Von Escalante nach Tropic beim Bryce Canyon sind es nur 60 Kilometer, die rasch gegen Abend zurück gelegt sind. Von unserem Übernachtungsplatz oberhalb des winzigen Ortes haben wir bereits einen wunderschönen Blick auf die Felstürme des Bryce Canyon Nationalparks, das Ziel für den nächsten Tag.
Am folgenden Vormittag sind wir allerdings zunächst intensiv damit beschäftigt, sehr kurzfristig einen Heimflug für uns und einen Storage für Yoda in Las Vegas zu buchen. Olafs Mutter ist erkrankt, genaueres kann man wahrscheinlich nur vor Ort klären. So werden wir bereits nächste Woche unsere USA-Reise beenden, rund einen Monat eher als geplant. Momentan können wir es uns noch überhaupt nicht vorstellen, dass wir so rasch unser freies Reiseleben wieder gegen den normalen Alltag eintauschen müssen.
Wie erwartet, ist im Bryce Nationalpark ein ganz schöner Rummel. Der fängt schon vor dem Parkeingang an. Dort ist nämlich 2007 ein Retorten-„Dorf“ mit Hotels, RV-Park, Lokalen und vielen Andenkenläden errichtet worden, mit kirmesähnlichen Disneyland-Charme. Auch im Park herrscht reger Autoverkehr, trotz kostenlosem Shuttlebus.
Vom überfüllten Parkplatz sind es nur wenige Schritte bis zu den Aussichtspunkten Sunrise und Sunset Point, die durch einen geteerten Rim Trail verbunden werden. Wie erwartet, drängen sich dort die Massen. Auch auf dem steil von der Abbruchkante in das Felslabyrinth hinab führenden Navajotrail sind noch viele Besucher unterwegs. Auf dem anstrengenden Peek a Boo Loop, der uns hoch und runter zwischen die bizarren Felstürme und Canyons führt, sehen wir dann kaum andere Wanderer. Dabei gibt es gerade hier so viele Felsskulpturen zu bestaunen.
Über den Queens Garden Trail erreichen wir nach 10 Kilometern und 900 Höhemetern wieder den Sunrise Point, wo unser Yoda auf uns wartet. Eine wunderbare Tour.
Vor 28 Jahren waren wir schon einmal am Bryce Canyon und unsere damals 5 und 3 Jahre alten Kinder waren felsenfest überzeugt, dass hier das Schloss der Feenkönigin sein muss. Bei unserer Wanderung heute denke ich daran zurück und muss sagen – die Kinder hatten recht. So phantastisch sind die wie von einem Zuckerbäcker geformten rosarot-weißen Figuren, das muss ein mystischer Ort sein.
Am Abend stehen wir zum Übernachten auf dem gleichen Stellplatz wie am Vortag. Ich nutze noch einmal die Gelegenheit zum Cowboy Camping. Hier gibt es keine künstlichen Lichtquellen, der Himmel ist übersät mit Sternen und nach Mitternacht kann ich die Milchstraße wunderbar erkennen. Was für eine Pracht. Nur wenige Meilen von unserem Stellplatz entfernt zweigt die Skutunpah Road ab. Die Piste verläuft von Norden nach Süden durch das gesamte GSENM und verbindet den kleinen Ort Cannonville im Norden mit Kanab im Süden. Unser Ziel an der Skutunpah Road ist der nur 11 Meilen entfernte Willis Creek.
Der Willis Creek fließt für ca. 3,5 Kilometer durch einen Slot Canyon, der sehr einfach zu begehen ist. Mittlerweile sind wir ja sehr verwöhnt, so dass wir die mehrere Meter breite Schlucht zwar ganz hübsch, aber nicht besonders spannend finden. Allerdings macht es Spaß, durch den warmen Bach zu platschen. Olaf hat dagegen den Ehrgeiz, dass seine Schuhe trocken bleiben und hüpft bei den häufigen Furten von Stein zu Stein. Den Nachmittag verbummeln wir faul an einem neuen Stellplatz hoch über dem Tal mit schönem Blick auf die bunten Felsabbrüche des Paunsagunt Plateaus, zu dem auch der Bryce Canyon gehört. Erstmals werden wir abends von Mücken belästigt, ein guter Grund für ein zünftiges Lagerfeuer.
Am nächsten Tag steht der Kodachrome Basin State Park auf dem Programm, der nur einen Katzensprung von unserem Stellplatz entfernt ist. Natürlich sind auch hier wieder Felsformationen die Attraktion. Aber auch die vielen Blumen, die aus dem Wüstenboden sprießen, sind wunderschön. Weil die kaminartigen roten Türme zwischen den grünen Junipersträuchern vor dem Hintergrund des weißen Plateauabbruchs und dem meist tiefblauen Himmel so tolle Farbkontraste bilden, hat man dem Talkessel nach dem ersten Hersteller der Farbfilme benannt. So pragmatisch sind nur Amerikaner.
Den ganzen Vormittag wandern wir durch das Gelände. Es ist wirklich schön, aber wir haben schon zu viele spektakuläre Felsen bewundert, so dass die ganz große Begeisterung ausbleibt. Im State Park nutzen wir die sehr gute und preiswerte Laundry. Das wahre Highlight des Tages sind aber die phantastischen, supermodernen Duschen des Campingplatzes, die man auch als Nicht-Camper für nur einen Dollar nutzen darf. Ewig stehen wir unter dem herrlichen warmen Wasserstrahl, denn immerhin sind seit der letzten richtigen Dusche wahrhaftig 3 Wochen vergangen. Nachmittags fahren wir wieder zum Übernachten zu einem einsamen Platz mit Blick auf das Kodachrome Basin, tausendfach besser als jeder Campingplatz. Es sind auch diese Kleinigkeiten, die ich an unserem freien Leben so liebe, z.B. ein schöner Ausblick, beim Zähneputzen den Sonnenuntergang zu bewundern, vom Schlafsack aus die Sterne zu zählen oder nachts die Coyoten heulen zu hören. All dies ist unbezahlbarer Luxus.
Die Red Rock Cliffs sind unser letztes Ziel an der Scenic Route 12. Noch einmal können wir auf zwei kurzen Spaziergängen die verrückten Felsfiguren und die hier besonders intensive, fast schon kitschige, rote Färbung des Sandsteins bewundern.
Danach fahren wir über den Highway 89 entlang des Sevier Rivers. Statt Wüste und Felsen präsentiert sich das Tal in sattem Grün mit saftigen Weiden, der Fluss führt Hochwasser durch die Schneeschmelze in den Bergen. Ein ganz ungewohntes Bild für uns.
Wegen unserer vorzeitigen Abreise können wir den Zion Nationalpark leider nur durchfahren, anstatt die Canyons durch Wanderungen zu entdecken. Was für eine gigantische Bergwelt, einfach grandios.
Doch auch hier herrscht einfach viel zu viel Autoverkehr. Die Strecke in den Zion Canyon ist nur noch mit Shuttlebussen zu befahren, auf der Durchfahrtstraße bewegt sich ein kontinuierlicher Fahrzeugstrom. Die Parklätze sind überfüllt. Springdale als der nächster Ort jenseits der Parkgrenze besteht überwiegend aus unzähligen Hotels und Lokalen. Und noch immer wird gebaut und gebaut. In den letzten 10 Jahren haben sich die ohnehin hohen Besucherzahlen der Nationalparks in den USA verdreifacht. Nein, es ist kein Vergnügen mehr, diese Hotspots zu besuchen.
Einige Meilen hinter Springdale biegen wir ins Kolob Valley ab. Unser heutiger Übernachtungsplatz liegt am Rand des Tales zwischen steilen Sandsteinhügeln, wo sich abends wagemutige Mountainbiker die Single Trails runterstürzen. Klar, es ist Wochenende und die nächste Stadt, St. George, ist nur 30 Minuten entfernt.
Dorthin fahren wir am nächsten Morgen zum Einkaufen und hängen bis nachmittags in einem Park unter schattigen Bäumen ab. Hier in der Ebene ist es mit 36 Grad Celsius einfach viel zu heiß, um sich zu bewegen. Dann noch 3,5 Stunden Fahrzeit durch die Wüste über die endlos langweilige Interstate, dabei wechseln wir von Utah nach Arizona und dann nach Nevada. Schließlich geht es auf den Highway zum Lake Mead, bis wir, müde von der eintönigen Fahrt und der Hitze, an der Government Wash Cove oberhalb des Stausees unseren letzten Übernachtungsplatz in freier Wildbahn ansteuern. Der Platz ist auch sehr beliebt bei Wochenendausflüglern, die abends mit ihren Pkw unbedingt die steile Schotterpiste zum See runter müssen. Da gibt es für uns viel zu schauen. Vor allem, wenn versucht wird, den steilen Berg wieder hoch zu fahren. Ein Autofahrer braucht sagenhafte 3 Stunden und unzählige Versuche für den Rückweg. Immer wieder rutscht er rückwärts den Schotterweg runter und fährt sich erneut fest. Irgendwann spät in der Nacht gelingt die Bergung doch noch aus eigener Kraft.
Zum Abschied von unserer Tour durch die USA bekommen wir noch einen Sonnenuntergang vom Feinsten geschenkt, der die Berge am Lake Mead in sanftes, violettes Licht taucht. Danach geht der Vollmond orangerot auf, er verzaubert den See in einen silbern glänzenden Spiegel. Lange sitzen wir in der warmen Nachtluft draußen und lassen die letzten drei Monate Revue passieren. Es war eine wunderbare Zeit und viel zu schnell vorbei. Wie gerne würden wir noch weiter reisen.
Rasch ist dann am Sonntag Las Vegas erreicht. Nachdem wir uns wochenlang in fast unbesiedelten Gebieten aufgehalten haben, in denen eine Grocery und eine Tankstelle schon der Nabel der Zivilisation darstellen, ist der Ballungsraum Las Vegas wieder einmal ein echter Kulturschock. Der Tag vergeht mit dem Kauf von Reisemitbringseln für die Familie in einem tiefgekühlten Outlet Center, der Reinigung von Yoda in einem Selfwash, die er sich nach 3 Monaten und vielen staubigen Pisten redlich verdient hat und dem Besuch einer Laundry. Danach sitzen wir wieder schwitzend in einem Park, um auf die kühleren Abendstunden zu warten. Ach, wären wir doch nur etwas länger in den Bergen geblieben, statt hier zu schmoren.
Wieder übernachten wir auf dem Parkplatz des Desert Breeze Park, der durch Flutlicht taghell beleuchtet ist. Nachts sind es immerhin noch 26 Grad. Im Park ist an diesem Sonntagabend mordsmäßig viel los. Es wird gegrillt, gefeiert und der Rap bringt die Lautsprecher an ihre Leistungsgrenze. Doch entsprechend den Parkvorschriften, die natürlich ordentlich an jedem Zugang hängen, packen alle um 22.00 Uhr brav ihre Sachen ein. Morgen geht es wieder zur Arbeit.
Auch wir sind am Montag fleißig, stehen schon um 6.30 Uhr auf und packen unsere Rucksäcke. So sind wir fertig, ehe die Hitze zu heftig wird – 38 Grad Celsius sind angesagt – und haben dann noch ganz viel Zeit. Gegen Mittag fallen wir in einen Supermarkt und kaufen uns eine gigantische Portion Eiscreme, das allerbeste bei dieser Hitze und sind danach pappsatt bis zum Abend. In Henderson geben wir Yoda beim Best Storage ab. Der Stellplatz kostet 165 Dollar pro Monat. Zum Schutz gegen die Sonne decken wir die Reifen und Kanister mit Plastikfolie ab.
Dann schultern wir unsere Rucksäcke und ziehen los. Es ist absurd, schließlich ist es “nur” ein Auto, aber es tut schon ein wenig weh unseren Master, der uns treu in den letzten Monaten über alle Wege getragen hat und unser Zuhause war, zu verlassen. Ingesamt waren wir auf dieser Tour 95 Tage im Westen der USA unterwegs. Dabei haben wir die Bundesstaaten Washington, Oregon, Kalifornien, Nevada, Arizona und Utah bereist und dabei 10.877 Kilometer zurück gelegt.
Per Uber kommen wir rasch und preiswert ins Zentrum zum Oyo Hotel, das fast direkt am Strip liegt. Das Zimmer erscheint uns riesig und jeder von uns hat ein Bett, das größer ist als der gesamte Innenraum von Yoda. Weniger attraktiv ist der Blick aus dem Fenster auf die Flachdächer der Hotelanlage auf denen die Klimaanlagen pausenlos mit der Lautstärke eines Düsenjettriebwerks dröhnen.
Trotzdem schlafen wir irgendwann ein. Morgens um kurz nach sieben geht es mit Uber zum Flughafen und auf den langen Weg nach Deutschland. Mit Umsteigen und langer Wartezeit in Portland sind wir 26 Stunden unterwegs, bis wir endlich zu Hause sind. Entsprechend müde kommen wir an, denn in der vollbesetzten Maschine war an Schlaf nicht zu denken.