Go West…von Halifax zu den Rocky Mountains (5551 km, 9.-24.7.2022)

Am 9.7. starten wir also endlich zu unserer großen Tour. Das Wetter ist wieder herrlich: blauer Himmel und 25 Grad. Morgens wird noch Abschied genommen. Dann trennen sich unsere Wege. Sara und Adrian zieht es nach Neufundland und Labrador. Cecile, Rolland und Owen fahren zu Freunden in Richtung Quebec.

Wir dagegen rollen ganz profan erstmal zum Einkauf in diversen Supermärkten. Außer Lebensmitteln wollen wir vor allem eine 2,3 kg (5 lb) Gasflasche bei Canadian Tire kaufen. Eine größere Flasche passt nicht in unseren kleinen Toyota. Alle staunen, dass wir mit dieser kleinen Gasflasche 5 bis 6 Wochen auskommen. Blöd ist, dass keiner unserer zahlreichen aus Deutschland mitgebrachten Adapter darauf passt. Nach rund einstündiger Suche finden wir einen Adapter für Coleman Kocher, den wir mit einem Zwischenstück von uns, das für Coleman Gasflaschen passt, kombinieren können. Ein Problem gelöst, das nächste kommt. Auf dem Highway zwischen Campingplatz und Einkaufszentrum ist der Deckel eines unserer Wasserkanister, die außen an Auto befestigt sind, verloren gegangen. Wir hatten ihn nicht richtig fest geschraubt. So ein Mist. Fast eine Stunde durchforste ich vergeblich den Baumarkt nach Ersatz. Dann wird der Einlauf mit Tape zugeklebt. Mittlerweile ist es 15.00 Uhr, auch Adrian und Sara sind beim Baumarkt für Einkäufe eingetroffen. So können wir uns nochmals verabschieden. Dann geht es endlich auf die Autobahn.

Von Halifax nach Toronto (1966 km)

Der Verkehr nimmt hinter Halifax rasch ab, mit 90 km/h rollen wir auf dem Trans Canadian Highway #102 und #104 nach Westen. Nova Scotia präsentiert sich aus dieser Perspektive recht eintönig: leicht welliges Gelände, ein paar Wiesen und Felder und vor allem gaaanz viel Wald. Nach rund 160 Kilometern erreichen wir über eine kurze Schotterstraße südlich von Oxford in der Nähe vom River Philipp einen schönen Stellplatz direkt an dem schmalen Fluss. Statt gemütlich Tee zu trinken, muss erstmal der Kocher angeschlossen werden. Abends kommt erstmals die selbst gebastelte Mückenschutztür im Heck zum Einsatz. Der Magnetverschluss funktioniert perfekt, ein gutes Gefühl. Master Yoda parkt stilecht im Schatten großer Ahornbäume, herrlich ruhig ist es hier. Das tut gut nach den zwei Wochen auf dem lauten Stadtcampingplatz. Eine gute Empfehlung von IOverlander.

Die Herren des Highways

Den nächsten Tag verbringen wir komplett auf dem Trans Canadian Highway #2. Es ist sehr wenig Verkehr. Wir zockeln durch endlosen Wald und werden sogar von den gigantischen, chromglänzenden Trucks überholt. Master Yoda ist trotzdem der unbestrittene „King of the road“. Viele Autofahrer winken uns zu, an der Tankstelle und auf Parkplätzen wird er oft fotografiert und mit anerkennenden Worten, wie „awesome truck“ oder „nice car“ bewundert. Etliche halten ihn für einen Oldtimer. Armer Yoda.

Monotonie auf dem Trans Canadian Highway

Die Montonie der Fahrt wird unterbrochen von unserer Mittagspause am Strand des schönen Grand Lake, einer fjordartigen Meeresbucht an der großen Bay of Fundy.

Mittlerweile sind wir in der Provinz New Brunswick. Hier wird französisch gesprochen. Na ja, so etwas ähnliches jedenfalls, denn die kanadische Variante ist für unsere Ohren schlicht grauenhaft.

Der Highway erreicht das Grenzgebiet zu den USA und führt dann strikt nach Norden, immer parallel zur Grenze. Die Ausläufer der Appalachian Mountains lassen die nun hügelige Landschaft abwechslungsreicher erscheinen. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß bekommt man sicher einen völligen anderen Eindruck als von der ewig breiten Autobahn aus.

Gegen 18.00 Uhr erreichen wir nach rund 560 Kilometern St. Leonhard. Der kleine Ort liegt an einem Fluss. Wir parken für die Nacht unmittelbar beim Ort in einem kleinen Park direkt am Grenzübergang und können so schon mal einen Blick auf die USA auf der anderen Seite des Flusses werfen. Allerdings ist wieder mal Master Yoda die wahre Attraktion. In regelmäßigen Abständen dreht ein Auto auf unserem Stellplatz seine Runde, um zu schauen, wer dort übernachtet. Nachts um drei hat endlich der Letzte seine Neugier befriedigt.

Der nächste Tag führt uns durch eine abwechslungsreiche Hügellandschaft hinunter zum mächtig breiten Sankt Lorenz-Strom, der das Wasser der großen Seen Nordamerikas zum Atlantik bringt. Uns überrascht die starke Strömung, sind wir doch bereits auf Meeresniveau. Allerdings wirkt sich auch hier noch der Tidenhub des Atlantik aus. Am Ufer findet sich ein schöner Platz zum Mittagessen.

Nur eine Stunde und 200 Kilometer später, denn wir haben eine Zeitzone überquert und damit eine Stunde gewonnen, sind wir schon in Quebec. Sightseeing der Altstadt, immerhin UNESCO-Welterbe, ist angesagt. Doch vorher genießen wir die Dusche im kostenlosen Freibad der Stadt und waschen auch dabei direkt unsere Socken. Als Reisender muss man jede Gelegenheit nutzen.

Altstadt in Quebec

Dem Touristenandrang nach scheint Corona schon Vergangenheit zu sein. Vor allem sehr viele Chinesen fluten die von einer hohen Festungsmauer geschützte Altstadt. Wir kommen uns fast vor wie in Frankreich, allerdings sehen die schönen alten Gebäude und Gassen ein wenig zu sehr herausgeputzt und künstlich aus. Auch der Blumenschmuck an den Häusern ist praktischerweise aus Plastik. Hotels und Andenkenläden reihen sich aneinander. Ob hier noch Leute wirklich einfach nur wohnen? Natürlich ist Quebecs Wahrzeichen, das Chateau Frontenac, in dem ein Luxushotel residiert, beeindruckend, andererseits auch stilloser Architektur-Kitsch. Unser Fazit: Quebec ist absolut sehenswert, aber uns doch zu sehr touristisch und ein bisschen zu sehr „Disneyland“. Trotzdem ist diese erste große Stadt  nach 1000 Kilometern Highway eine willkommene Abwechslung und wir genießen es sehr.

Chateau Frontenac in Quebec

Ähnlich künstlich und steril wie die Altstadt sehen auch viele der perfekt gepflegten Wohnsiedlungen mit den Fertig-Einheitshäusern aus. Mir kommen sie vor wie überdimensionierte Gebäude einer Modelleisenbahnanlage. Und tatsächlich sind auch sie überwiegend aus dem gleichen Material. Üblicherweise werden die Häuser hier ja nur aus zwei Lagen Spanplatten mit Dämmstoff dazwischen gebaut. Davor werden dann Plastikverkleidungen angebracht, die eine massive Klinker- oder Bruchsteinfassade vortäuschen. Dazu gibt es noch verspielte Erker oder imposante Säulenportale zur Verzierung. 

Die Nacht verbringen wir auf dem Parkplatz eines Walmart in Quecbec, ganz stilecht für Nordamerika-Reisende. Keine Idylle, aber sehr praktisch für eine Stadtübernachtung. Der Supermarkt bietet uns Wifi, Toiletten nebst Waschgelegenheit und natürlich Einkaufsmöglichkeiten fürs Frühstück. Erst eine Nacht an einem romantischen Stellplatz am Fluss, dann neben dem US-Grenzposten und jetzt das  Einkaufszentrum am Highway – was für Kontraste. Unwillkürlich muss ich grinsen, als ich abends vom Zähneputzen über den riesigen Parkplatz zu unserem Master Yoda zurück laufe. Kein Tag ist gleich und immer für eine Überraschung gut. Genau so muss es sein.

Der nächste Morgen bringt sintflutartige Regengüsse. Auf dem Highway ist nun wirklich sehr viel Verkehr, vor allem Unmengen von Lkw, die uns beim Überholen eine Extradusche verpassen. Es geht immer parallel zum St. Lorenzstrom, von dem wir aber nichts sehen. Die Gegend ist dicht besiedelt und ganz eben. Viele Felder, vereinzelte Baumgruppen. Fast wie die norddeutsche Tiefebene. Mittags kommt endlich für einige Zeit die Sonne raus, genau passend für eine Pause am Wasser. Der St. Lorenzstrom wird im Oberlauf zu Seen aufgestaut, die durch Schleusen verbunden sind. Manche Seen sind so groß, dass wir kein Ufer mehr sehen. 

Übernachtung an der Iroquois-Schleuse am St. Lorenzstrom

Am Nachmittag finden wir uns bei heftigen Gewitterregen auf den total verstopften Highways von Montreal wieder. Eigentlich wollten wir die City besichtigen. Doch angesichts des schaurigen Wetters und der endlosen Staus fahren wir an der Stadt vorbei. Am Abend erreichen wir dann nach 443 Tageskilometern schließlich Iroquois am St. Lorenzstrom, wo wir direkt an der Schleuse parken. Mittlerweile scheint wieder die Sonne. Wieder haben wir dank IOverlander einen echt interessanten Übernachtungsplatz gefunden. In dichter Folge passieren große Frachtschiffe die Schleuse. Außerdem können wir aus nächster Nähe ein Nest von Fischadlern beobachten und ihnen beim Füttern ihrer Jungen zusehen. Ein tolles Erlebnis.

… hier ist Master Yoda genau richtig …

Unser nächstes Ziel ist Toronto in der Provinz Ontario, mit ca. 2,8 Mio. Einwohnern die größte Stadt Kanadas. Der Highway führt in einigem Abstand parallel zum riesigen Ontario-See, von dem wir aber leider nichts sehen. Am frühen Nachmittag erreichen wir den Ballungsraum Torontos. Der Verkehr wird zunehmend dichter und die Zahl der Fahrspuren auf dem Highway nimmt stetig zu, bis es schließlich 7 Spuren je Fahrtrichtung sind. Leicht stressig für uns. Dabei sind wir noch immer rund 40 Kilometer von der Stadt entfernt.

Downtown Toronto
Toronto Downtowm

Aus den Erfahrungen bei Montreal etwas klüger geworden, steuern wir nun einen Parkplatz außerhalb Downtown an und fahren von dort mit der Straßenbahn ins Zentrum. Die ca. 12 Kilometer lange Fahrt dauert ewig, die Bahn zockelt im dichten Verkehr vor sich hin. In der City beeindrucken uns die glitzernden Wolkenkratzer mit ihren spiegelnden Fassaden und der über 500 Meter hohe CN-Tower. Interessant auch die Vielfalt der Ethnien. Die Kanadier scheinen ein bunter Mix aus allen Erdteilen zu sein. Wirklich „schön“ ist es in Toronto nicht. Es gibt kein Grün, kaum Plätze zum Verweilen und viele Geschäfte oder Lokale sind ins Innere von Shopping Malls verbannt.

Abends fahren wir noch zwei Walmarts auf der Suche nach einem Platz für die Nacht ab. Auf den riesigen Parkplätzen ist uns jedoch zu viel Betrieb zumal sie erst um 23 Uhr schließen. Um 21.00 Uhr haben wir ziemlich müde einen einigermaßen ruhigen Stellplatz bei einem anderen Supermarkt gefunden. Ein Walmart ist mit seinen guten Sanitäranlagen gut zu Fuß zu erreichen, also letztlich ein prima Platz.

Wieder einmal ein Supermarkt-Parkplatz zum Übernachten – nicht schön, aber praktisch

Von Toronto nach Winnipeg (2069 km)

Wieder allerschönstes Sommerwetter, wir werden wirklich verwöhnt. Rund 130 Kilometer sind es bis Niagara Falls, für kanadische Verhältnisse also direkt nebenan. Der sechsspurige Highway von Toronto zu den Falls ist wieder rappelvoll, rechts und links entlang der Highways nur Gewerbe- und Industriegebiete. Wir fühlen uns wie zu Hause am Frankfurter Kreuz. Nach rund 80 Kilometern wird es ruhiger,  hier gibt es viele Obst- und Weingärten, erstaunlich bei den harten Wintern. Ab und zu haben wir Blick auf den Ontariosee, der groß wie ein Meer erscheint.

Den gesamten Tag verbringen wir an den Niagarafällen. In der unmittelbaren Umgebung stehen Hotelwolkenkratzer und Spielcasino sowie ein Aussichtsturm mit Restaurant. Der Fluss Niagara entwässert den Eriesee und mündet nur 30 Kilometer weiter in den Ontariosee. Doch vorher stürzt er über eine rund 45 Meter hohe Felskante und bildet die drei berühmten Wasserfälle. Am schönsten ist der Horseshoefall mit seiner Hufeisenform. Das Naturspektakel wird maximal vermarktet. Man kann die Fälle mit dem Boot oder Hubschrauber erkunden, eine Ziplinebahn verläuft am Steilufer und durch einen Tunnel gelangt man sogar hinter den Horseshoe-Wasserfall. Natürlich sind unglaublich viele Besucher hier. Ein ganz schöner Rummel, schließlich ist dies eine der Hauptsehenswürdigkeiten Nordamerikas. Auf der kanadischen Seite sind die Fälle deutlich attraktiver. Beeindruckend sind weniger die Fallhöhe, sondern die ungeheuren Wassermassen, die auf breiter Front tosend in die Tiefe stürzen.

Niagara-Fälle auf der US-Seite

Ein echtes Erlebnis ist die Fahrt mit dem Lift durch einen Berg an den Fuß des Horseshoe-Wasserfalls. Auf einer Aussichtplattform stehe ich unmittelbar vor den donnernd herabstürzenden Wassermassen. Durch einen Tunnel kann man auch hinter den Fall gelangen. Hier spürt man die ungeheure Kraft des Wassers. Zum Schutz vor der Gischt tragen alle Besucher knallgelbe Plastikumhänge. Am späten Nachmittag zaubert die schräg stehende Sonne einen perfekten Regenbogen über die Fälle. Um in den perfekten Genuss dieses Spektakels zu kommen, muss ich jedoch rund 1,5 Stunden geduldig in Warteschlangen vor dem Aufzug zur Aussichtsplattform anstehen, doch es lohnt sich.

Niagara-Horseshoe-Falls – Kanadische Seite

Abends übernachten wir an einem Kanal, der Erie- und Ontariosee über Schleusen miteinander verbindet. Wir stehen auf dem Parkplatz eines Museums, direkt daneben ein Park mit vielen Spaziergängern. Langsam gewöhnen wir uns daran, auch in stärker besiedelten Gebieten zu übernachten. Hier im Ballungsraum um die Niagara Falls ist es unmöglich, einen abgelegenen Platz für die Nacht zu finden.  Zwei Radler sprechen uns in perfektem Deutsch an, weil sie unser deutsches Kennzeichen bemerkt haben. Beide sind vor Jahrzehnten nach Kanada ausgewandert und freuen sich, Touristen aus ihrer alten Heimat zu treffen. Lustigerweise stammt die Frau aus Klein-Ostheim, einem Ort ganz in der Nähe unseres Wohnortes, und der Mann kommt aus meiner Geburtsstadt Düsseldorf. Die Welt ist ein Dorf.

Typische Main Street in einer Kleinstadt

Weiter geht die Fahrt nach Norden, einige Zeit noch auf der Autobahn, dann über den Highway 6 und schließlich auf zweispurigen Straßen zur Bruce Peninsula. Es ist schön, endlich von den Schnellstraßen weg zu sein. Auch wenn die Landschaft wenig aufregend ist. Plattes oder leicht hügeliges Weide- und Ackerland mit Baumgruppen und weit verstreuten Farmen erstreckt sich scheinbar endlos. Ab und an passieren wir eine Ortschaft. So rollen wir bis zum späten Nachmittag zum Hafen von Tobermorie auf der Spitze der Bruce Peninsula. Dort geht es auf eine Fähre, die uns über den Huron Lake zur Insel Manitoulin bringt.

Knapp zwei Stunden dauert die Fahrt. Wir schippern jedoch lediglich über einen kleinen Seitenarm des gigantischen Lake Huron und doch haben wir schon den Eindruck auf einem Meer zu sein. Manitoulin ist ein dicht bewaldetes indianisches Siedlungsgebiet. Das hier herrschende Gewirr aus Inseln, Buchten und offener Wasserfläche am Rande des Lake Huron ist ein Paradies für Angler und Wassersportler. Entsprechend viele Campingplätze gibt es hier, wildcampen ist schwierig. Erst kurz vor 21 Uhr rollen wir auf einen mit iOverlander ausgewählten Stellplatz auf einer kleinen Insel hinter Manitoulin, eine herrliche Stelle an einem weiten Strand und tollem Blick. Eine Woche sind wir nun schon unterwegs und haben schon beachtliche 2.600 Kilometer zurück gelegt. Fast die Hälfte der Strecke bis Calgary. Die Größe dieses Landes ist unfassbar.

Schöner Stellplatz bei Manatoulin Island, toll zum Baden
… und zum Wäsche waschen

Ein Genuss ist am Morgen ein Bad im angenehm warmen See. Hier können wir auch wunderbar unsere Wäsche waschen. Den ganzen Tag fahren wir parallel zum Lake Huron. Um vom See etwas zu sehen, muss man in Stichstraßen vom Highway abbiegen. Hier findet man mit etwas Glück schöne und ruhige Rastplätze. Insgesamt ist das Seeufer aber leider dicht bebaut mit Ferienhäusern. Die Ortschaften werden nun immer kleiner und haben nur wenige hundert Einwohner. Verkehrsschilder warnen vor querenden Elchen und dass das Füttern von Schwarzbären gefährlich sein kann.

Hinter Sault Ste. Marie erreichen wir mit dem Lake Superior den letzten der großen Seen auf unserer Route. An der Südspitze des Sees, am Havelland Shores Beach, steht am späten Nachmittag Master Yoda an einem herrlichen kleinen Sandstrand, den wir ganz für uns haben. Wir faulenzen und schwimmen. Leider sind die Kanadier begeisterte Motorbootkapitäne und dröhnen mit den Trucks vom nahen Highway um die Wette. Doch am Abend kehrt Ruhe ein und wir genießen einen Sonnenuntergang am Strand.

Unser Privatstrand am Lake Superior

Der Lake Superior ist der größte der fünf Großen Seen Nordamerikas. An seinen Ufern fahren wir ganze drei Tage entlang. Immerhin ist er mit über 560 Kilometern Länge und rund 260 Kilometern Breite der flächenmäßig größte Süßwassersee der Erde und 154 mal größer als unser Bodensee, der nur lächerliche 63 Kilometer lang und 14 Kilometer breit ist.

Es wird nun bergig und der Highway wechselt zwischen steilen Hügeln mit tollen Blicken über den gigantischen See, schönen Buchten und Strecken direkt am Ufer. Hier locken weiße Sandstrände und karibikblaues Wasser zum Baden. Die einzigen nennenswerten Siedlungen mit Geschäften sind Wawa und White River im Abstand von jeweils ca. 100 Kilometern. Dazwischen nichts als Wald, Berge und Seen. Öfters sehen wir nun Tourenradler. Eine tolle Strecke, aber anstrengend und wegen der großen Distanzen und oft schnurgeraden Straßenführung auch bestimmt mental fordernd. Mir tut es in der Seele weh, an diesen prachtvollen Wandergebieten im Auto vorbei zu sausen. Diese Art des Schnellreisens ist eigentlich gar nicht mein Ding.

Auf halber Strecke zwischen Marathon und Terrace Bay biegen wir am späten Nachmittag nach ca. 440 Kilometern ab und kommen über eine Schotterstraße zum Südufer des Santoy Lake. Ein absoluter Glückstreffer, denn der eigentlich anvisierte Stellplatz aus iOverlander hat uns nicht gefallen und wir sind einfach noch der Piste bis zu ihrem Ende am See gefolgt. Hier finden wir unser Realität gewordenes Klischee von Kanada. Ein friedlicher See in absoluter Stille, umgeben von bewaldeten Hügeln, ganz für uns alleine und perfekt zum Schwimmen. Es gibt eine Rampe, um Boote ins Wasser zu lassen und einen Holzsteg, auf dem wir den Rest des heißen Sommertages verbummeln. Abends schwimmen zwei neugierige Bieber in nur wenigen Metern Entfernung von uns vorbei.

Das gemütliche Frühstück am nächsten Morgen fällt aus. Dichter Nebel, kühle 12 Grad und eine wahre Mückeninvasion treiben uns in die Flucht. Bereits in der Nacht haben uns die Mücken, die es trotz Mückennetz ins Auto geschafft haben, gequält.

Nebel entsteht nachts über dem Lake Superior. Bei Terrace Bay können wir kaum die Häuser erkennen, dann löst er sich jedoch überraschend rasch auf. Es wird wieder ein heißer Tag mit 30 Grad. Wunderbar ist die Fahrt durch die Berge entlang des Lake Superior bis Nipigon, ständig geht es mit ca. 7% rauf und runter an vielen schönen Buchten vorbei. Wieder sehen wir viele Tourenradler, die Richtung Osten unterwegs sind. Hinter Nipigon wird es flacher und eintöniger. Thunderbay, die industrielle Grenzstadt zu den USA, streifen wir nur am Rand.

Seengebiet Lake of the Woods – ein Gewirr aus Inseln, Buchten und Seen

Erstmalig treffen wir heute auch Reisende aus Deutschland und der Schweiz, die mit eigenem Auto unterwegs sind. Für die weitere Fahrt wählen wir die Südroute des Transcanadian Highway. Hier auf dem zweispurigen Highway #11 Richtung Fort Frances ist praktisch kein Verkehr mehr. Mit der maximal zulässigen Geschwindigkeit von 90 km/h rollen wir an borealen Mischwald, Moorgebieten, unzähligen Seen und Flüssen vorbei. Bei unserer Teepause an einem See nutze ich sofort die Gelegenheit zum Schwimmen im badewannen-warmen Wasser. Die einzige Siedlung Atikoka hat 1300 Einwohner und einen Flughafen. Wieder passieren wir eine Zeitzone und gewinnen erneut eine Stunde. Unser Stellplatz heute Nacht liegt mitten Nirgendwo im lichten Wald an einer Forststraße. Es ist drückend schwül, kein Wind rührt sich. Im Schatten ist am Nachmittag die Temperatur erträglich und mit genügend Mückenspray können wir sogar draußen sitzen.

Nachts entlädt sich die Hitze in heftigen Gewittern. Tischtennisball große Hagelkörner prasseln auf Master Yoda nieder. Am Morgen ist es wieder 30 Grad heiß, doch kommen wir im Freien vor Mücken um. Frühstück gibt es daher im fast mückenfreien Yoda. Die Sache mit dem Wanderparadies muss ich revidieren. Es ist eher wohl die Hölle zu dieser Jahreszeit hier im Wald zu Fuß unterwegs zu sein.

Lake of the Woods

Der große Highway ist praktisch verkehrsfrei und so wage ich es, mich für einige Zeit erstmals an Master Yodas Lenkrad zu setzen. Hinter Fort Frances, einer wenig schönen Industriestadt, rollen wir nach Norden. Der Highway #11 führt uns vorbei am Lake of the Woods. Der See mit seinen 14.000 Inseln ist ein bekanntes Kanurevier und wohl nur so kann man die Landschaft auch wirklich intensiv erleben. Von der Straße aus haben wir selten einen Blick aufs Wasser. Am späten Nachmittag sind wir nach 350 Kilometern in Kenora. Gerade noch rechtzeitig vor einem heftigen Gewitter schaffen wir einen kurzen Bummel durch die Hauptstraße und am Seeufer entlang. In sintflutartigem Regen rollen wir dann zum Übernachten auf einen Wanderparkplatz nicht weit vom Stadtzentrum. Es schüttet die ganze Nacht wie aus Eimern.

Wasserflugzeug-Bahnhof in Kenora

Wegen Erdrutschen aufgrund des Unwetters ist der Highway am anderen Tag Richtung Osten gesperrt. Da war die Macht wieder einmal mit uns, fahren wir doch in westlicher Richtung. Bei allerschönstem Wetter frühstücken wir am Hafen von Kenora und schauen den Wasserflugzeugen beim Starten und Landen zu, die die Versorgung der Inselbewohner sichern. Wir schlendern über den Farmers Market von Kenora. Mennoniten haben einen großen Verkaufsstand. Diese deutschstämmige, konservativ christliche Glaubensgemeinschaft lehnt moderne Lebensweisen und Technik ab. In Manitoba leben rund 31000 Mennoniten. Besonders in der Nähe von Winnipeg findet man viele Orte mit deutschen Namen, die von Mennoniten gegründet und noch heute von ihnen bewohnt werden.

Trans Canadian Highway durch die Prairie – leer und ermüdend
Mennoniten- Freilichtmuseum

In Steinbach besichtigen wir ein Freilichtmuseum der Mennoniten und erfahren viel über deren Geschichte. Am Nachmittag steht Sightseeing in Winnipeg an, der Hauptstadt von Manitoba und ersten Großstadt nach dem 2100 Kilometern entfernten Toronto. Die Innenstadt wird geprägt von Hochhäusern und Einkaufszentren. Im Exchange Destrict gibt es noch einige alte Häuser mit den hier  typischen Feuerleitern und düsteren Hinterhöfen. Schön ist der Park am Fluss mit der Forks Food Hall, einer alten Fabrik mit vielen Fast Food Restaurants. Insgesamt lohnt sich der Besuch von Winnipeg nicht, ist aber trotzdem für uns eine willkommene Abwechslung. Bis Calgary, der nächsten großen Stadt, sind immerhin noch 1300 Kilometer Prärie zu durchfahren. Als Stellplatz für die Nacht dient uns wieder ein Walmart-Parkplatz.

Winnipeg
und wieder eine Nacht auf dem Parkplatz eines Walmart-Supermarktes

Von Winnipeg nach Pincher Creek (1516 km)

Nach Winnipeg rollen wir also über den von nun an durchgängig vierspurigen Transcanadian Highway #1. Bald passieren wir die Grenze zur Provinz Saskatchewan und können schon wieder die Uhr eine Stunde zurück stellen. Endlos zieht sich das Straßenband zum Horizont. Das Fahren ist angenehm entspannt mit relativ wenig Verkehr und durch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 110 km/h  bewegen sich alle, auch die gigantischen Lkw, in ähnlichem Tempo. 

Super-Truck – einfach gigantisch

Die beiden Richtungsspuren sind auf den Highways durch einen grünen Mittelbereich getrennt, der teilweise so breit ist, dass wir die Gegenrichtung nicht mehr sehen können. Um den Highway zu kreuzen, quert man ihn in zwei Etappen und kann im Mittelbereich warten. Dadurch werden  aufwändige Rampen- und Brückenbauwerke gespart. Platz gibt es ja in Kanadas Prärie genug. Nach drei Stunden wird es uns zu langweilig, nur an endlosen Feldern entlang zu fahren.

Endlose Felder bis zum Horizont begleiten den Trans Canadian Highway
Typisches Farmgelände abseits des Highways

Wir biegen ab auf schmale, teilweise nur geschotterte Straßen und sofort ändert sich der Landschaftseindruck. Nun nehmen wir sanfte Hügel und kleine Flussläufe wahr, sehen Farmhäuser versteckt in Baumgruppen liegen, passieren kleine Orte und fahren dann wieder lange durch die Einsamkeit der weiten Landschaft. Wie mag es hier vor 100 Jahren gewesen sein, als noch hohes Grasland die Prärie bedeckte und dies die Heimat riesiger Büffelherden war?

Rund 60 Kilometer vor Regina kommen wir wieder auf den Highway. Die 170.000 Einwohner zählende Hauptstadt Saskatchewans ist eine Oase mit ihren sehr schönen großen Parks an einem See. Genau das Gegenteil sind aber leider die Walmart Parkplätze Saskatchewans, die sehr groß und voll sind und direkt an den sehr lauten Highways liegen. Hier finden wir kein ruhiges Plätzchen für die Nacht. Also fahren wir noch eine Stunde weiter bis Moose Jaw, dessen Walmart mit seinen ruhigen Stellplätzen am Rande mit Blick auf einen Golfplatz fast eine Idylle ist. Mit uns übernachten noch 8 andere Camper hier!

Am nächsten Morgen wird Master Yoda wieder von einigen Passanten bewundert und fotografiert. Wir haben nun schon Routine darin, die üblichen Fragen in Bezug auf Ausstattung und technischer Details zu beantworten. Dank unseres in Nordamerika fast unbekannten Fahrzeugs entwickeln sich so immer nette Unterhaltungen.

Hinter Moose Jaw wird die Landschaft hügeliger und einsamer. Häufig fahren wir nun an Weideland vorbei. Das lange Gras wird vom heftigen Präriewind in Wellen bewegt, vereinzelt grasen Rinderherden. Darüber wölbt sich ein endlos weiter Himmel mit herrlichen Wolkenbildern. Mich erinnert das an die 250 Kilometer lange Wanderetappe auf dem CDT durch das Great Basin in Wyoming und ich denke mit etwas Wehmut daran, wie viel intensiver und reicher die Eindrücke dort waren.

So schön ist die Prairie entlang der kleinen Straßen

Nach rund 300 Kilometern verlassen wir den Transcanadian und rollen nach Süden. Unser Tagesziel ist der noch ca. 80 Kilometer entfernte Cypress Hill Lake, an dessen Ufer mitten im Nirgendwo ein einsamer, kostenloser Campingplatz mit Trockentoiletten liegt. Gesellschaft leisten uns viele zutrauliche Präriehunde. Dort verbummeln wir den Nachmittag in herrlicher Ruhe. Abends ist es damit aber vorbei. Einige Camper feiern das Wochenende mit lauter Musik bis spät in die Nacht. Und der ewig dröhnende Generator darf auch nicht fehlen.

Sonnenuntergang am Cypress Hill Lake
Echte Western-Stimmung in Fort Walsh

Richtige Westernatmosphäre schenkt uns tags darauf der Besuch von Fort Walsh.  Die sehr gut rekonstruierte Anlage eines typischen Forts aus der Zeit der Siedlertrecks lohnt auf jeden Fall einen Besuch. Fort Walsh wurde 1875 am Schauplatz eines Massakers an einer Gruppe Indianer durch Weiße errichtet. Hier hatte dann die kurze Zeit später gegründete Royal Canadian Mounted Police ihr Hauptquartier. Aufgabe der Mounties war, die Besiedlung des Westens auf möglichst friedliche Weise zu sichern und solche blutigen Übergriffe zu verhindern. Nach zwei Wochen Autofahren ist besonders die zweistündige Wanderung durch die wunderschöne einsame Umgebung des Forts ein richtiger Genuss.

Präriehunde sind überall und einfach süß

Nach einigen wenigen Kilometern Autofahrt erreichen wir dann am frühen Nachmittag  den sehr schönen Westblock Backcountry-Campground im Cypress Hill Provincial Park fernab der Straße, der uns mit Plumpsklo, einer sonnigen Waldwiese und Holz für die Feuerstelle alles bietet, was wir brauchen. Nachts genießen wir einen phantastischen Sternenhimmel. Hier soll es zahlreiche Pumas geben. Natürlich sehen wir keines der scheuen Tiere, dafür jeder Menge sehr zutrauliche etwa meerschweinchengroße Präriehunde und einige Rehe.

Red Rocks Lookout – endloses Grasland und ganz in der Ferne die Rocky Mountains

Die Landschaft entlang der weiteren Fahrt über eine gute Schotterstraße durch die Cypress Hills erinnert uns sehr an den Schwarzwald. Wir sind nun auf 1400 Metern Höhe, hier gibt es Tannenwald und blühende Almen. Ganz anders dann der Ausblick von den Red Rocks hinab in die Prärie, die sonnendurchglüht einige hundert Meter unter uns liegt. Am Horizont können wir schon die Silhouette der Rocky Mountains sehen. Über autofreie, geschotterte Highways rollen wir den Bergen entgegen. Wie schön ist es hier, abseits der Autobahn, in diesem endlos weiten Grasland.

Wir fahren die letzten 100 Kilometer nach Lethbridge dennoch auf dem autobahnähnlichen Highway #3 und sofort sind wir wieder mitten in der Tristesse öder Dörfer, deren kulturelles Zentrum die Tankstelle, die Getreidesilos und der McDonald’s am Highway sind. In Lethbridge, der letzten großen Stadt vor den Bergen, kaufen wir Proviant für ca. 3 Wochen. Nach Calgary wollen wir nicht, unser Bedarf an Hochhäusern und Übernachtung auf Supermarkt-Parkplätzen ist vorerst gedeckt. Am Old Man River kurz vor Pincher Creek übernachten wir. Die Angler dort sind so begeistert von Master Yoda, dass sie uns eisgekühltes Bier spendieren. Ein Genuss bei 30 Grad.

Highlight der Prärie-Dörfer: die Skyline der Getreide-Silos

 

Ein Kommentar

  1. Gut zu lesen das Master Yoda auch standhalt gegen Tischtennisball grosse Hägelkörner! Viel Glück auf eur weiteres Abenteuer!

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