Wanderung auf der Bärenrunde

Tipp: Einen ausführlichen Wanderführer zur Bärenrunde mit allen praktischen Infos (u.a. GPS-Track, Etappenbeschreibung, Übernachtung, Verpflegung, Anreise) findet ihr im Touren-Wegweiser https://touren-wegweiser.de/Wanderungen-Finnland/Baerenrunde-1.html

So wie Sauna und Salmiakis gehört die Bärenrunde zur Identität der naturverbundenen Finnen. Es ist DER Fernwanderweg Finnlands und führt von Nord nach Süd durch den Oulanka-Nationalpark in Nordkarelien entlang der russisch- finnischen Grenze.

Der allergrößte Teil des Nationalparks ist wirklich totale Wildnis aus undurchdringlichen Wäldern und riesigen Mooren, ohne jegliche Pfade.  Die 82 Kilometer lange Bärenrunde gewährt auf sehr komfortable Weise einen Einblick in diese unberührte Natur. Der Weg ist hervorragend ausgebaut. Es gibt in regelmäßigen Abständen kostenlose Blockhütten und Zeltplätze mit Plumpsklo und Feuerstellen. Nur hier darf man übernachten. Sämtliche Flüsse werden über Hängebrücken gequert und jeder Bach und wirklich die allerkleinste Moraststelle ist mit perfekten Holzplanken trockenen Fußes zu bewältigen. Die perfekte Beschilderung macht ein Verlaufen schlicht unmöglich.

Perfekte Wegweisung an jedem Kilometer incl. der Geo-Koordinaten

Also ein wirklich sehr einfacher Weg, Outdoor-Light, und keineswegs das ultimative Wildnisabenteuer für kernige Survivalspezialisten, mit dem gerne touristisch geworben wird. Auch schon die Bezeichnung Bärenrunde ist eine echte Mogelpackung. Denn die in diesem Gebiet tatsächlich lebenden Braunbären meiden den viel begangenen Trail und ein Rundweg ist es auch nicht. Der Name stammt vielmehr von den kreisförmigen Spuren, die die Bären um ihre Winterhöhle hinterlassen und ein untrügliches Zeichen für die Bärenjäger waren.

Trotzdem lassen wir es uns natürlich nicht nehmen, diesen legendären Weg zu laufen und so die unendlichen Wälder Finnisch-Lapplands hautnah kennenzulernen. Schließlich ist der September die Wandersaison der Finnen, denn dann sind die Touristen und die Mücken weg. Wir starten am 9.9 zu zweit mit Zelt und Rucksack.

Tag 1: Von Hautajärvi nach Taivalköngäs

Kurz vor 10.00 Uhr geht es voller Elan am Besucherzentrum Hautajärvi auf die 19 Kilometer lange erste Etappe. Nach einer frostigen Nacht erwartet uns ein warmer Spätsommertag wie aus dem Bilderbuch.

Der sehr bequeme Waldweg führt die ersten Kilometer auf ebener Strecke über große Moore. Goldgelb und rot leuchtet das Sumpfgras, undurchdringlich schwarz sind die Wasserlöcher und Moorseen. Nicht das kleinste Geräusch ist zu hören, eine stille und fast melancholische Stimmung. Ohne die breiten Holzplanken wären diese Gebiete unpassierbar. Weiter geht es durch lichten Wald mit schlanken Birken, deren messingfarbenes Laub in der Sonne flirrt, und dunklen Kiefern. Der Boden ist kniehoch mit rot-grünen Blaubeerpolstern und lila Heide bedeckt. Die erste Hängebrücke ist zu meistern. Sie führt uns über den Savinajoki und ist so gut gesichert, dass man kaum ins Schwanken gerät.

Moore werden mit Holzplanken überbrückt
Über die Flüsse führen uns Hängebrücken
Blick auf den Oulanka von unserer Zeltstelle

Später wird der Weg mühsamer mit vielen Wurzeln und Steinen, dazwischen aber immer wieder Passagen, die mit Split fast wie ein Parkweg ausgebaut sind. Zur Abwechslung sind am Nachmittag dann ein paar Moränenhügel zu queren. Genau wie bei den Autostraßen geht es auch auf dem Wanderweg in direkter Linie steil rauf und runter. Allerdings hat man hier in die felsigen Abhänge lange Holztreppen wie eine Himmelsleiter gebaut.

Gegen Mittag sind wir am der Hütte Savilampi, ein uriges Blockhaus, etwas düster gelegen am Ausgang der Oulankaschlucht. Haben wir unterwegs keine Menschenseele getroffen, sammeln sich hier sämtliche Wanderer zum Essen. Das mit großer Leidenschaft gepflegte Grillen am Lagerfeuer und gesellige Beisammensein scheint uns manchmal bei den Finnen der wahre Grund fürs Wandern zu sein. Daher sind hier auch alle mit wahrhaft gigantischen Rucksäcken voller Leckereien unterwegs.

Nun geht es steil empor zum Hochufer des Oulanka, dessen dunkles Wasser unter uns sehr breit und ruhig fließt. Waldpassagen wechseln mit schönen Ausblicken ab und es macht einfach Spaß bei diesem Traumwetter zu wandern. Schon gegen 16.00 Uhr kommen wir an unserem Tagesziel, der Übernachtungshütte Taivalköngäss, an. Viele steile Stufen führen zu der Hütte hinab, die sehr malerisch unmittelbar an den Stromschnellen des Flusses liegt. Innen gibt es Holztische, einen Ofen und mehrere Holzplattformen für das Matratzenlager. Oberhalb der Hütte liegen wunderbare, sonnige Biwakstellen mit herrlichem Panoramablick über das Tal. Ein Adler zieht im Aufwind seine Kreise. Hier schlagen wir unser Zelt auf, kochen Tee und genießen den Tagesausklang in der Sonne.

Unser erster Biwakplatz
Die Wanderhütte Taivalköngäss
Taivalköngäss – hier kann der müde Wanderer schlafen

Tag 2: Von Taivalköngäss nach Jussinkämppä

Die Nacht war frostig, aber der wolkenlose blaue Morgenhimmel verspricht wieder einen warmen Tag. Leider muss Olaf die Tour hier abbrechen. Seine Füße schmerzen und er will sich nicht, wie schon so oft auf Rucksacktouren, wieder eine Sehnenentzündung einhandeln. Also wird er heute wieder zurück nach Hautajärvi gehen, während ich alleine weiter wandere.

Die Hängebrücke der Taivalköngäss führt spektakulär direkt über die Stromschnellen. Der Weg verläuft wieder auf dem Hochufer, ist sehr leicht und bequem zu laufen. Es geht immer am Oulanka entlang, der mal breit wie ein See ist, dann wieder über Stromschnellen dahinfließt.

Hängebrücke über die Stromschnellen am Taivalköngäss
Lichter Kiefernwald
Am Oulankafluss

Nach zwei Stunden ist schon das zentrale Besucherzentrum des Nationalparks Oulanka erreicht. Zufälligerweise fast zur Mittagszeit, so dass ich guten Gewissens den Kaffee und Kuchen im Selbstbedienungslokal genießen kann. Auf dem Wanderweg zu den berühmten Stromschnellen Kiutaköngäs ist reger Betrieb, hier sind viele Tagesspaziergänger unterwegs.

Stromschnellen Kiutaköngäs

Direkt danach bin ich wieder alleine auf dem Weg und genieße die Ruhe. Nur an den Übernachtungshütten und Biwakplätzen treffe ich unterwegs Wanderer, natürlich beim Grillen am Lagerfeuer.

Der Pfad verläuft nun überwiegend unmittelbar an der Abbruchkante des Steilufers mit großartiger Aussicht auf den mäandrierenden Fluss tief unter mir. Wie aus dem Lehrbuch präsentiert sich hier ein natürlicher Flusslauf mit unzähligen Windungen, sandigen Stränden, Seitenarmen, Prell- und Gleithang. Ich genieße jeden Meter dieses abwechslungsreichen Weges.

Sehr schön geht es dann am späten Nachmittag auf einen Höhenzug hinauf. Die lichten Kiefern weichen einem geheimnisvoll, fast düsteren Tannenwald mit langen Bartflechten an den knorrigen Bäumen. Eine tolle Stimmung. Doch so langsam werde ich müde und bin dann froh, als ich gegen 18.00 Uhr mein Tagesziel nach 25 Kilometern erreiche.

Wie aus dem Lehrbuch: Gleithang
… und Prellhang

Die Hütte Jussinkämppa liegt auf einer sonnigen Landzunge an einem See, mit Sandstrand und wunderbarer Aussicht. Hier werde ich heute übernachten. Ein Pärchen mit kleinem Hund, eine Gruppe von vier jungen Mädchen und Harri, ein Mann etwa in meinem Alter, teilen sich mit mir die geräumige Hütte. Lange sitze ich am Abend noch draußen und genieße den kitschig-schönen Sonnenuntergang über dem See. Sehr schön ist es, dass ich dabei in netter Gesellschaft von Harri bin. Faszinierend ist die vollkommene Stille und es liegt ein unglaublicher Frieden über der weiten, harmonischen Landschaft. Ich fühle eine große Dankbarkeit für dieses schöne Erlebnis und den herrlichen Tag.

Mein Schlafplatz in der Jussinkämppa
Wunderbare Abendstimmung
Sonnenuntergang an der Jussinkämppa

Tag 3: Von Jussinkämppä nach Poronimajokki

Meine friedvolle Gemütsverfassung wird früh am Morgen auf eine harte Probe gestellt. Nach einer sehr angenehmen Nachtruhe – nur der kleine Hund hat geschnarcht  – reißt mich um 5.00 Uhr ein Weckerklingeln aus dem Schlaf. Das Pärchen mit dem Hund will wohl früh los. Doch statt sich leise auf die Socken zu machen, packen die beiden geräuschvoll geschlagene zwei Stunden lang ihre Rucksäcke und frühstücken gemütlich. Unaufhörlichen Rascheln und Kruspeln von Plastikbeuteln, Gewisper und Herumgekrame wecken wahre Hassgefühle in mir.

Um 7.00 Uhr dann endlich erlösende Ruhe. Und eine Viertelstunde später sind wir anderen dann auch auf den Beinen. Nachts gab es Frost. Über dem See steigt noch etwas Dunst empor, der Himmel wieder wolkenlos. Ein tolles Licht. Als letzte aus unserer Gruppe komme ich erst gegen 8.30 Uhr los, treffe aber im Laufe des Tages alle immer wieder beim Kochen an den Raststellen. Mit Harri laufe ich ein Stück am Vormittag zusammen.

Morgendunst über dem See

Heute wird es hügeliger und anstrengender. Der Weg verlässt das Oulankatal. Über Felsen und Wurzeln geht es steil hoch auf einen Höhenzug, dann über viele Treppen ebenso steil wieder hinab ins Tal des sehr rasch dahinströmenden Kitajoki. Der Fluss hat viele Stromschnellen in dem von hohen Felswänden begrenzten Tal, danach fließt er wieder gemächlicher. Der nun schmale Wanderweg wird zum Trampelpfad, verläuft unmittelbar an der Wasserlinie, in ständigen Auf und Ab über Felsen und Wurzeln und erfordert die ganze Aufmerksamkeit. Hier kann man rasch abrutschen und im Wasser landen. Gut, dass der Weg trocken und griffig ist.

über Wurzeln und Steine – aber wunderschön
Am Kitajoki

 

Felsiger Pfad direkt am Wasser

Wieder geht es steil und anstrengend auf Hügel rauf und runter, über Holztreppen, Felsen und Wurzeln. Schließlich trifft der Wanderweg auf die sogenannte “ Kleine Bären-Runde“ bei Juuma. Diese nur 12 Kilometer lange Strecke ist eine äußerst beliebte Tagestour und heute, am Samstag, ist hier wirklich die Hölle los. Wie eine Prozession ziehen die Menschenmassen vor mir her. Es ist anstrengend, weil ich ständig nach einer Lücke zum Überholen spähen muss. Auch an der Hängebrücke heißt es anstehenden. Interessant ist ein 2 Kilometer langer Abstecher zum Aussichtspunkt Kallioporti, ein Ausflugsziel von nationaler Bedeutung. Nicht wegen der 285 Treppenstufen, die für die 100 Höhenmeter dorthin zu erklimmen sind und auch der Fernblick ist nicht überwältigend. Nein, die wahre Attraktion sind die begeisterten Finnen, die endlich einmal von dort über die allgegenwärtigen Bäume hinüber schauen können. In kompletter Winter-Outdoorausstattung quälen sich die häufig schwer übergewichtigen Tagestouristen  schnaufend hinauf, die Männer haben natürlich auch ein großes Jagdmesser am Gürtel baumeln. Das ist das große Wildnisserlebnis! Am Fluss ist nun auch Hochbetrieb. Man kann Kanu fahren, auf Schlauchbooten bis zu einem Wasserfall rudern oder sogar im Helikopter alles von luftiger Höhe beobachten.

Aussichtspunkt Kallioporti
Blockhütten Porontimajoki

Ich bin jedenfalls froh, als ich endlich wieder alleine und in Ruhe auf der „großen“ Bärenrunde bin, auch wenn es jetzt etwas langweilig durch Nutzwald geht, denn südlich von Juuma endet der Nationalpark. Zwei Stunden später bin ich nach 24 Kilometern an meinem Tagesziel, wo ich auch fast alle meine Wanderkollegen von der letzten Hüttenübernachtung wieder treffe. Die Hütten Porontimajoki sind eine winzige, ehemalige Wassermühle, direkt über einen Bach gebaut, und ein ebenso uriges und kleines Wohnblockhaus. Beide Hütten sind bereits voll belegt. Also wird dies wieder eine Zeltnacht. Aber eisig! Erst als ich noch meine lange Wollunterhose, meine Wanderhose, zwei T-Shirts, Wollmütze und die Fleecejacke anhabe, wird es kuschelig warm im Schlafsack.

4. Tag: Von Porontimajoki nach Ruka

Schon der letzte Wandertag! Als um 6.00 Uhr die ersten Sonnenstrahlen das gefrorene Zelt auftauen, heißt es aufstehen. Heute liegen zwar nur 15 Kilometer vor mir, doch für den Nachmittag ist schlechtes Wetter angesagt. Aber zuerst darf ich noch gemütlich im Schlafsack meinen heißen Tee und mein warmes Porridge genießen. Dann geht’s rauß in den klaren, blauen Herbstmorgen und in die Kälte. Der Rauhreif hat die Herbstblätter wunderschön überzuckert, auch die Blaubeeren sind gefroren, so dass ich nun direkt von den Sträuchern echtes Fruchteis pflücken kann.

Der Wanderweg bringt mich aber rasch ins Schwitzen. Viele steile Aufstiege sind zu bewältigen. Ein absoluter Genuss ist die erste Etappe über einen Höhenzug, der eine herrliche Fernsicht über unendliche bunte Wälder ermöglicht. Vor lauter schauen und fotografieren habe ich kaum Zeit zum Wandern. Ein Kuukeli flattert zutraulich um mich herum und setzt sich sogar direkt auf die Kamera. Diese sehr klugen, etwa 30 cm großen Vögel wissen genau, dass es bei Wanderern oft Futter für sie gibt. Es geht wieder steil runter und dann wieder über 185 Treppenstufen hoch zum 420 m hohen Aussichtsberg Konttainen. Leider ziehen jetzt Wolken auf, es sieht nach Regen aus. Deshalb fallen auch die geplanten Pausen aus und ich gebe gut Gas. Sehr steil geht es Weg wieder hinab und – genau – über 189 Treppenstufen wieder hoch.

Zutraulicher Clown – der sibirische Häher, von den Finnen liebevoll „Kuukeli“ genannt
Rauhreif verzaubert morgens die Blätter und Beeren
Steil hoch und runter über Felsen …
… oder über unendliche Treppen
Zur Belohnung gibt es herrliche Weitblicke

Dieses Spiel wiederholt sich über den gesamten Höhenrücken noch fünf Mal. Serpentinen sind in Finnland unbekannt, es geht stets in dieser Fall-Linie ca. 80 Meter hoch und runter, mit mehr als 40 Grad Gefälle. Zur Abwechslung werden nun die Treppen durch dicke Seile ersetzt, an denen man sich auf den felsigen Auf- und Abstiegen festhalten kann. Gut, dass es noch nicht regnet. Bei Nässe wäre das hier ziemlich unangenehm. Endlich stehe ich ziemlich platt auf dem Gipfel des Valtavaara. Der etwas über 492 m hohe Berg ist die höchste Stelle der Bärenrunde. Schon oberhalb der Baumgrenze kann man nun die schweren Regenwolken heranziehen sehen und die letzten 3 Kilometer werden ziemlich ungemütlich nass. Allerdings geht es nun bis zu den Skiliften von Ruka nur noch bergab. Dann noch einmal eine letzte knackige Steigung und kurze Zeit später ist die Bärenrunde im Skiort Ruka zu Ende.

Wunderschön – die unendlichen Wälder Nordkareliens im Herbst
Schutzhütte auf dem Valtavaara
Blick vom Valtavaara auf den kommenden Regen

Der Schock nach den Tagen in wunderschöner Natur ist groß. Skilifte, Pisten und Sprungschanze verschandeln die Landschaft. Der Retortenort  mit seinem Hotelklötzen und Schnellrestaurants könnte trister kaum sein. Hier wartet Olaf schon auf mich und unser Bus bringt uns zum Campingplatz nach Oulanka, wo erst einmal eine herrlich heiße, ewig lange Dusche ansteht.

Die nächsten 48 Stunden gibt es ausgiebigen Dauerregen und nur noch 4 Grad Celsius. Das strahlende Sonnenwetter hat exakt die vier Wandertage gedauert. Jackpot! So war es eine wunderbare, leichte Tour mit traumhaften Landschaften, die man nur zu Fuß wirklich erleben kann. Ein echtes Highlight unserer Reise.

Ruska – die künstliche Welt des Skiressorts ist ein echter Schock

 

 

 

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