den Vogel schießt aber ein Mann ab, dessen Urgroßvater vor 120 Jahren aus Birgelen vom Niederrhein nach Kanada kam. Das ist genau das Dorf, aus dem Olafs gesamte Familie stammt, wie unschwer an unserem Nachnamen zu erkennen ist. Die Welt ist klein.

Olaf: Während unseres Aufenthaltes in der Beanery haben wir Zeit, in der App iOverlander nach einem Stellplatz für die nächste Nacht zu suchen. Uns springt gleich die Halfway Viewpoint Recreation Site ins Auge. Sie liegt 500 Höhenmeter oberhalb von McBride und ist über die Rainbow Falls Road erreichbar. Auf den ersten 6,5 Kilometern erweist sich die Rainbow Falls Road als sehr gut passable einspurige Piste mit Steigungen, die selten 10% übersteigen. Der steile Hang ist dicht von Bäumen bedeckt, so dass sich kein Blick auf das Tal ergibt. Mit eingeschaltetem Vierradantrieb tuckern wir gemütlich zur Halfway Viewpoint Recreation Site hinauf. Bei der Recreation Site wird der steile Hang durch eine kleine, ebene Fläche unterbrochen. Die hat man genutzt, um einen Übernachtungsplatz für maximal drei Fahrzeuge anzulegen. Es gibt sogar eine Pit Toilet, einen Picknicktisch mit Bänken und eine Feuerstelle. Sehr schön ist der Ausblick auf das 500 Meter tiefer gelegene McBride mit dem Fraser River und auf die 2500 Meter hohen Berge auf der anderen Seite des Tales.

Übernachtungsplatz Halfway Viewpoint mit toller Aussicht auf das Robson Valley

Aber die Piste geht noch weiter bis auf 1830 Meter hinauf und anschließend über einen Pfad zu einem Forest Fire Lookout auf 2035 Meter. Also lasse ich wieder den Motor an, schalte vorsichtshalber die Untersetzung zu und nach 150 Metern erreichen wir eine Spitzkehre, die ich mit Schwung nehme. Sogleich finden wir uns auf einem völlig veränderten Weg wieder. Eine tiefe Fahrrinne hat sich auf der Talseite gebildet und bringt den Wagen bei einer Steigung von 15 bis 20% gleich in eine sehr unangenehme Schräglage. Buschwerk hat den Weg auf Wagenbreite zugewachsen, es besteht kaum Spielraum, der Fahrrinne zu entgehen und auf ihrem Rand zu fahren. Zumindest habe ich auf Grund meines Schwungs keine Möglichkeit mehr der Rinne zu entgehen. Teilweise liegen dicke Steine in der Fahrspur und bringen eine weitere Herausforderung. Zum Glück bleibt die Rinne im weiteren Verlauf der Piste nicht so tief. Der Weg bringt einen ständigen Wechsel in der Schräglage unseres Yoda, was Annette jedes Mal Entsetzensschreie entlockt, schließlich dürfte der Hang 80 Grad Neigung haben. Ein Kippen des Wagens wäre also katastrophal. Wenden und Umkehren ist bei der schmalen Piste nicht möglich und rückwärts fahren wäre eine absolute Herausforderung. Also fahren wir 1,3 Kilometer im zweiten Gang mit Untersetzung bis zur nächsten Spitzkehre. In der Annahme, dass der Weg in diesem Zustand bleibt, nutzen wir die Kehre zum Wenden und fahren vorsichtig zurück zur Recreation Site. Auf dem Rückweg können wir den Weg schon besser einschätzen und haben uns auch schon ein wenig an die Schräglage gewöhnt. 

Siereicher Rückzug zum Halfway View Point

Das Problem bei diesen Wegen ist immer, nicht zu wissen, was einen erwartet. Gibt es eine Möglichkeit zum Wenden oder muss man sogar eine lange Passage rückwärts zurück? Der Albtraum auf solchen Strecken ohne Ausweichstellen ist immer Gegenverkehr. Zum Glück treffen wir kein anderes Fahrzeug auf der Rainbow Falls Road. Der Abschnitt ab der Recreation Site wurde vermutlich seit Jahren nicht mehr gewartet, Buschwerk erobert sich dann rasch die Fahrbahn zurück und Wasser wäscht die Fahrspuren zu tiefe Rinnen und spült Felsen frei.

Wir werden definitiv in der Recration Site übernachten, auch wenn der Lärm des Highways und vor allem die gellend pfeifenden Güterzüge aus dem Talgrund bis hierhin zu hören sind.

Doch natürlich siegt die Neugier auf den weiteren Verlauf der Piste. Zu Fuß gehen wir nach unserer abgebrochenen Weiterfahrt ab der Recreation Site die restlichen fünf steilen Kilometer über die Piste hinauf. Und tatsächlich war das erste Wegstück bis zu unserem Umkehrpunkt das schwierigste. Hinter einem Parkplatz am oberen Ende der Piste geht es oberhalb der Baumgrenze bei 1.900 Metern noch über einen anfangs irre steilen ATV-Trail 300 weitere Höhenmeter hinauf.  Schnaufend erreichen wir nach zwei Stunden das Ziel. Eine großartige Fernsicht und ein herrlicher Sonnenuntergang belohnen uns. Erst im Dunkeln erreichen wir im Licht unserer Stirnlampe unser Heim. Abends gibt es noch ein wärmendes Lagerfeuer und einen funkelnden Sternenhimmel inklusive Milchstraße. Was für ein toller Tag voller Überraschungen.

Forest Fire Lookout über dem Robson Valley

Den nächsten Tag lassen wir gemütlich angehen. Bei der alten Bahnstation Dunster wechseln wir vom Highway auf eine ungeteerte, alte Straße nach Tete Jaune Cache. Eine wirklich schöne Strecke durch das im Sonnenschein herrliche Robson Valley. Auf dem Schotterbett des Fraser Rivers, dem bekanntesten Lachsfluss Kanadas, wird übernachtet. Doch auch hier hören wir nachts die vorbei fahrenden Güterzüge.

General Store an der alten Bahnstation Dunster
Schöne Piste oberhalb des Fraser River

Mount Robson Provincial Park

Nach einer klaren, kalten Nacht liegt der Fluss frühmorgens im Nebel, eine schöne Stimmung. Dann bricht die Sonne durch und es wird wieder ein goldener Oktobertag mit wolkenlosem Himmel und sagenhaften 18 Grad.

Wir fahren nach Tete Jaune Cache und über den Yellowhead Highway zum Mount Robson Provincial Park. Der mit knapp 4.000 Metern höchste Gipfel der kanadischen Rockys liegt hinter einer Straßenkurve unvermittelt vor uns. Von der Basis bis zur Spitze sind es 3.000 Meter blanker Fels, der in den blauen Himmel ragt, gekrönt von einer weißen Gletscherhaube. Grandios.

Mount Robson – ein wirklich majestätischer Gipfel

Eigentlich hatte ich davon geträumt, den Wanderweg zum Berg Lake, in dem die Gletscher des Mount Robson münden, zu laufen. Diese weltbekannte Tour von zwei bis drei Tagen mit Übernachtung im Zelt soll der schönste Trail in den kanadischen Rockys sein. Die notwendigen Permits sowie Campground-Reservierungen für den Sommer sind daher bei Freigabe der Vergabe im Januar innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Meine Hoffnung war, dass nach Ende der Saison vielleicht noch etwas frei sei oder man zumindest einen Teil der Strecke in einer Tagestour wandern könnte. Bei diesem phantastischen Wetter wäre das unglaublich schön gewesen. Da ist die Enttäuschung groß, als ich erfahre, dass der Trail bis 2023 und der letzte Teil sogar bis 2025 gesperrt ist, weil nach Erdrutschen im letzten Jahr die Wege neu gebaut werden müssen.

Overlander Wasserfall

Ein kleiner Trost ist dann die 5 Kilometer kurze Tour zum Overlander Wasserfall und auf den Overlander Summit Lookout, von dem man einen netten Blick auf den Mount Robson hat. Als Overlander muss man vielleicht einfach auf diesen Hügel hinauf. Der Ausblick vom Visitor Center ist jedoch wesentlich eindrucksvoller, weil man den gesamten Berg frontal vor sich sieht. Allerdings tummeln hier viele Urlauber, auch die üblichen chinesischen Reisegruppen haben noch Saison. Die Nähe zur Touristen-Rennstrecke zwischen Banff und Jasper macht sich bemerkbar. Außerdem hört man hier dauernd den Lärm des direkt daneben vorbeiführenden, stark befahrenen Highways im Ohr, was den Natureindruck doch stark beeinträchtigt. Es ist ungefähr so, als wenn die Zugspitze an einer Autobahnraststätte liegen würde. Wir sehnen uns nach der Einsamkeit des Nordens.

Von Valemont zum Crystal Lake

Nach dem Besuch zweier Wasserfälle in der Nähe des Mount Robson fahren wir zurück nach Tete Jaune Cache und über den New Yellowhead Highway #5 noch einige Kilometer bis zum Urlaubsort Valemount. Kurz nach Valemount erreichen wir über eine Schotterstraße den schmalen, von hohen Bergen gesäumten Kinbasket Lake. Im Sommer sind die schönen Stellplätze am Seeufer heiß begehrt. Jetzt gibt es weder Mücken noch Touristen hier und die Ruhe ist unglaublich wohltuend, welch ein Glück.

Stellplatz am Kinbasket Lake – British Columbia aus dem Bilderbuch

Das tolle Wetter mit wolkenlosem Himmel bleibt uns die nächsten Tage erhalten. Es ist unglaublich, normalerweise ist es um diese Jahreszeit hier in den Bergen schon winterlich kühl, nun klettern die Temperaturen sogar über 20 Grad. Eigentlich das perfekte Wanderwetter für die Berge, dass wir aber sehr zu meinem Leidwesen überwiegend im Auto verbringen. Aber irgendwie müssen wir ja nach Seattle kommen.

Die Finn-Creek Pit-Road bringt uns in einsame Täler …

So langsam langweilt uns das Fahren auf den Highways. Wir biegen daher auf die Finn-Creek-Pit-Road ab. Die gute Forststraße soll uns nach 30 Kilometern in den Upper Adams River Provincial Park bringen. Laut Webseite der Forstverwaltung ist die Straße seit März 2021 gesperrt, aber wir vermuten, dass die Meldung veraltet ist, da am Abzweig vom Highway kein diesbezüglicher Hinweis steht. Es macht viel Spaß, auf dieser autofreien Schotterstraße durch die einfach wunderbare Berglandschaft zu fahren. Doch nach 25 Kilometern stehen wir dann tatsächlich vor der Straßensperrung. Die Flutschäden der Unwetter vor 1,5 Jahren sind noch immer nicht repariert. Also machen wir uns etwas frustriert wieder auf den Rückweg, bleiben aber noch eine Nacht in der wohltuenden Einsamkeit.

… aber leider nicht bis zum Upper Adams River Provincial Park

Der Highway #5 ist anderntags rasch erreicht. Durch das sehr schöne Northern Thompson River Valley rollen wir bergab bis Clearwater. Der größere Ort besitzt alle Einkaufsmöglichkeiten, auch einen Baumarkt. Da muss Olaf natürlich hin und eine Spezial-Spritze zum Fetten kaufen. So kommt er auch an die versteckten Stellen von Yodas Fahrgestell und endlich ist unser Master perfekt geschmiert.

Die hohen Berge haben wir nun leider hinter uns gelassen und biegen auf den schmaleren und weniger befahrenen Highway 24 ab, der uns in eine sanft hügelige Landschaft mit vielen Seen bringt. Noch 5 Kilometer über eine Gravel Road, dann erreichen wir pünktlich zum Tee einen einsamen Campground am Crystal Lake, der neben einem Plumpsklo herrliche Stellplätze mit Picknicktischen und Feuerstellen am Ufer bietet. Diese Recreation Areas findet man überall in British Columbia. Sehr häufig sind sie nur über Schotterstraßen zu erreichen und kostenfrei, für Reisende ein absoluter Luxus. Wieder sind wir die einzigen Gäste.

Am Crystal Lake

Über die Caribou Wagon Road

Die geschotterte North Bonaparte Road führt uns entlang einiger Seen durch ein großes Waldbrandgebiet, dann durch lichten Kiefernwald, dazwischen immer wieder eine Ranch und Rinderweiden. Das Gras ist von der Sommerhitze gelb verdorrt, eine richtige Prärie.

Ranch an der North Bonaparte Road
Stopp auf der North Bonaparte Road

Bei 70 Mile House erreichen wir den Caribou Highway 97. Der Ursprung des kleinen Ortes war ein Rasthaus, in dem Reisende übernachten und sich mit Proviant versorgen konnten, 70 Meilen ab Beginn der Straße in Lillooet. Ungefähr in Tagesetappen wurden zur Zeit der Besiedlung Roadhouses an den Straßen errichtet. Wir bleiben nur bis Clinton auf dem langweiligen, breiten Highway, dann biegen wir zum Kelly Lake ab, der am Rand der steilen, hohen Caribou Mountains liegt. Wie ein Fjord zieht sich der glasklare See in das enge Tal hinein, am Rand ist gerade noch Platz für die schmale Schotterstraße. Danach geht es mit 14 % Steigung durch Wald aufwärts und nach der Passhöhe auf 1500 Metern fast ebenso steil wieder hinunter. Diese alte Route wird auch Caribou Wagon Road genannt. Man kann sich gut vorstellen, welche Anstrengung die Wagenkolonnen der Siedler hier bewältigen mussten.

Die Sonne verschwindet nun vollständig im Dunst, von den großartigen Caribou Mountains können wir bestenfalls die Silhouette erahnen. Doch es ist kein herbstlicher Nebel, sondern der Rauch zahlreicher Waldbrände im Süden. Auch die Luft riecht danach. In vielen steilen Spitzkehren fällt die Piste hinab zum Highway Sea to Sky 99, eine abenteuerliche Strecke und ganz nach unserem Geschmack. Aber auch der Highway entlang des Fraser River ist einfach großartig. Tief hat der Fluss einen Canyon in das weiche Gestein gegraben. Zum Wild-West-Eindruck passt der krasse Wechsel der Vegetation. Statt Wald und Grasland wächst nur noch dorniges Salbeigestrüpp. In dieser regenarmen Region werden im Sommer durchschnittlich mehr als 30 Grad erreicht, ein echtes Steppenklima.

Fraser River Canyon vor Lillooet im Dunst der Waldbrände

Mit irrem Gefälle geht es terrassenförmige Stufen in den Canyon hinab nach Lillooet. Vor 150 Jahren war Lillooet als Goldgräberstadt die größte Siedlung nördlich von San Franzisco. Jetzt ist Lillooet ein netter kleiner Ort mit einer sehr guten Bäckerei. Den gigantischen Blueberrybuns können wir nicht widerstehen, sie ersetzen locker auch das Abendessen. Auch Lillooet liegt unter einer dickten Rauchglocke, die Sonne ist nur als trübe Scheibe zu erkennen. Eine gespenstische Stimmung. 

Auch in Lillooet hängt der Rauch der Waldbrände

Vom Gold Canyon nach Pemberton

Wieder verlassen wir den Highway und biegen direkt hinter Lillooet auf eine Straße nach Gold Bridge ab. Eine absolut spektakuläre geteerte Strecke hoch über dem Canyon des Bridge River, entlang steil abfallender Fels- und Schotterhänge. Nur dort, wo öfters Erdrutsche abgehen, und das sind viele Stellen, fahren wir auf Gravelbelag. Rechts die Steilhänge, links der Abgrund, dazwischen die enge kurvige Straße mit steilem Auf und Ab. Nichts für schwache Nerven, aber toll. Unser Übernachtungsplatz liegt an einem Aussichtspunkt direkt an der Abbruchkante des Canyons. Etwas sehr exponiert, aber das fällt uns erst an nächsten Morgen auf.

Die Straße verläuft direkt oberhalb der Abbruchkante des Bridge River Canyon
Stellplatz mit toller Aussicht, aber eingeschränkter Statik

Anschließend geht es in steilen Serpentinen hinunter zum Fluss und durch die Schlucht zu einem Damm, der an der engsten Stelle den Fluss zu einem See aufgestaut ist. Am Ende des langen Sees liegt Gold Bridge, eine Ansammlung weniger Häuser mit Grocery Store und einem Hotel.

Bridge River Lake
Downtown Gold Bridge

Wir folgen nun der Hurley River Service Forest Road, die steil hinauf in die Berge führt, durch ein Hochtal und nach rund 2,5 Stunden bzw. 50 Kilometern ebenso steil wieder bergab vor Pemberton Meadows in die Lillooet Forest Service Road mündet. Die Forststraßen sind in einem fürchterlichen Zustand mit vielen groben Steinen und endlosen Waschbrett-Gerüttel. Teilweise glauben wir, das Auto zerlegt sich in seine Bestandteile. Von den Bergen sehen wir zu selten etwas, zu dicht ist der Wald. Insgesamt lohnt sich daher die Strecke ab Gold Bridge nicht. Hinter Pemberton sind es noch 30 Minuten Fahrt zum schmalen Lillooet Lake, wo wir wieder in einer Recreation Area übernachten.

Hurley River Service Forest Road

Wanderung zu den Joffrey Lakes

Für uns tickt nun wirklich der Countdown. In einer Woche sitzen wir schon im Flugzeug, unvorstellbar. Da müssen wir unbedingt noch wenigstens eine Bergwanderung als Abschiedstour einschieben.

Lillooet Lake – unser Basecamp für zwei Nächte

Obwohl der Himmel ausnahmsweise bewölkt ist, machen wir uns zu den 20 Kilometer östlich von Pemberton gelegenen Joffrey-Lakes auf. Der Wanderweg ist sehr beliebt, daher wird neuerdings die Anzahl der Wanderer pro Tag reguliert. Man braucht seit diesem Jahr einen Daypass, den man bis zu zwei Tagen vorher per Internet kostenlos bekommt – sofern noch Permits verfügbar sind. Am Parkplatz muss man die Erlaubnis dann bei einem Ranger vorzeigen, um überhaupt den Wanderweg betreten zu dürfen. Dieses Verfahren gilt inzwischen für zahlreiche populäre Wanderwege in British Columbia, Gott sei Dank aber nur bis Ende September.

Wir dürfen uns also ohne Bürokratie auf den nur knapp 8 Kilometer langen Weg machen. Die Attraktion der Wanderung sind drei herrliche Bergseen, die eine türkisgrüne Farbe haben. Der erste See ist bereits nach 400 Metern erreicht. Von hier bietet sich auch der beste Blick auf den Gletscher, der die Seen speist. Durch sehr schönen, mit langen Bartflechten behangenen Nadelwald wandern wir nun rund 500 Höhenmeter bergauf und stehen nach 45 Minuten schon am zweiten und schönsten See. Sogar ohne Sonnenschein leuchtet das Wasser so intensiv, als hätte man etliche Eimer Farbe hinein gekippt.

Middle Joffrey-Lake
Upper Joffrey-Lake

Der wunderschöne Blick hat in den sozialen Medien Karriere gemacht. Und so tummeln sich hier jede Menge Teenies, die eifrig Selfies posten. Natürlich sind auch mal wieder Chinesen in größeren Gruppen dabei. Uns ist das schon jetzt zu viel, im Sommer wird das bestimmt unerträglich. Auch der dritte See hoch oben am Gletscher, den man nach weiteren 20 Minuten bergauf erreicht, ist wunderbar. Doch hierhin schaffen es nicht mehr alle Fotosüchtigen und man hat seine Ruhe. Eine sehr schöne Tour und die Bewegung hat unglaublich gut getan.

Whistler

Wir hatten wirklich Glück mit unserer Wanderung, denn am nächsten Tag hängen die Berge in den Wolken. Es ist kühl und nieselt. Am Nachmittag sind wir in Whistler, ein bekanntes Ferienressort und vor allem Wintersportort. Hier fanden 2010 während der Olympiade in Vancouver die alpinen Skiwettbewerbe statt. Entsprechend sind die Berge ringsum mit Skipisten verschandelt. Die Gestaltung des autofreien Ortszentrums ist vor allem durch die vielen, jetzt wunderbar bunten Ahornbäume ansprechend, aber steril-künstlich und ohne Atmosphäre. Überwiegend tummeln sich hier wohlhabende Touristen aus den arabischen Ländern, Pakistan und China, die in den teuren Modeläden und Juweliergeschäften einkaufen oder für Selfies posieren. Wir fühlen uns unter den perfekt gestylten Passanten ziemlich fehl am Platz.

Touristenressort Whistler, nicht unser Geschmack

Vancouver

Nach einer Nacht auf einem Waldparkplatz bringt uns der Highway Sea to Sky 99 rasch aus den Bergen ans Meer. Squamish liegt am Ende eines langen Fjordes, an dessen steilen Ufer sich die Straße entlang windet. Teilweise wird sie über Brücken am Steilhang geführt. Eine wirklich sehr schöne, spektakuläre Strecke. Das Umfeld wird städtischer, wir sehen viele teure Autos auf den Straßen. An den Berghängen mit Meerblick liegen wunderschöne Villen. Die Sunshine Coast ist die Nobelgegend im Ballungsraum von Vancouver.

Gegen Mittag sind wir schon in der Innenstadt von Vancouver. Die Lage der Stadt zwischen Meer, der Inselwelt von Vancouver Island und den über 1000 Meter hohen Bergen ist unschlagbar. Hier ist einfach jede beliebige Outdoorsportart direkt vor der Haustür möglich. Aber auch die Stadt selbst ist sehr grün. Jede Straße ist gesäumt von prächtigen Bäumen, vor allen der Ahorn leuchtet nun herrlich in orange und rot.

Totem Poles im Stanley Park von Vancouver

Den Nachmittag verbringen wir sehr entspannt im Stanley Park, der auf einer Halbinsel direkt an die Innenstadt grenzt. Von hier haben wir einen Bilderbuchblick auf die eindrucksvolle Hochhaus-Skyline. Im ehemaligen Kohlehafen ist ein luxuriöses Wohnviertel mit futuristischen Hochhäusern entstanden, deren Glasfassaden je nach Tageslicht in unterschiedlichen Farben schillern. In den Sporthäfen vor der autofreien, parkähnlichen Uferpromenade liegen teure Motoryachten. Es gibt schöne Lokale und Geschäfte, die Fußwege sind breit und überall werden die guten Radwege gerne genutzt. Endlich eine amerikanische Stadt, die zum Bummeln und Verweilen einlädt.

Schöner Wohnen am ehemaligen Kohlehafen
Einkaufsstraße in Downtown Vancouver
Dampf-Uhr in Gastown

Den gesamten nächsten Tag verbringen wir in der Innenstadt. Chinatown mit vielen kleinen asiatischen Läden und Lokalen ist ein weiterer Anziehungspunkt. Heute am Sonntag sind die meisten Geschäfte geschlossen, das Viertel wirkt daher recht öde. Die zahlreichen asiatischen Einwohner der Stadt, ungefähr ein Drittel der Bevölkerung, leben sowieso woanders. Direkt nebenan liegt das älteste Stadtviertel, Gastown. Es wurde für Touristen nostalgisch aufgehübscht und ist trotz der Andenkenläden sehenswert. Vor allem eine dampfbetriebene Uhr, die zu jeder vollen Stunde den Glockenschlag von Big Ben pfeift, ist eine Attraktion.

Die Stadt hat eine sagenhafte Lebensqualität für diejenigen, die sich das leisten können, denn das Leben hier ist sehr teuer. Auch die an der lauten Stadtautobahn liegenden Campingplätze verlangen Luxuspreise von ca. 70 Dollar pro Nacht. Im öffentlichen Raum ist das Übernachten verboten. So stellen wir uns auf einen privaten Parkplatz, der sehr zentral zwischen Innenstadt und Stanley Park am Meer liegt und „nur“ 44 Dollar für 24 Stunden kostet.

Doch es gibt noch ein anderes Gesicht dieser sehr schönen Stadt. In der Nähe des Hafens entdecken wir aus der Ferne eine ganze Zeltstadt, in der Obdachlose leben. Und nur ein paar Minuten von den Glitzerfassaden und Nobelgeschäften entfernt, in der Gegend um die East Hasting Street – östlich von Chinatown – wohnen unzählige Menschen auf der Straße. Im Reiseführer wird dieses Viertel diskret als „Problemgebiet“ beschrieben, dass man besser meiden sollte. Über den gesamten Straßenzug stehen Zelte und Verschläge dicht an dicht auf dem Fußweg, umgeben von Abfallbergen. Rauschgift wird direkt daneben konsumiert, manche Obdachlose liegen apathisch auf dem Boden oder torkeln umher, aber niemand ist aggressiv oder belästigt uns. Es versteht sich von selbst, aus Respekt von den Menschen nicht zu fotografieren. Wir bahnen uns unseren Weg durch dieses entsetzliche Elend und sind einfach fassungslos.

Herbe Kontraste – Zeltstadt der Obdachlosen am Hafen
Luxus-Wohnviertel mit Promenade und Wasserflughafen

Abends fahren wir nach Süden bis zum Fraser River, wo wir in einer Sackgasse bei einem Bürogebiet relativ ruhig unsere letzte Nacht in Kanada verbringen.

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