Drei Stunden benötigt die Fähre von Fishguard in Wales nach Rosslare in Irland. Mit Irland beginnt wieder ein neuer Abschnitt unserer Radtour von Straßburg nach Schottland. 2400 Kilometer (ohne Fährstrecken) haben wir bisher zurückgelegt.
Irland empfängt uns gleich am ersten Fahrradtag mit schlechtem Wetter. Zum Ausgleich ist die Strecke bis Cork überwiegend eben. Damit unsere Kondition nicht nachlässt, bläst uns ein kräftiger Westwind entgegen.
Die im Allgemeinen relativ warme und sonnige Südküste ist ein beliebtes Urlaubsziel der Iren, die mit Großfamilien und riesigen Hauszelten die Campingplätze bevölkern. Auffallend ist der große Kinderreichtum des noch immer katholisch geprägten Landes, drei bis vier Kinder sind eher der Standard.
In Cork bieten sich eine Unmenge Restaurants und Pubs zum Entspannen an. Entgegen unseren Essgewohnheiten tauschen wir das allabendliche Couscous mit Gemüse gegen Fish and Chips. Beides ist ausgezeichnet, trotzdem haben wir anschließend das Gefühl, unseren Magen zubetoniert zu haben. Natürlich muss das viele Fett mit Alkohol neutralisiert werden. In einem völlig untouristischen Pub trinken wir einen Pint und sehen eine für Cork typische Kleinkunstvorführung auf einer winzigen Bühne. Die Comedy-Stehgreifscatche auf Basis von Stichworten aus dem Publikum sind sehr kreativ und wirklich gut.
Bis zur Westküste von Irland radeln wir auf verkehrsfreien Nebenstraßen durch ebenes und teilweise hügeliges Weideland. Die tägliche Fahrt wird immer wieder von kräftigen Regenschauern unterbrochen. Nach einer Viertelstunde ist der Spuk meistens schon wieder vorbei. Nur der erste Tag in Irland empfängt uns mit Dauerregen. Bei regnerischem Wetter liegen die Temperaturen zwischen 15 und 18 Grad, wenn die Sonne scheint werden es angenehme 24 Grad.
Die Iren zeichnen sich durch einen sehr defensiven Fahrstil aus. Wir werden erst überholt, wenn die Autofahrer auf den engen, meist von hohen Hecken gesäumten Straßen wirklich den Gegenverkehr übersehen können. In UK fährt man deutlich agiler. Radfahrer haben sich dort unterzuordnen, auch an Querstraßen hat in UK der Autofahrer stets Vorfahrt und Zebrastreifen haben wir gar keinen gesehen.
An der Westküste werden die Berge bis zu 700 Meter hoch. Dem entsprechend gibt es einige länger anhaltende Steigungen von 8% und auch mal mehr. Die bekannte Rundfahrt „Ring of Kerry“ um die Halbinsel Iveragh meiden wir wegen des starken Touristenverkehrs.
Stattdessen führt uns unser Fernradweg Eurovelo 1 auf ganz schmalen Nebenstraßen quer über die Halbinsel. Gerade diese Routen durch die tiefste irische Provinz haben für uns einen besonderen Reiz. Auf den Bänken vor den kleinen Tante-Emma-Läden machen wir unsere Pausen und beobachten den ganz normalen Alltag. Die Vielzahl der Pubs auch in den kleinsten Dörfern ist wirklich bemerkenswert und lässt auf die sehr kommunikative Wesensart der Iren schließen.
Auf Iveragh umfahren wir die Macgillycuddy Berge, die mit ca. 1.000 Metern höchsten Gipfel Irland, über einen wunderschönen Pass (Ballaghbeama Gap) auf einer einspurigen Straße, die durch karges Hochland führt und auf der vereinzelt Schafe stehen. Da stört es kaum, dass wir die zehnprozentige Steigung hochschieben müssen. Oben werden wir mit einer fast alpinen Landschaft belohnt – wir fühlen uns an Norwegen erinnert.
Eine einspurige Nebenstraße ist wegen einer Baustelle völlig gesperrt. Die Umleitung würde uns zu einem riesigen Umweg zwingen. Wir lassen es drauf ankommen und fahren bis zur Baustelle. Mehrere Bagger haben ein tiefes Loch quer durch die Straße gegraben. Aber für uns lassen die Bauarbeiter die Bagger einige Minuten ruhen und wir dürfen hindurch schieben. Annette bekommt sogar Unterstützung von einem kräftigen Bauarbeiter, der ihr das Rad über ein dickes Bündel Rohre trägt.
Nördlich des Ring of Kerry radeln wir weiter auf untouristischen Nebenstraßen abseits der Küste zu den Cliffs of Moher. Die letzten 80 Kilometer sind überraschend bergig. Unser Fernradweg führt uns in sehr anstrengendem unaufhörlichem Auf und Ab durch eine einsame waldreiche Landschaft und ein großes Hochmoor, während sich alle Touristen wie auf einer Ameisenstraße entlang der Küstenstraße bewegen. Zum Abschluss dieser harten Tagesetappe kurbeln wir noch 214 Höhenmeter zu den Cliffs of Moher hinauf.
Mit einer Million jährlicher Besucher sind die Klippen der Besuchermagnet Irlands schlechthin. Reisebusse, Wohnmobile, Mietwagen – alles, was sich bewegen kann, tummelt sich auf der schmalen Straße zu den Cliffs. Und mittendrin einige Radreisende. Auf dem nördlich der Klippen gelegenen Campingplatz in Doolin nehmen wir einen Tag Auszeit vom Radeln. Wir wandern entlang der Steilküste von Doolin zum höchsten Punkt der Klippen und haben auch noch tolles Wetter dabei. Die senkrecht abfallenden Klippen sind ein wirkliches Erlebnis – der Wanderweg führt oft direkt an der Abbruchkante entlang, tief unter uns rauscht das Meer.
Was essen wir eigentlich während unserer Tour? Unser Frühstück ist ein kalorienreicher Start in den Tag mit Haferbrei, dazu frisches Obst oder Trockenfrüchte, wenn der Supermarkt fehlt. Mit dieser gesunden Kraftnahrung schaffen wir meistens die halbe Tagesetappe bis zur Mittagspause. Mittags gibt es Brot mit Gemüse und abends essen wir meistens Couscous mit Gemüse. Zwischendurch gönnen wir uns gerne mal ein Stück Kuchen in einem Café.