Endlich ist die lange Anreise von der Ostküste zu den Bergen geschafft. Von Autofahren habe ich, ohne Scherz, schon wunde Stellen am Allerwertesten. Das kommt davon, wenn man das Sitzen nicht gewohnt ist.
Von Pincher Creek ist es nicht weit bis zu den Rocky Mountains. Ohne Übergang zur Prärie ragt das mächtige Gebirge empor, ein toller Anblick. Bei Coleman biegen wir vom HWY #3 auf die geschotterte Foresty Trunk Road ab, die uns durch ein idyllisches Tal nach Norden bringt. Hier gibt es wunderbare „wilde“ Zeltstellen am Fluss, genau richtig für uns. Das Tal gefällt auch vielen Kanadiern, und so sehen wir entlang der Straße immer wieder richtige Wagenburgen aus mehreren Campern. Am Wochenende soll hier die Hölle los sein.
Im Kananaskis Country
Nach einer paradiesisch ruhigen Nacht fahren wir weiter auf der Foresty Trunk Road nach Norden. Immer höher und wilder werden die Berge. Schroffe, senkrechte Felswände münden in grüne Nadelwälder. Es geht über zwei ca. 2000 Meter hohe Pässe und schließlich treffen wir auf die geteerte Straße 40.
Nun sind wir im Kananaskis Country, zu dem mehrere Provincial Parks gehören. Dieses Gebiet darf man kostenlos durchfahren, sowie man aber irgendwo anhält, muss man einen Tagespass für 15 CAD haben. An jedem Parkplatz stehen entsprechende Hinweisschilder. Leider gilt unser Nationalpark-Jahrespass hier nicht. Übernachten darf man nur auf staatlichen Campgrounds, die für ca. 30 CAD oft lediglich ein Plumpsklo bieten. Kanada ist ein teures Reiseland.
Im Peter Lougheed Provincial Park machen wir einen längeren Stopp am Visiter Center. Die Campingplätze an den Seen sind leider ausgebucht. So gibt es statt einer richtigen Wanderung nur einen ausgedehnten Spaziergang am wunderschönen Upper Lake, der umgeben ist von einer phantastischen Bergkulisse. Über den Smith Dorien Spraylakes Trail fahren wir weiter. Hier gibt es nur sehr wenig Verkehr, doch es wird auf der Schotterstraße mit Maximalgeschwindigkeit gebrettert, dass es nur so staubt und die Steine spritzen. Warum hier so gerast wird, ist uns ein Rätsel, denn im Abendlicht präsentieren sich die Felswände der Berge besonders schön und eigentlich müsste man das doch genießen. Wir richten uns schon auf einen lauten Not-Übernachtungsplatz in Canmore ein, als wir am Spraylake einen Campground finden, der tatsächlich noch ein paar freie Plätze hat.
Banff Nationalpark
Am nächsten Tag sind wir in Canmore und Banff, dem touristischen Epizentrum der kanadischen Rockies. Die beiden Urlaubsorte liegen landschaftlich wunderschön im Bow Valley, das durch bis 3000 Meter hohe Berge begrenzt wird. Leider gehen hier auch die 1890 gebaute Eisenbahnlinie und die Autobahn durch. Vor 130 Jahren gab es hier nur unberührte Wildnis.
Die Ortszentren Canmore und Banff bestehen aus Lokalen und Geschäften für Touristen, sie gleichen einem wahren Rummelplatz. Mit sehr viel Glück können wir noch vormittags auf dem einfachen Zeltplatz Two Jack bei Banff einen Stellplatz für die kommenden zwei Tage reservieren. Wir wollen einige Wanderungen machen und recherchieren hierfür im Visitor Center in Banff. Die Shuttlebusse zu den bekannten Seen Lake Louise und Moraine Lake sind jedoch für längere Zeit bereits komplett ausgebucht. Jetzt in der Hauptsaison müssen hier alle Aktivitäten lange im Voraus geplant und gebucht werden, was überhaupt nicht unser Ding ist. Abends suchen wir vergeblich nach noch freien Stellplätzen für die übernächste Nacht und die folgenden Tage entlang des Icefield Parkways, unserer weiteren Route. Es ist für die gesamte 300 Kilometer lange Strecke nichts mehr zu bekommen und Übernachten abseits der Campingplätze ist verboten. Eigentlich wollten wir uns für diese Etappe mehrere Tage Zeit lassen.
Die nächste Nacht ist kurz, schon um 3.30 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Lake Louise, um nach einer Stunde Fahrt noch einen Parkplatz am weltberühmten Lake Moraine, der Ikone der kanadischen Rockies, zu ergattern. Doch wir kommen zu spät, der Parkplatz ist schon um 4.30 Uhr belegt, die Zufahrt wird bereits um diese Zeit von Ordnern geregelt. Unglaublich. Ersatzweise fahren wir zum benachbarten Lake Louise, wo auch schon reger Betrieb herrscht. Erstmal im Yoda frühstücken und vor allem einen Tee zum Wachwerden trinken. Es ist toll, sein Zuhause überall dabei zu haben. Langsam wird es hell und bei Sonnenaufgang starten wir unsere Wanderung.
Das Licht am berühmten Gletschersee ist zu diesem Zeitpunkt einfach ideal. Den überwältigend schönen Anblick kann auch der bereits heftige Touristenandrang nicht trüben. Ganze Busladungen vor allem chinesischer Besucher posieren für DAS eine Foto! Auf dem See paddeln viele Kajakfahrer, trotz der irren Leihgebühr von ca. 180 CAD pro Stunde. Unser Wanderweg führt wunderbar am Ufer des türkisfarbenen Sees entlang. Die aberwitzig schroffen Felsgipfel und steilen Gletscher spiegeln sich im Wasser. Eine friedliche Stimmung, denn schon nach 5 Minuten Fußweg sind wir praktisch alleine unterwegs. Nach dem Ende des Sees steigt der gut ausgebaute Wanderweg kontinuierlich an, teilweise etwas steiler, aber sehr gut zu laufen.
Ziel ist der Plain of the Six Glacier, ein bekannter Aussichtspunkt mit Blick auf den Talkessel hinter dem Lake Louise mit seinen bis zu 3500 Meter hohen Gipfeln. Auch hier sind die sechs Gletscher dramatisch geschrumpft, aber immer noch beeindruckend. Zwischendurch passieren wir das idyllische Teehouse, das nach dem Bau der Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts für die ersten Touristen, vor allen reiche Briten, errichtet wurde.
Den Rückweg laufen wir über den weitgehend schattenlosen Highlinetrail mit grandiosen Ausblicken auf die Berge bis zum Lake Agnes, der spektakulär in einem hufeisenförmigen Kessel liegt. Nun kommen uns schon viele Wanderer entgegen, manche scheinen am Ende ihrer Kräfte. Spaßiger weise haben fast alle Pfefferspray oder mindestens ein Glöckchen zur Abwehr von Bären dabei. Als ob bei diesem Menschenauflauf nicht jeder anständige Bär freiwillig die Flucht ergreifen würde. Tiere, die bereits jede Scheu vor Menschen verloren haben, lassen sich durch das Gebimmel nicht beeindrucken und das Spray nutzt nur, wenn man es korrekt gebrauchen kann.
Es war gut, so früh zu starten und so den Massen zu entgehen. Außerdem ist es jetzt wieder mit ca. 30 Grad sehr heiß geworden. Toll auch der Ausblick vom Little Behieve-Aussichtspunkt, der noch einmal 100 Höhenmeter über dem See liegt. Von hier aus sieht man sehr gut den Verlauf der Autobahn durch das unten liegende Tal, ein brutaler Einschnitt. Nun geht es nur noch vier Kilometer bergab zum Parkplatz am Lake Louise. Eine sehr schöne Tour, die den ausgefallenen Besuch von Lake Moraine absolut ausgeglichen hat.
Pünktlich zum 4 Uhr-Tee sind wir wieder auf dem Zeltplatz. Hier gibt es zwar keine Duschen, aber ausnahmsweise mal warmes Wasser, also ist großes Waschen angesagt. Auch die Inlets der Schlafsäcke freuen sich nach fünf Wochen über eine Reinigung. Der Rest des Tages vergeht rasch mit Reiseplanung. Es gibt immer viel zu tun, von wegen Urlaub.
Yoho Nationalpark
Um einen Stellplatz für die nächste Nacht zu haben, fahren wir von Banff aus rund 160 Kilometer weiter. Es geht über Lake Louise auf dem Highway#1 Richtung Golden in den Yoho Nationalpark. Spektakulär ist der Ausblick am Kicking Horse Pass auf die Trasse der Eisenbahn. Sie überwindet eine erhebliche Steigung mit Hilfe von zwei spiralförmigen Tunneln. Unglaublich, dass die Strecke in diesem extremen Gelände in nur 5 Jahren gebaut wurde.
Nun sind wir im Yoho Nationalpark und statten den Takakkaw Falls einen Besuch ab. Gespeist aus einem Gletscher sieht der mit 254 Metern zweithöchste Wasserfall Kanadas im Sommer besonders fotogen aus. Ein Gewitterregen verhindert leider eine Wanderung. Wir folgen also weiter dem Highway 1 entlang des Kicking Horse River bis hinter die Grenze des Nationalparks. Hier ist freies Campen wieder erlaubt und so fahren wir am Nachmittag nach 160 Kilometern auf einen sehr schönen Stellplatz direkt am Ufer des breiten, milchiggrauen Gletscherflusses.
Icefields Parkway
Diese Traumstraße durch die Rocky Mountains führt 230 Kilometer von Lake Louise bis Jasper. Eigentlich wollten wir uns für diese großartige Panoramastrecke mehrere Tage Zeit nehmen und auch einige Ein- und Mehrtageswanderungen einschieben. Da jedoch auf lange Zeit keine Campingplätze am Icefields Parkway frei sind, müssen wir die gesamte Strecke und die Anfahrt von unserem Stellplatz am Rand des Yoho Nationalparks in einem Tag bewältigen.
Am Ende des langen Tages sind es dann über 330 Kilometer geworden – für die interessante Strecke viel zu weit an einem Tag. Denn es gibt unterwegs immer wieder Aussichtspunkte, an denen man anhält oder kurze Abstecher zu besonderen Sehenswürdigkeiten unternimmt. Abends sind wir völlig geschafft und übersättigt mit großartigen Eindrücken, die wir in der kurzen Zeit gar nicht richtig verarbeiten können. Es ist ungefähr so, als wenn man eine köstliche Torte auf einmal komplett verschlingt. Hinterher fühlt man sich unwohl.
Die Gebirgskulisse wird Richtung Norden immer dramatischer. Der trotz Gletscherschwund immer noch mächtige Eispanzer des Columbia Icefield bildet den Höhepunkt. Man kann sogar sehr einfach zur Gletscherzunge des bis ins Tal reichenden Atabasca-Gletschers laufen. Natürlich ist auch hier die Vermarktung maximal mit Gletschertouren, Hubschrauberflügen und irre teuren Shuttlebussen, die bis aufs Eis fahren.
Weitere Höhepunkte sind die märchenhafte Aussicht am Bow Summit auf den türkisfarbenen Peyto-Lake tief unten im Tal, den wir mit vielen anderen Touristen aus aller Welt teilen. Wunderbar auch der weiträumig mäandrierende North Saskatchewan River vom Howse Valley Viewpoint sowie die Wasserfälle des Sunwapta und Athabasca Rivers, deren mächtige Wassermassen jeweils in eine enge Schlucht donnern. An diesen Punkten drangen sich natürlich viele Besucher, immerhin bekommt man noch immer relativ problemlos einen Parkplatz. Wohltuende Ruhe finden wir nur mittags während unseres Picknicks an einem See, den wir über einen zufällig entdeckten Trampelpfad erreichen. Hier ist sogar ein sehr kurzes Bad im eisigen Wasser möglich.
So märchenhaft diese Fahrt ist, durch die doch nur flüchtige „Besichtigung“ mit dem Auto wird die Landschaft zur reinen Kulisse. Sogar der Schwarzbär am Rande der Straße ist nur eine flüchtige Episode, keine echte Begegnung. Es ist wie ein Film, den man ab und zu für einen Auto-Stopp unterbricht. Wirklich erleben kann man diese Natur in ihrer Schönheit und auch Härte nur zu Fuß und eingeschränkt mit dem Fahrrad. Es gibt etliche schöne Wanderrouten, die vom Icefields Parkway ausgehen und auch mit dem Fahrrad ist die 230 Kilometer lange Strecke eine großartige Etappe – aber mit vielen knackigen, herausfordernden Steigungen. Es tut daher wirklich weh, dass unsere Wanderpläne ins Wasser gefallen sind. Doch man kann leider nicht alles haben.
Abends rollen wir todmüde ca. 20 Kilometer nördlich von Jasper auf einen Overflow-Campground, der als Not-Übernachtungsplatz geöffnet wird, wenn alles andere belegt ist. Natürlich liegt er ziemlich laut direkt am Highway und der Eisenbahntrasse. Besonders die mit über 100 Waggons unendlich langen, quietschenden Züge und ihre durchdringend schrillen Signaltöne unterhalten uns die ganze Nacht.
Wanderung zur Sulphur Ridge
Wir sind reif für einen Tag in der Natur, ohne lange Autofahrt. Was wäre da besser als eine kleine Bergtour. Bei den Miette Hot Springs am Ostrand des Jasper Nationalparks fuhrt uns der schöne Skylinetrail auf vier Kilometern über 700 Höhenmeter hinauf auf das Sulphur Ridge. Es geht kontinuierlich und teilweise steil bergauf, bis wir vom Gipfel einem schönen Panoramablick genießen dürfen. Die Bewegung in der frischen Luft tut unendlich gut, auch wenn so mancher Schweißtropfen fließt.
Ein Bad in den Thermalquellen am Parkplatz im Tal wäre anschließend genau richtig. Aber hier drängen sich wieder die Touristenmassen. Also belassen wir es bei einer gründlichen Wäsche in den zum Schwimmbad gehörenden sehr sauberen öffentlichen Toiletten, die ja in Kanada diskret und nun passenderweise „Washroom“ heißen.
Kurz hinter Miette verlässt der Highway den Jasper Nationalpark und damit die Rocky Mountains. Hügel und unendliche dichte Nadelwälder bestimmen das Bild. Nach fünf Kilometern extrem holperiger Piste mit tiefen Spurrillen erreichen wir einen einsamen Stellplatz auf einer Waldwiese unmittelbar am Athabasca River. Wir sind endlich ganz alleine. Solch eine Anfahrt kann wohl keiner seinem Wohnmobil zumuten. Abends gibt es Lagerfeuer und morgens kommt beim Frühstück eine Hirschkuh zu Besuch. Pures Kanada-Idyll, so muss es sein.
Nach mehr als drei Wochen „on the road“ ist das Unterwegs sein schon zum Alltag geworden. Immer wieder werden wir auf Parkplätzen angesprochen, mit unserem deutschen Kennzeichen und einem 78er Landcruiser fallen wir auf wie ein bunter Hund. Und immer wieder beantworten wir die immer gleichen Fragen nach dem Woher und Wohin, auch wenn es uns manchmal schon aus der Nase heraus kommt. Doch wirklich gut daran ist, dass die staunende und begeisterte Reaktion auf unsere Reisepläne uns stets daran erinnert, dass unser momentanes Leben alles andere als gewöhnlich ist und wir einfach „lucky guys“ sind. Es ist sehr wichtig, sich dessen bei aller „Routine“ bewusst zu sein und wertzuschätzen.
Liebe Eltern,
da wird man hier im Alltagstrott ja ganz neidisch!
Hoffentlich findet ihr mehr von den einsamen Plätzen und könnt Kanada noch
so richtig erleben.
Hab euch lieb, gute Weiterreise 🙂
Liebe Eltern,
da wird man hier im Alltagstrott ja ganz neidisch!
Hoffentlich findet ihr mehr von den einsamen Plätzen und könnt Kanada noch
so richtig erleben.
Hab euch lieb, gute Weiterreise 🙂