Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir wieder auf Tour. Allerdings nicht mit unserem treuen Landcruiser Master Yoda. Der steht noch immer in Mexiko und wartet auf uns. Nein, wir haben wie in alten Zeiten unsere Stahlrösser gesattelt, die Zeltausrüstung gepackt und sind nun Richtung Prag unterwegs. Der Eurovelo 4 ist zunächst identisch mit dem Mainradweg.
Von Bad König nach Collenberg (67 km)
Am 9.6. geht es morgens bei milden 22 Grad von zu Hause in Bad König los. Ideales Radlwetter. Durch die flachen, grünen Wiesen im heimischen Mümlingtal und nach einer kleinen Steigung hinter Höchst passieren wir die stattliche Burg Breuberg und kurz danach die Landesgrenze nach Bayern. Rasch ist am wenig schönen Ort Obernburg mit seinem markanten Kraftwerk der Main erreicht. Abseits vom Autoverkehr schnurren die l Reifen leicht über das glatte Asphaltband dieses Luxusradweges. Vom Hochwasser infolge der heftigen Regenfälle in der vorigen Woche ist nichts zu sehen. Wir hatten extra deshalb unsere Tour um ein paar Tage verschoben.
Die kleinen Orte am Fluss verlocken zum Verweilen. In Klingenberg genießen wir im Meincafe gemütlich in Strandkörben einen sehr guten Cappuchino mit Blick auf den Fluss. Heute am Sonntag sind natürlich viele Leute unterwegs, sowohl auf dem Radweg als auch mit Booten oder Wohnmobilen
Alles naslang findet der Genussradler einen Picknickplatz mit Bänken und Tisch. Rings um die Rastellen ist der Rasen ordentlich gemäht, die idealen Zeltwiesen. Leider wird Wildcampen hier nicht toleriert.
Besonders im romantischen Miltenberg ist viel los. Wir lassen uns ein Eis am mit Fachwerkhäusern geschmückten Marktplatz schmecken. In einigen Orten gibt es Sommerfeste mit Würstelbuden und zünftiger Blasmusik. Danach wird der Radweg deutlich leerer. Schön und geruhsam geht es auf ebener Strecke am Main entlang, die steilen Ufer sind mit Laubwald bewachsen.
Manchmal blitzen rote Sandsteinfelsen oder eine Burgruine durch das satte Grün. Schon am frühen Nachmittag rollen wir nach nur 67 Kilometern auf den kleinen Campingplatz in Collenberg. Müde sind wir überhaupt nicht, aber wir wollen es ja langsam angehen. Eine schöne Zeltwiese direkt am Main und eine gute Dusche, was wollen wir mehr. Sehr zufrieden hocken wir abends vor unserem mobilen Heim und genießen unser bei Radtouren übliches Couscous mit Tomatensauce. Der typische Geruchsmix aus Gras und Zeltmief macht uns bewusst, wir sind wieder „on the road“, herrlich.
Von Collenberg nach Gemünden (84 km)
Ohrenbetäubender Lärm reißt mich schon vor 5 Uhr aus dem wohlverdienten Tiefschlaf. Die Vögel begrüßen freudig den neuen Tag und zwitschern sich die Seele aus dem Leib. Eine Stunde später löst sie das ausdauernde Läuten der Kirchenglocken ab. Die Luft duftet nach Gras. Ein glückliches Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus. Nichts geht über einen sonnigen Morgen im Freien.
Zum Frühstück gibt es wie immer Porridge mit Obst. Verdammt, wo ist das Obst? Es liegt wohl noch zuhause in der Küche. Zum Glück gibt es ein paar hundert Meter vom Campingplatz einen Discounter, der bereits um 7 Uhr geöffnet hat.
Kurz nach 9 Uhr schwingen wir uns wieder auf unsere Räder. Zum Sonnenschein gesellt sich heute ein teilweise frischer Gegenwind hinzu. Der Mainradweg gehört heute den Tourenradlern, ausschließlich ältere Leute (so wie wir) mit umfangreichen Gepäck und natürlich nur mit E-Bikes unterwegs. Die meisten fahren in Gegenrichtung mainabwärts, wahrscheinlich um ihren Akku zu schonen. Mit unseren nur per Muskelkraft betriebenen Rädern gehören wir offenbar zu einer aussterbenden Spezies.
Hinter Wertheim weitet sich das Maintal und die Höhen des Spessarts werden flacher. Ab und zu passieren wir eine Schleuse oder einen Lastkahn. Ansonsten gondelt der Radweg am Main durch Wiesen entlang. Nur wenn er sich von Fluß hinauf zur Straße schwingt, gibt es sehr kurze Steigungen, die zum raschen Schalten zwingen. Ansonsten ist zügiges und fast kraftfreies Radeln angesagt.
In Lohr gönnen wir uns nachmittags in der netten Altstadt ein fettes Stück Kuchen und einen Cappuccino, bevor wir die letzten Kilometer nach Gemünden angehen. Der Himmel ist nun völlig bewölkt, schade. In Gemünden geht’s noch zum Supermarkt und dann auf den Campingplatz Saaleinsel, wo wir nach 84 Kilometern gegen 17.30 Uhr das Zelt aufbauen. Abends beginnt es zu regnen.
Von Gemünden nach Kitzingen (85 km)
Nachts regnet es ausgiebig, doch am Morgen ist es trocken, allerdings bei nur kühlen 14 Grad. Wir brauchen morgens immer ewig zum Frühstücken, aber pünktlich um 9 Uhr sitzen wir wieder im Sattel. Schon nach 5 Kilometern landet das Langarmshirt wieder in der Tasche.
Gemünden hat eine hübsche Altstadt, ebenso das nur 15 Kilometer entfernte Karlstadt, wo wir uns bei einem Cappuccino unser zweites Frühstück gönnen. Der Radweg führt am rechten Mainufer an steilen Weinbergen. Sonnige Südlage und wärmespeichernde Sandsteinböden ergeben einen guten fränkischen Boxbeutel.
Nächste Station ist der kleine Ort Himmelstadt mit dem „einzigen bayerischen Weihnachtspostamt“, wie das Schild am Ortseingang stolz verkündet. Einige idyllische Weinorte folgen, bevor wir nach Würzburg kommen. Während die Dörfer noch ein überwiegend mittelalterliches oder barockes Ortsbild besitzen, findet man in Würzburg zwar sehr prächtige, aber eben nur noch vereinzelt alte Gebäude, die die Zerstörung des zweiten Weltkrieges überstanden haben.
Auch hinter Würzburg dominieren steile Weinberge das Landschaftsbild, eine schöne Strecke. Ingesamt hat sich das Wetter verbessert, wir können sogar wieder ohne Jacke fahren. Nächste Station ist Ochsenfurt, dessen Altstadt noch komplett von einer Stadtmauer umgeben ist. Nach einem kräftigen Cappuccino in einem Straßencafé ist das letzte Stück dieser mit 85 km recht langen Etappe gut zu schaffen. Der am Main gelegene Campingplatz verwöhnt uns mit luxuriösen Duschen, das tut gut.
Von Kitzingen nach Schweinfurt (69 km)
Auch Kitzingen besitzt eine malerische Altstadt mit vielen Türmen sowie einer Stadtmauer und eine ehrwürdige Steinbrücke über den Main. Ja, es gibt wirklich sehr schöne Gegenden Deutschland. Und gute Bäckereien! Der in Kitzingen erworbene Rharbarberstreuselkuchen passt, oh Wunder, exakt in die Lenkertasche.
Wenig idyllisch präsentiert sich der Radweg hinter der Stadt. Er verläuft kilometerweit parallel zur lärmenden Bundesstraße. Doch es hilft schon ein Blick nach links auf die Felder, deren Ränder von Klatschmohn und Kornblumen leuchten. Alles eine Frage der Perspektive.
Der Mainradweg entfernt sich nun vom Fluss und kommt in Münsterschwarzach direkt an einem stattlichen Benediktinerkloster vorbei. Hier machen wir Rast, genießen die Atmosphäre der stillen Klosterkirche und, ganz profan, unseren guten Kuchen.
Die Mainschleife bei Volkach ist berühmt für ihren Weinbau. Unser absoluter Favorit der Bilderbuch-Weinorte ist Sommerach mit seinen romantischen Barockhäusern und Gasthöfen. Der weitere Weg bis Volkach durch die Weinberge zieht sich in die Länge, was auch am Gegenwind liegt. In Volkach gibt’s unseren obligatorischen Capucchino, was neue Kräfte weckt. Einen Zwangsstop beschert uns die Fähre hinter Volkach über den Main, da wir hier das Ende der Nachmittagspause des Fährmanns abwarten müssen.
Nun sind es noch fast 30 Kilometer bis Schweinfurt, leider meist parallel zu Straßen anstatt am Fluss entlang. Das ist wenig schön. Auch eine sehr gemeine steile Steigung auf einer Umleitung ist dabei. Im Berufsverkehr gondeln wir, nach nur 69 km und doch etwas müde, quer durch die Stadt zum Campingplatz Naturfreundehaus. Dort treffen wir auch die beiden jungen Radler wieder, die wir nun schon seit 3 Tagen auf jedem Zeltplatz abends sehen. Auch nett sich mit anderen Leuten austauschen. Die Stadtbesichtigung heben wir uns für morgen auf.
Von Schweinfurt nach Bamberg (72 km)
Vom Naturfreunde-Zeltplatz sind es nur 3 Kilometer bis zum Marktplatz von Schweinfurt. Zeit für unseren Morgen-Cappuccino auf der Terrasse eines Straßencafés in der Sonne. Ach, und den köstlichen Buttercroissants können wir nicht widerstehen, außerdem sind sie im Zweierpack im Angebot. Da ist man ja quasi gezwungen zuzugreifen. Ja, es geht uns ziemlich gut. Im Café sitzen noch einige andere Senioren-Radlergruppen beim Frühstück. Scheinbar sind wir endlich in der richtigen Alterklasse angekommen.
Auch Schweinfurt hat kein geschlossenes historisches Stadtbild mehr, aber einige schöne alte Gebäude, z. B. die Stadtkirche oder das prachtvolle Renaissance -Rathaus am Markt, das leider durch einen Zweckanbau verunstaltet wurde.
Nach Haßloch geht es sehr schön am Main entlang, ein unerwartetes Highlight ist ein Rastplatz mit Liegestühlen und Getränken zur Selbstbedienung. Das Geld wirft der ehrliche Radler in eine Zigarrenkiste. Toll, dass es so etwas gibt.
Heute ist uns der Wind gnädig und schiebt uns leicht von hinten, denn ab Schweinfurt macht der Main wieder einen scharfen Bogen, so dass wir nun nach Süden radeln und den Nordwind im Rücken haben. So ist es einfach nur schön geruhsam von sich hin zu gleiten. Vor mehr als 20 Jahren waren wir schon einmal auf dem Mainradweg, damals noch mit unseren drei Kindern im Schlepptau. Ob wir in weiteren 20 Jahren mit einem der Flusskreuzfahrtschiffe, die wir öfters überholen, unterwegs sein werden? Mit Mitte 80 hätten wir dann wohl das richtige Alter dafür.
Durch die Altstadtstraße von Haßloch ist man rasch geradelt, in ein Stadttor hinein und nur 500 m weiter wieder heraus. Dazwischen schönes Fachwerk, viele Restaurants und leider noch mehr parkende Autos.
Danach entfernt sich der Radweg vom Main und führt parallel zur Bundesstraße mit Blick auf die Haßlocher Berge. In Zeil machen wir Mittagsrast. Der winzige Ort hat einen schönen Marktplatz, aber auch hier schafft man es leider nicht, das geliebte Blech woanders abzustellen.
Hinter Zeil verlassen wir den Fluss. Es geht wieder schön durch Weinberge und niedliche alte Dörfer. Das Fahrrad ist einfach das ideale Fortbewegungsmittel, um die Kleinode abseits der Hauptstraßen zu entdecken.
Kurz vor Bamberg wechseln wir auf den Regnitzradweg, denn wir möchten natürlich nach Bamberg, auch wenn dies insgesamt einen Umweg von 20 km bedeutet. Die als UNESCO Welterbe klassifizierte Altstadt ist so unglaublich schön, da kann man nicht vorbei fahren.
In den verwinkelten Gassen den Radweg zu finden, ist gar nicht so einfach. Das auf Laternenmasten aufgeklebte Schild des Radweges ist unscheinbar und zudem oft überklebt. Schließlich kommen wir natürlich vom Weg ab, ächzen wir eine steile Kopfsteingasse hinauf und schieben auf einer schmalen Rampe neben Stufen wieder gleich darauf runter zum Fluss Regnitz. Dort endet der Weg an einer kleinen Personenfähre, die als Gierseilfähre ausschließlich mit der Kraft der Strömung funktioniert. Sehr romantisch.
Noch ein paar Kilometer rollen wir durch die parkähnlichen Regnitzauen, dann ist die Campinginsel Bug erreicht. Hier haben mal die Zelte die Premiumstellplätze, schön abgeschieden und direkt am Fluss. Ansonsten ist der Platz rappelvoll mit Wohnwagen und Wohnmobilen. Ganz hervorragend sind die sanitären Anlagen. Man hat praktisch stets ein privates, geräumiges Duschbad für sich. Abends sitzen wir im Biergarten und genießen unseren wohlverdienten Gerstensaft. Nicht umsonst ist Bamberg berühmt für seine Brauereikunst. Eine sehr schöne Tour heute.
Sightseeingtour Bamberg
Heute ist Kultur angesagt. Doch vorher wird Wäsche gewaschen. Unglaublich, welche braune Brühe da nach nur 5 Tagen Radfahren heraus kommt.
Mit dem Bus geht es bequem in die Innenstadt. Vormittags ein Bummel durch die verwinkelten Gassen der Inselstadt mit dem malerischen Rathaus an der rauschenden Regnitz und den romantischen Häuschen in „Klein Venedig“ als Highlight sowie einem Besuch im portugiesischen kleinen Café Zuckerstückchen mit köstlichen Kaffee und Kuchen.
Dann erklimmen wir die Burgstadt. Obligatorisch ist natürlich der Besuch im spätromanischem Dom mit der berühmten Statue des Bamberger Reiters aus dem 13 Jahrhundert.
Ein Fest für die Sinne bietet der Rosengarten in der Neuen Residenz. Die Blütenpracht beeindruckt ebenso wie die Fülle der verschiedenen Düfte der Rosensorten. Einen schönen Blick über die Stadt hat man vom Michaelsstift.
Nach einem ausgiebigen Bummel durch die Gassen der Altstadt fahren wir am späten Nachmittag wieder zurück zum Campingplatz. Ein sehr schöner Tag, aber unser Bedarf am Stadtleben und Touristenrummel ist erstmal wieder gedeckt.
Spät am abend gibt es im Biergarten des Campingplatzes Public Viewing zum Eröffnungsspiel der Fußball EM. Deutschland besiegt Schottland souverän 5:1, doch da liegen wir schon im Schlafsack und hören die Jubelrufe anlässlich der Tore nur im Halbschlaf.