In den Ostfjorden Islands

Fast haben wir nun die Insel umrundet, der Kreis ist beinahe geschlossen. Es fehlen aber noch die tief eingeschnittenen einsamen Buchten im Osten. Die markanten Felsgipfel der Ostfjorde werden auch als die Alpen Islands bezeichnet. 

Unsere Route durch Island bis zu den Ostfjorden

Sturm am Kap Hvalnes

Am 18.9. nähern wir uns den Ostfjorden. Das Landschaftsbild der Küste ändert sich nun schlagartig. Die Sander und Schwemmebenen mit ihren weiten Weideflächen und Farmen verschwinden. Steile Fels-und Schotterberge reichen jetzt fast bis ans Meer heran. In der Bucht Lón hat sich ein Haff gebildet, das Lebensraum für unzählige Singschwäne ist. Am Ende der Bucht beim Kap Hvalnes gibt es einen Leuchtturm mit Parkplatz und traumhaften Blick. Das wird unser Standort für den Rest des Tages und die Nacht. Das sonnige Wetter ist genau richtig für einen langen Spaziergang am breiten, schwarzen Strand, gegen den mit Wucht die Brandung donnert. Die Gischt bildet einen salzigen Nebel über der Bucht. Auf der anderen Seite der Sandbank dümpeln hunderte Schwäne im seichten, ruhigen Wasser. Warm genug angezogen kann man sogar noch im wärmenden Sonnenlicht am Strand liegen, denn es ist fasrt windstill. Nachts kommt dann aber ein ordentlicher Sturm auf, da stehen wir auf unserem exponierten Aussichtspunkt quer zum Wind genau richtig. Obwohl wir sicherheitshalber schon das Ausklappdach unten gelassen haben, wird der Bus wild hin und her geschüttelt. Irgendwann wird uns das Ganze zu heikel und Olaf dreht mitten in der Nacht das Fahrzeug – endlich ist Ruhe im Karton.

Blick von unserem Stellplatz am Kap Hvalnes
Steilküste bei Kap Hvalnes

Am nächsten Morgen ist zunächst alles in tief hängende Wolken gehüllt. Doch dann klart es auf und es wird doch noch ein richtig schöner Spätsommertag. Auf dem weiteren Weg nach Osten reichen die Berge bis ans Meer, so dass die Straße  hoch in die schottrigen Steilhänge der Berge hineingebaut werden mußte. Im Alftafjödur wird es wieder flacher, es gibt sehr schöne Rastplätze mit herrlichen Ausblicken auf die Küste. Bei einem kurzen Strandspaziergang hatten wir jedoch wirklich Mühe unseren Bus wieder zu erreichen, denn gegen den Wind, der uns mit über 70 km/h entgegen pustete, konnten wir kaum angehen. Für isländische Verhältnisse ist das aber nur ein laues Lüftchen, von „Sturm“ redet man hier bei 120 km/h und mehr. 

 

 

Auf der Schafsfarm Eyjolfsstadir

Djupivogur ist der erste Ort der Ostfjorde. Er liegt malerisch vor der Kulisse des markanten Berges Teigarhorn, der wie eine riesige Pyramide über dem Fjord thront. Wir schlendern um den kleinen Hafen und machen einen “Großeinkauf“ im Supermarkt, bei dem wir stolze 10 Euro für einen Becher Skyr, ein Pfund Möhren und 400 Gramm Butter zahlen dürfen. Nur 18 Kilometer hinter dem Ort fahren wir am Ende des Fjords in das geschützte Fossardal hinauf. Hier liegt der Hof Eyjolfsstadir, der einen schönen Campingplatz und Zimmer anbietet. Wir sind die einzigen Gäste. Den spätsommerlich warmen Nachmittag verbringen wir mit einer kleinen Wanderungen durch das sonnige Tal, entlang dem Bach und seinen unzähligen Wasserfällen. Das Gelände der Schafsfarm ist riesig, es umfasst das gesamt Tal bis hinauf in die Berge. 

Am folgenden stürmischen Regentag ist der gemütliche Aufenthaltsraum unsere Zuflucht. Abends legt der Wind so zu, dass Gunhild, die Farmerfrau, uns anbietet kostenlos im Gästehaus zu schlafen. Ehrensache, dass wir natürlich unserem Sandfloh treu bleiben.

Blick vom Fossardal zum Meer

Der nächste Morgen ist wieder wolkenlos, aber frostig. Nach dem Frühstück lädt uns Gunhild ein mit ihr nach den Schafen zu schauen. Da sagen wir natürlich nicht nein. Exklusiv für uns gibt es noch eine Rundfahrt über das Farmgelände, verbunden mit interessanten Erläuterungen zur Geschichte des Tales und Schafzucht. Im Geländewagen flitzen wir flott eine Stunde bergan durch bis hoch oben ins Fjäll zur Wasserscheide. Es ist eine wunderbare Gegend, die weite, windgepeitschte Hochfläche uns an Lappland. Der Blick reicht bis zum Meer und den Gletschern Ðrandarjökull und Snaefell. Dann geht es hinunter zu den Schafen, die in den letzten Tagen von den Bergen ins Tal gebracht wurden. Die Lämmer, die noch zu wenig Gewicht zum Schlachten haben, kommen auf saftige Weiden, wo sie sich innerhalb kurzer Zeit richtig viel Fett anfressen. Das hat aber zur Folge, dass sie beim Aufstehen manchmal einfach umkippen und sich wegen ihres dicken Bauches aufrichten können. Ohne Hilfe würden sie verenden. Deshalb müssen die Tiere zwei Mal täglich kontrolliert werden. Heute wird das mit moderner Technik erledigt. Gunhild läßt eine Drohne fliegen und kann dann per Monitor sehen, ob alle Tiere auf den Beinen sind. Die Farm hat 500 Schafe und jedes Jahr 200-300 Lämmer. Trotzdem muss der Farmer noch nebenher einen Job in Egilsstadir und den Campingplatz haben, damit sie über die Runden kommen. Früher gab es hier 14 kleine Farmen in Tal, die letzte wurde vor 75 Jahren aufgegeben. Für uns ist das alles sehr interessant und nach zwei Stunden sind wir total fit in Sachen Schafzucht. Ein toller Vormittag und vielen Dank an Gunhild von Eyjolfsstadir.

Fjordhopping

Unsere weitere Fahrt führt uns zunächst nach Fáskrúðsfjördur, wo wir auf dem Campingplatz übernachten. Wie fast alle Plätze hier hat er bereits seit Mitte September geschlossen, aber man kann trotzdem parken. Die Ostfjorde sind eine ruhige Gegend, weit weg vom Massentourismus, und man lebt nach wie vor überwiegend vom Fischfang. Aber auch hier mußte man lernen, dass man die Natur nicht ungestraft ausbeuten kann. Der Boom der Heringsfischerei Mitte des 20. Jahrhunderts dauerte nur 10 Jahre, dann waren die Fanggründe leer, wie überall um Island, und der Niedergang vieler Dörfer begann.

Von Gletschern blnak geschliffen- Berge in den Ostfjorden

Auch heute noch sind die Orte einfach und funktionell, die Häuser ähnlich schlicht wie im Norden. Bis zu 30 Kilometer reichen die geschützten Buchten ins Landesinnere. Sie werden gesäumt von 600 – 1000 Meter hohen Bergen, die von Gletschern zu großartigen Formen geschliffen wurden. Wie mit einem Hobel sind die Bergflanken glatt gescheuert, die Gipfel und Grate sind messerscharf geschnitten. Eine dramatische Landschaft, die im milden Herbstlicht, das auf den Fjorden glitzert und das goldene Laub der Birken und die bunten Häuser leuchten läßt, eine richtige Idylle ist. Im Winter scheint jedoch kaum ein Sonnenstrahl hinein und die Lawinengefahr für die Orte unterhalb der steilen Berghänge ist groß.

Wenig romantisch präsentiert sich der Ort Reyðarfjöður mit seiner großen Aluminiumhütte. Dafür mußte im Hochland der jahrelang heiß umstrittene Kárahnjúkar-Stausee zur billigen Stromgewinnung gebaut werden. Ehemals reißende Gletscherflüsse sind nun nur noch normale Bäche und im Hochland haben die Sandstürme zugenommen, der Lebensraum der Rentiere und vieler Vogelarten ist verschwunden. Ein Umweltfrevel, der hier aber angesichts von 400 neuen Arbeitsplätzen und schwindenden Fischbeständen in Kauf genommen wird. Aber ob dieser vermeintliche Vorteil wirklich nachhaltig ist, sei in Frage zu stellen, zumal die Aluhütte nicht rentabel ist und dort, wie auch in der Fischindustrie, kaum noch ein Isländer arbeiten will.

Reyðarfjöður

Mittlerweile verbinden Tunnel die Orte untereinander und mit dem wichtigen Zentrum Egilsstadir. Wir aber fahren natürlich entlang der Straße von Fjord zu Fjord. Die Sonne leuchtet vom wolkenlosen Himmel, die Berge spiegeln sich bei totaler Windstille im tiefblauen Wasser. Die Fahrt am Meer hat fast mediterranen Charakter, zumindest bis man die Autotür öffnet. Denn es ist für uns verwöhnte Mitteleuropäer schon winterlich kalt. Nachts gibt es heftigen Frost, im Auto ist es morgens nur knapp über Null Grad. Von nun an ist die lange Wollunterhose Tag und Nacht unser bester Freund.

 

Auf dem Weg nach Eskifjödur

Hinter dem netten Fischerort Eskifjödur führt die alte Straßenverbindung zum Nachbarfjord mit 13% steil bergauf zum einem ca. 600 m hohen Skigebiet. Hier geht die geteerte Straße in einem einspurigen Tunnel unter der Passhöhe hindurch. Der Eingang ist jedoch gesperrt und wir denken schon, dass wir nun doch wieder hinunter ans Meer und dann durch den großen Tunnel müssen, der erst im nächsten Fjord bei Neskaupstaður endet. Doch dann entdecken wir die alte schmale und für 4WD leicht fahrbare Piste, die uns über den Pass bringt und etwas weiter unterhalb wieder in eine geteerte Straße übergeht. So können wir eine herrliche Abfahrt hinunter zum Nordfjödur genießen, an dessen Anfang der langgestreckte freundliche Fischerort Neskaupstaður liegt. Hier spielt der Fischfang noch die Hauptrolle, was man anhand des Duftes, der über dem Ort liegt, auch riechen kann. In der großen Fischfabrik vor dem Ortseingang arbeiten überwiegend billige Saisonkräfte aus Osteuropa, die in Containern oberhalb des Campingplatzes wohnen.

Winteranfang und Nordlichtjagd

Pünktlich zum offiziellen Herbstbeginn beginnt es morgens kräftig zu schneien, bei nur Null Grad ist im Nu alles weiß gezuckert. Allerbestes Wetter um ins Freibad zu gehen. In den Hot Pots sind ungeachtet der winterlichen Temperaturen bereits die Senioren des Ortes für ihr übliches Treffen versammelt. In einem Heißwasser-Becken hocken die Damen zum Dorfklatsch zusammen, im anderen tagt die Altherrenrunde. Zwischendurch taucht man mal ins nur 4 Grad warme Kaltwasserbecken zum Abkühlen oder krault ein paar Runden im Schwimmerbecken. Wir bewundern die Fitness der alten Leute und genießen dieses Original isländischen Lebensstils. Ein Besuch im urigen Dorfcafé und ein Rundgang durch den Ort bei mittlerweile wieder blauem Himmel und herrlichen Blick auf die verschneiten Berge runden den Rentnertag ab.

Fast ein Wintermärchen
Neskaupstaður

Für die nächste Nacht ist erhöhte Sonnenaktivität angesagt. Natürlich möchten wir unbedingt einmal richtig tolles Nordlicht sehen. Dafür braucht man aber auch zusätzlich wolkenfreien Himmel. Deshalb fahren wir wieder Richtung Süden und übernachten am Ufer des Fáskrúðsfjördur, wo die Chancen laut Wetterbericht gut sind. Und wirklich, ab 21.00 Uhr beginnt die Vorführung. Leuchtende Schleier erhellen den Himmel. Lautlos formen sich Girlanden und wehende Vorhänge grünen Lichts, verändern ständig ihre Gestalt, tanzen durch die Nacht, verlöschen wieder und flackern an anderer Stelle neu auf. Fasziniert verfolgen wir das Schauspiel, warten auf immer neue Lichtbänder und können uns nicht satt sehen. Dabei sitzen wir im warmen Bus, so dass der Genuss nicht durch die nächtlichen Eiseskälte getrübt wird. Ein wirklich wunderbares Erlebnis, das regelrecht süchtig macht. Denn für die folgende Nacht soll die Sonnenaktivität noch weiter steigen, allerdings ist es in den Ostfjorden dann bewölkt. Auf der Jagd nach dem Nordlicht fahren wir also wieder nach Süden. Hier ist es sonnig, aber bei Nordwind mit Böen uber 100 km/h kann man den Bus nicht für einen Spaziergang verlassen. So landen wir schon am frühen Nachmittag zwischen Djupivogur und Kap Hvalnes auf einem einsamen Stellplatz am Meer mit freiem Blick auf die sturmgepeitschte See. Und wieder schlagen wir uns die halbe Nacht um die Ohren. Doch dieses Mal ist im Norden nur ein sehr helles Leuchten über dem gesamten Himmel zu sehen, es ist nicht klar genug.

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