Lago Atitlan

Guatemala – Antigua, Lago Atitlan und Vulkan Fuego

Wartung des Landcruisers

Annette wird Ende Januar von Deutschland zurück nach Guatemala fliegen. Bis dahin werde ich mich in Antigua und San Marcos La Laguna am Lago Atitlan aufhalten.

Wartung des Landcruisers bei SPEC Garage GT in der Nähe von Antigua
Wartung des Landcruisers bei SPEC Garage GT in der Nähe von Antigua

Doch zunächst bin ich in der Spec Garage GT in Santa Lucia Milpas Altas bei Antigua. Da ich von der Werkstatt nur Gutes gehört habe, lasse ich hier alle nach dem Wartungsplan von Toyota fälligen Wartungsarbeiten vornehmen. Einige weitere Arbeiten ziehe ich vor um nicht nach einigen tausend Kilometern einen erneuten Werkstattaufenthalt vor mir zu haben. In der Spec Garage von Axel stehen sechs Fahrzeuge von Overlandern. Einige warten seit Wochen auf Ersatzteile aus Europa. Insbesondere Teile für Sprinter sind in Guatemala kaum zu bekommen. Zum Glück kann man bei Axel auch gut im eigenen Fahrzeug übernachten. Es gibt sogar Duschen. Der Zeitplan für Arbeiten ist regelmäßig Makulatur, wenn Ersatzteile oder Schmierstoffe aus Guatemala City geholt werden müssen. Die Stadt ist zwar nur 30 Kilometer entfernt, aber der Verkehr ist wahnsinnig. Morgens schiebt sich eine Blechlawine nach Guatemalas Hauptstadt hinein und Abends quälen sich alle wieder hinaus. An meinem zweiten Tag in der Werkstatt widmet Axel seine volle Zeit meinem Landcruiser und kann einen größeren Teil der fälligen Arbeiten erledigen. Leider müssen alle Öle mit Ausnahme des Motoröls aus Guatemala City beschafft werden. Ich werde also für einen zweiten Termin im Januar wiederkommen müssen. In Mittelamerika lernt man, geduldig zu sein.

Antigua

Ich fahre ins nur wenige Kilometer von der Werkstatt entfernte Antigua. Dort übernachte ich wieder auf dem Gelände von Verde Eventos. Die Anlage wirkt fast wie ein englischer Garten. Sie kann für private Feierlichkeiten angemietet werden. Zu diesem Zweck verteilen sich in der Parkanlage drei von Pflanzen eingefasste Bereiche mit kleinen Bühnen.  Ich  wusste nicht, dass an den letzten Tagen vor Weihnachten vermehrt Feierlichkeiten abgehalten werden. Ich verlagere meinen Standplatz bei jeder Veranstaltung in einen möglichst weit davon entfernten Bereich des Parks. Natürlich finden die Events immer Abends statt. Natürlich kommen immer viele Leute, bei Hochzeiten sind es immer einige hundert. Und natürlich fahren jeweils Lastwagen mit großen Musikanlagen vor. Aufgedreht wird dann soweit es die Anlagen hergeben. Und das ist nicht wenig. Die gute Nachricht ist, irgendwann zwischen 22 und 24 Uhr ist immer Schluss. Ich lasse in diesen Nächten das Aufstelldach unten und kann mit der gedämpften Beschallung ganz gut schlafen. Am nächsten Morgen präsentiert sich der Rasen, auf dem gefeiert wurde, immer als Müllplatz. Dann kommen zwei gute Geister mit Müllsäcken und sammeln in Handarbeit den ganzen Abfall ein. Sogar auf der Wiese für die Hochzeiten ausgestreute Blütenblätter werden in Handarbeit eingesammelt.

Ich bleibe mehrere Tage in Antigua und habe natürlich inzwischen meine Stammplätze. Sehr gerne sitze ich auf dem zentralen Platz und schaue dort den Straßenhändlern zu. Sie versuchen, den üblichen, völlig überflüssigen Kram an die Touristen zu verkaufen. Sogar zwei Fotografen drehen ihre Runden und bieten Porträts an, die sofort auf Polaroid ausgedruckt werden. Im Zeitalter der Smartphones laufen solche Geschäfte allerdings nicht mehr gut. Ich beobachte ganze Familienverbände, die auf dem Platz ausschwärmen und die unterschiedlichsten Dinge verkaufen. Diversifikation ist angesagt. Die Straßenverkäufer sind alle Mayas, oft haben sie auch ihre Kinder dabei. Nie sind sie aufdringlich und versuchen den Touristen etwas aufzudrängen. Natürlich werden die Sachen angepriesen, aber wenn man abwinkt, hat man sofort seine Ruhe.

Hauptplatz von Antigua
Hauptplatz von Antigua

In Antigua gibt es eine sehr große Anzahl Koffeeshops und Restaurants. Häufig wird auch selbst gerösteter Kaffee zum Mitnehmen, Probieren oder direktem Verzehr im Café angeboten. Die Qualität ist so unterschiedlich wie die Preise. Wo viele westliche Touristen sind, steigen selbstverständlich die Preise. Der Cappuccino kostet hier oftmals nicht viel weniger als in Deutschland. Wer weniger bezahlen möchte, muss die weniger auf westlichen Geschmack getrimmten Stätten besuchen. Am Rande der Altstadt befindet sich ein riesiger Markt, der dort jeden Tag geöffnet hat. Neben Obst und Gemüse gibt es dort auch Kleidung und Garküchen. Letztere sind sehr rustikal und eher auf die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung ausgerichtet. Ich sehe nur wenige Touristen auf dem Markt. Die meisten übernachten in Hotels und brauchen keine Lebensmittel und die Garküchen können auch mal zu einem Abenteuer für den Magen- und  Darmtrakt werden. Gekühlt wird auf solchen Märkten in der Regel nichts und gespült wird den ganzen Tag über immer mit dem selben Wasser.

Für mein tägliches Mittagessen entdecke ich das Restaurant Samsara. Es wird eigentlich nur von Touristen aufgesucht und bietet sehr schmackhafte vegetarische und vegane Gerichte an. Über mehrere Tage kann ich dort die Speisekarte rauf und runter essen. Ich brauche mal etwas anderes als die in Mittelamerika allgegenwärtigen Bohnengerichte, Tacos und Co. Gleich um die Ecke finde ich als Kontrastprogramm zum Samsara die Panaderia San Antonio Lo de Chukchi-Chuchi. Ihre Einrichtung hat sich im Laufe ihres sehr langen Daseins noch nie verändert. In einem Raum befindet sich der Verkaufstresen mit Brot und Gebäck für die Laufkundschaft und gleich dahinter sehen wir in die Backstube. Nebenan sitze ich in einem winzigen gemütlichen Gastraum mit nur vier Tischen. Davon sind drei mangels Fläche an den Wänden aufgereiht und man sitzt entweder mit dem Blick zur Wand oder quetscht seinen Stuhl irgendwie zwischen zwei der äusserst schmalen Tische um vom Treiben etwas mitzubekommen. Hier gibt es keinen Cappuccino aus einer teuren verchromten Kaffeemaschine. Es wird nur Filterkaffee aus einer Warmhaltekanne ausgeschenkt. Bei meinen Besuchen treffe ich in der Panaderia keinen einzigen ausländischen Touristen an. Während ich mich mit Gebäck zufrieden gebe, stehen die Tische der einheimischen Gäste voll mit den üblichen üppigen Desayunos, den guatemaltekischen Frühstücksgerichten. Auch hier gibt es ein Hinterzimmer, wo die bestellten Speisen und Getränke zubereitet werden. Durch die stets offene Tür kann ich den Frauen bei ihrer Arbeit zuschauen. Mit Tempo und Geschick werden die immer gleichen Speisen hergerichtet. Die wenige Arbeitsfläche ist vollständig zugestellt. Hier stapeln sich Berge gebrauchten Geschirrs, das aufs Spülen wartet, dort ein Sammelsurium aus Eierschalen, Obstresten und vielem mehr und dazwischen wird irgendwie ein neues Gericht hergestellt. Faszinierend. Erst nach mehreren Besuchen begreife ich, dass der kleine Wandschrank im Gastraum eine Toilette beherbergt. Welch eine pfiffige Idee, die allerdings ihren Benutzern eine gute Körperbeherrschung abverlangt.

Hauptplatz von Antigua
Hauptplatz von Antigua
Hauptplatz von Antigua
Hauptplatz von Antigua

Es gibt sogar einen Starbucks in Antigua. Nur einmal suche ich ihn auf um in einem der Räume in Ruhe schreiben zu können. Dabei stelle ich fest, dass der Kaffee dort mit ausnahmslos keinem der vielen lokalen Coffeeshops konkurrieren kann. Die Kaffeehäuser Antiguas sind in fast alle sehr klein und durchgängig hinsichtlich ihrer Einrichtung auf den Geschmack westlicher Touristen ausgerichtet. Und es wird unterstellt, dass westliche Touristen einen Platz brauchen, an dem sie stundenlang auf ihren Macbooks tippen können. So besteht ihre Einrichtung sehr häufig aus winzigen Tischen für zwei Personen mit der Möglichkeit, sein elektronisches Equipment aufzuladen und über das WLAN des Cafés Zugriff aufs Internet zu erhalten. Also sitzen wir Touristen in den Cafés mit unseren MacBooks und sind online. Kaum jemand wagt es, etwas anderes als ein Macbook zu verwenden, das Logo von Apple ist auf den Geräten der Touristen allgegenwärtig. Das Café Grande dürfte das kleinste in Antigua sein. Es gibt hier keinen einzigen Tisch und lediglich zwei kurze Holzbänke. Ansonsten besteht das Café nur aus einem Tresen mit einer riesigen verchromten Kaffeemaschine dahinter. Wie man damit Umsatz und Gewinn machen kann ist mir schleierhaft. Der Kaffee schmeckt sehr gut, aber wer lässt sich guten Kaffee als To Go in einen Pappbecher abfüllen?

Fahrt nach San Marcos La Laguna

Nach drei Tagen verlasse ich Antigua kurz vor Weihnachten um zurück an den schönen Lago Atitlan in den Ort San Marcos zu fahren. Für lediglich 150 Kilometer benötige ich sechs Stunden. In Chimaltenango lasse ich eine Gasflasche auffüllen. Der Gasverkauf liegt am Rande des Ortes und ist wie ein Militärgelände geschützt. Am Tor erwarten mich ein Wachmann mit einer Pumpgun und ein Mitarbeiter für das Administrative. Ich muss meinen Pass vorzeigen und für die Dauer meines Aufenthaltes abgeben. Ich bin vorbereitet und zeige grundsätzlich nur laminierte Kopien vom Reisepass und bei Bedarf auch Kopien vom Fahrzeugschein und Führerschein. Das ist in allen Ländern südlich der Staaten üblich und wird auch von der Polizei überall akzeptiert. Korrupte Polizisten behalten gerne mal Originalpapiere ein und geben sie erst gegen einen Geldbetrag wieder heraus. Oder die Papiere werden Opfer des Schlendians und gehen verloren. Also hinterlasse ich eine Kopie meines Ausweises am Tor zum Gasverkauf. Der Torwächter trägt alle Daten gewissenhaft in eine Liste einschließlich der Größe meiner Gasflasche ein. Ich erhalte einen Besucherausweis, den ich mir um den Hals hängen muss und kann endlich zur Abfüllstation vorfahren. Dort gebe ich meine winzige Gasflasche ab und werde mit einem Beleg zur 30 Meter entfernten Kasse geschickt. Vor mir wartet ein Großeinkäufer, der einen ganzen Pickups voller großer Gasflaschen zu bezahlen hat. Irgendwann bin ich dann endlich dran. Ich stehe vor einem winzigen mit Gittern und Maschendraht geschützten Fenster. Drinnen stellt mir eine Frau irgendwelche Fragen, die ich mit meinen rudimentären Spanischkenntnissen und durch den dichten Draht nicht verstehe. Ist auch egal, sie hat mich sofort messerscharf als Ausländer eingeordnet und daraus ihre Schlüsse für den weiteren Ablauf des Bezahlvorgangs gezogen. Sie erfasst alles mögliche in einem Computer und zusätzlich natürlich in eine Liste. Für das Auffüllen zahle ich einen lächerlich geringen Betrag, bedenkt man den sich darum rankenden Aufwand. Aber Arbeitszeit und Personalkosten spielen hier nirgends eine Rolle. An der Rampe der Abfüllstation wartet schon meine Flasche auf mich. Prima, dass hier in Mittelamerika überall die US-Normen für die Anschlüsse der Gasflaschen gelten. Am Ausgang tausche ich noch meinen Besucherausweis gegen die Kopie meines Reisepasses und bin wieder frei. Es sei erwähnt, dass ich in Mexiko nie mit solchen Sicherheitsvorkehrungen beim Tanken von Gas konfrontiert wurde.

Chimaltenango entpuppt sich als ein endlos langgestrickter Straßenort an der CA1, der guatemaltekischen Pan Americana. Er scheint sich vollständig auf den Verkauf von Teilen und alle erdenklichen Dienstleistungen rund um Kraftfahrzeuge spezialisiert zu haben. Über Kilometer reihen sich die Geschäfte aneinander. Die meist winzigen Geschäfte in Garagengröße spezialisieren sich in der Regel auf wenige Produkte wie Radios, Stoßdämpfer, Kuhfänger („Frontschutzbügel“) und vieles mehr. Von jeder Sorte Geschäft gibt es gleich mehrere. Wie in jedem etwas größeren Ort gibt es auch hier sehr viele Tankstellen. Benzin kostet in Guatemala übrigens zur Zeit nur etwa 60 Prozent im Vergleich zum deutschem Treibstoff.

Angesichts eines kilometerlangen Staus verzichte ich darauf, auch noch eine Agua Purificada anzufahren. Südlich von den Staaten kommt aus den Wasserleitungen keine Trinkwasserqualität. Das gesamte für den Verzehr verwendete Wasser muss durch Filtern gereinigt werden. Wie in Mexiko kann man gefiltertes Wasser in 20 Liter fassenden Garafones kaufen. Viele Lebensmittelgeschäfte bieten Garafones an oder man kauft Wasser direkt an den Abfüllstationen, den Agua Purificadas. Wir füllen die Garafones sofort in unsere außen am Landcruiser hängenden Kanister um, die – ideal – auch 20 Liter fassen. Noch einfacher und preisgünstiger ist es, wenn wir unsere eigenen Natokanister an den Agua Purifiacadas abfüllen lassen. Sie haben ungefähr die Höhe der Garafones und passen perfekt und die Hähne der Abfüllanlagen. Es gibt sogar Selfservice-Stationen. In einen Automaten wirft man die geforderten Münzen und schon strömt das Wasser. Auch hier passen unsere Natokanister wunderbar.

Kurz vor meinem Ziel San Marcos am See Atitlan gerate ich mitten in dem winzigen Ort San Pablo in einen Stau. Die Straßen wurden in diesen kleinen Orten ursprünglich wohl nicht im Hinblick auf Autoverkehr angelegt. Sie sind sehr schmal und winden sich im Zickzackkurs durch die Orte. Die Route durch die Dörfer erschließt sich nicht immer dem Fremden. Manchmal ist sie durch auf die Häuser gemalte Pfeile gekennzeichnet. Wer falsch abbiegt muss das oftmals mit aufwändigen Rangieren bezahlen. In San Pablo haben sich zwei Lastwagen festgefahren. Wie in Mexiko, gönnt man auch in Guatemala den anderen Verkehrsteilnehmern keinen Vorsprung, auch nicht wenn es zum eigenen Vorteil wäre. Anstatt den Lastwagen Platz zum Rangieren zu lassen, fahren die nachfolgenden Fahrzeuge in beiden Fahrtrichtungen bis unmittelbar hinter die LKW. Wie oft hat man mich überholt und die Lücke vor mir gefüllt, wenn ich in solchen Situationen vorausschauend Platz gelassen habe. Also werden die Laster mühsam hin und her rangiert bis sie irgendwann aneinander vorbei passen. Wenn es ganz schlimm kommt, muss beginnend vom Ende der Autoschlange rückwärts gefahren werden um Platz zu schaffen. Natürlich stehen zwischen den vor mir rangierenden Lastern auch noch parkende Fahrzeuge. Keiner kommt auf die Idee, sie wegzufahren. Die kleinen Tuktuks versuchen durch das Getümmel mit gewagten Manövern noch einen Weg zu finden, was Dank millimetergenauem Fahren auch gelingt. Ich wollte schon einen Kaffee auf der Fahrbahn kochen, als es überraschend weitergeht.

Die Abfahrt von der Pan Americana zum Lago Atitlan ist ein kleines Abenteuer für sich. Vor San Pablo windet sich die zweispurige Teerstraße in vielen Serpentinen steil zum See hinunter. Die Kehren sind so eng, dass ich auch mit dem Landcruiser oft die gesamte Gegenfahrbahn brauche. Schwer mit Steinen oder Zement beladene Lastwagen kriechen im Schneckentempo abwärts und kehren meistens leer wieder zurück. Zum Glück bleibt mir Gegenverkehr in den vielen Kehren erspart. Die Strecke ist dicht bewaldet, es ist nicht zu überblicken, was mich in den Kehren an Gegenverkehr erwartet. Mir bleibt nur, an den sensiblen Stellen in Schrittgeschwindigkeit zu fahren und bremsbereit zu sein. Es soll noch nicht lange her sein, dass diese Straße noch eine Schotterpiste war.

San Marcos La Laguna

Camping am Persaj Cap beim Lago Atitlan
Camping am Persaj Cap beim Lago Atitlan

In San Marcos schlage ich mein Lager wieder am Persaj Cap bei Pierre und seiner Frau auf. Die beiden Franzosen haben hier vor fast dreißig Jahren ein kleines Paradies geschaffen. Appartments und Stellplätze für Overlander verteilen sich über eine wunderschöne Gartenanlage, die von ihrem Mitarbeiter Diego mit Hingabe gepflegt wird. In dem sehr touristischen San Marcos und auch in der Anlage von Pierre sind sehr viele Amerikaner, aber auch ein nennenswerter Anteil Europäer zu Gast. Der Blick auf den See und die Vulkane am gegenüberliegenden Ufer ist einfach phantastisch und gehört zu den schönsten Guatemalas.

Ich bin  nicht mehr weit vom Äquator entfernt, was bereits jetzt schon konstant übers Jahr 12 Stunden Sonnenschein bedeutet. Mit dem Untergang der Sonne gegen 18 Uhr kommen die Moskitos. Es sind nicht sehr viele, aber das gleichen sie durch Hinterlassen sehr schmerzhafter Einnstiche aus. Also halte ich mich ab 18 Uhr im Landcruiser auf, erledige Büroarbeiten und mache meine Steuererklärung. Für Südamerika sind noch Chile und Argentinien zu planen. Es gibt mithin keine Langeweile am Abend.

Lago Atitlan
Lago Atitlan

Gerne sitze ich auch die letzte Stunde vor Beginn der Dunkelheit unten am Bootsanleger der Anlage. Auf Handzeichen halten die regelmäßig vorbei fahrenden Schiffe. In der Dunkelheit sind sie phantasievoll illumniert. Vorschriften scheinen nicht zu existieren. Auch bei den Kraftfahrzeugen funktionieren die Lampen in der Regel eher nicht. Es wird nur repariert, was zum Bewegen des Fahrzeugs unerläßlich ist.

Morgens um sechs stehe ich mit der Sonne auf, die hier eigentlich jeden Tag scheint. Dann sitze ich in einer kleinen Palapa, trinke eine Kanne Tee und genieße jeden Tag aufs Neue den Blick über das Wasser auf die Berge. Oft liegen die Vulkane auf der anderen Seite des lago Atitlan dann noch im Dunst und werden allmählich von der wärmer werdenden Sonne von ihrem Schleier befreit. In der Zeitung lese ich dann, was so alles in der Welt passiert ist und fühle mich davon ziemlich weit entfernt, was natürlich nicht der Realität entspricht. Die Äusserungen des in wenigen Tagen zum Präsidenten der USA werdenden Donald Trump führen nicht nur im nahen Mexiko zu Zukunftsängsten, sind diese Länder doch alle irgendwie von Änderungen in den Vereinigten Staaten betroffen. Besonders Mexiko ist wirtschaftlich eng mit den USA verflochten und die Drohung von Trump, die Automobilindustrie Mexikos in die Staaten zu verlagern hätte extreme wirtschaftliche Auswirkungen.

San Marcos
San Marcos

Regelmäßig gehe ich zum nahe gelegenen San Marcos, man kann schließlich nicht den gesamten Tag arbeiten. Entlang der kurzen Hauptstraße von San Marcos reihen sich Verkaufsstände und kleine Geschäfte aneinander. Bei den Obst- und Gemüseständen habe ich inzwsichen gelernt, die Spreu vom Weizen zu unterscheiden. Manche versuchen nach meinem Eindruck allzu touristische Preise durchzusetzen. Preisschilder gibt es natürlich nirgends. Andere Verkäufer bieten Ware, die ihre Lebensdauer schon deutlich überschritten hat. Bleiben immer noch genügend seriöse Geschäfte über. Von der Hauptstraße zweigt die Touri-Meile hinunter zum See ab. Das ist ein Fußweg von nicht einmal zwei Metern Breite, auf dem nicht einmal die allgegenwärtigen Tuktuks verkehren. Hier reihen sich Restaurants, Cafés und Souvenirläden aneinander. Bunte Kleidung gehört ebenso zum Angebot wie Amulette, Ringe, Ketten und Räucherstäbchen. Schmuck wird oft von Ausländern gleich am Wegesrand hergestellt. Es gibt auch viele Shops mit ökologisch geprägten Lebensmitteln, die mit ihrem Bioangebot längst nicht in jeder deutschen Stadt ihre Kunden finden würden. Aber hier in San Marcos verbringen viele stark alternativ geprägte Ökotouristen um die Dreißig ihre Zeit. Es sind keine verarmten Hippie, sondern junge Menschen, die einen alternativen Lebensstil zelebrieren und über Geld verfügen. Die Geräte mit dem Apfel gehören in San Marcos bei den meisten Amerikanern und Europäern zum Standardrepertoire, wenn sie stundenlang über das WLAN der Cafés im Netz surfen. Wer in seinem Restaurant die Einrichtung und die Menüs auf westlichen Geschmack ausrichtet, zieht in San Marcos die meisten Kunden an. Da sind die hier lebenden Ausländer, die im Ort ein Business aufgebaut haben, mit ihrem Wissen über die Vorlieben der Auslä

nder im Vorteil. Aber auch die Einheimischen haben herausgefunden, dass es eine nicht geringe Nachfrage nach probiotischen Getränken in individuell aussehenden Gefäßen, Mystik mit Räucherstäbchen und Weihrauch, Meditationskursen und vielen ähnlichen Dingen gibt. Eine Psychologin bietet Gespräche auf Spanisch und Englisch an. Manche der esoterisch geprägten Shops könnten auch in Freiburg oder Regensburg auf Kundschaft warten.

 

San Marcos
San Marcos

Eine deutsche Bäckerei darf natürlich in San Marcos nicht fehlen. Ich gestehe, auch zu den Stammgästen im „Circles Café and Bakery“ zu gehören. Um die Mittagszeit ist es hier häufig so voll, dass ich zunächst eine Warteschleife durch den Ort drehen muss. Blätterteiggebäck und Sauerteigbrot sind für meinen deutschen Geschmack aber auch einfach zu verführerisch. Leider sind die Preise auch nicht so weit von den deutschen entfernt, wie die geografische Distanz zu Deutschland und das wirtschaftliche Gefälle zwischen Guatemala und Deutschland eigentlich vermuten lassen. Bei den illustren Gästen von San Marcos dürfen Massagesalons und Piercing-Studios nicht fehlen. Räucherstäbchen entlang der Touri-Meile sorgen für die richtige Stimmung, sich quasi im Vorbeigehen stechen oder durchwalken zu lassen. Für mich bedeutet das, es gibt jeden Tag aufs Neue viel zu beobachten.

San Marcos
San Marcos
San Marcos
San Marcos

Es gibt sogar noch Einheimische in San Marcos. In Guatemala sind das zur Hälfte Mayas, die sich untereinander nicht auf spanisch sondern in ihrer eigenen Sprache unterhalten (K’iche‘, Kaqchikel usw.). Frauen tragen fast alle noch traditionelle, farbenfrohe Kleidung, die oft von Hand gewebt ist. Nicht selten informiert die Kleidung über die Herkunft, den sozialen Status oder den Familienstand der Trägerin. Sehr oft sehen wir den Corte, einen langen Wickelrock, der um die Taille gewickelt wird. Das ist keineswegs Festtagskleidung, sie wird auch zum Arbeiten getragen. Nur junge Frauen sehe ich manchmal in Jeans. Männer tragen ausnahmslos Jeans. In kurzen Hosen sieht man sie auch bei größter Hitze nicht. Dazwischen bewegen sich in San Marcos wir Touristen, Männer fast ausnahmslos in Shorts. Bei den jungen Damen weiß ich manchmal nicht, ob ihre Bekleidung noch in einem deutschen Freibad zulässig wäre oder eher ein Fall für den Nudistenstrand wäre. Aber hier in San Marcos haben sich die Einheimischen an das Outfit und das Auftreten der Touristen gewöhnt. Niemand lässt sich ein eventuell vorhandenes Befremden über die Fremden ansehen. Vielleicht ist es auch nicht vorhanden. Immerhin hat man die Kultur der Geld bringenden Fremden bisher nicht für mich sichtbar übernommen.

Straßenszene bei San Marcos
Straßenszene bei San Marcos
San Marcos
San Marcos

In dem nur 15 Bootsminuten entfernten San Pedro verkehrt eine andere Klasse von Touristen. Das drückt sich spürbar in den Preisen aus. Restaurants, Cafes, Hotels sind billiger. In San Marcos kann man auch bei Bedarf 300 €uro für die Nacht bezahlen, San Pedro ist einfacher gestrickt. Die Touri-Meile erstreckt sich hier entlang des Sees. Man sitzt im Cafe mit Blick auf Frauen, die im See Wäsche waschen. Nicht jeder partizipiert von den Touristen. Aber alle Orte rund um den See sind zum Glück vor der Eroberung durch den Massentourismus mit seinen großen Hotelketten und immergleichen Restaurantketten verschont geblieben. Mit zunehmender Entfernung vom Seeufer verblasst in San Pedro der Einfluss durch die Touristen zunehmend, was übrigens auch für San Marcos gilt. Es gibt auch eine Markthalle mit den typischen, Obst- und Gemüseständen und den blutigen Auslagen der Fleischer, die ohne Kühlung hängend auf Kundschaft warten. Davor warten immer einige der in Guatemala unzähligen Straßenhunde auf einen Bissen.

Die Hunde in Guatemala sind auch ein Thema. Sie sind allgegenwärtig. Hunde an der Leine, die artig mit ihrem Besitzer spazieren gehen, gibt es quasi nicht. Was sicher nicht daran liegt, dass in Guatemala eigentlich niemand auf die Idee kommt, spazieren zu gehen. Hunde laufen immer frei herum, wenn sie nicht ein Grundstück zu bewachen haben. Manche haben einen Besitzer und sehen gepflegt aus, viele sind auf sich selbst angewiesen und müssen ihr Futter jeden Tag aufs Neue finden. Hundekot ist in den Städten und auch in San Pedro und San Marcos ein Problem. Er liegt überall und wird nicht selten von unachtsamen Fußgängern platt getreten und verstreut. Besonders in den engen Gassen muss ich ständig den Blick auf den Weg richten um nicht ins Unglück zu treten. Ich habe keine Ahnung, ob die Wege zu selten gereinigt werden oder die Hunde soviel scheißen, dass man ihrer Hinterlassenschaften nicht Herr werden kann. Merkwürdig ist, dass ich im gesamten San Marcos nicht einen öffentlichen Mülleimer gesehen habe. Warum eigentlich nicht? Produziert hier kein Fußgänger Abfall? Es gibt durchaus eine Müllabfuhr. Das ist ein Pickup, der durch die Straßen fährt und auf dessen Ladefläche die Anwohner ihren in Plastiktüten gesammelten Müll werfen.

San Marcos
San Marcos

Müll ist insbesondere außerhalb der Ortschaften allgegenwärtig. Er wird ungeniert aus fahrenden Autos geworfen oder am Straßenrand abgeladen. Besonders heimgesucht sind Haltebuchten an den Landstraßen und die wenigen Aussichtspunkte mit Parkplatz. Überall, wo man mit dem Wagen halten kann, liegen Berge von Müll. Ich habe sogar Häuser gesehen, die von ihren Besitzern ringsum völlig eingemüllt wurden. Man kauft sich etwas in einem der zahllosen Convenient-Shops, öffnet die bunte Verpackung und schmeißt sie sofort auf den Boden. Müllberge scheinen kaum zu stören. Auch die wenigen Wanderwege sind zugemüllt. An den Stellen dieser Wege, die sich für eine Pause eignen, türmt sich der Müll in Form von Plastikflaschen, Coladosen und den bunten Verpackungen von Convenient-Produkten.

Zweiter Wartungsaufenthalt

Spec Garage GT bei Antigua
Spec Garage GT bei Antigua

Ich fahre nochmals in die Spec Garage GT in Santa Lucia Milpas Altas bei Antigua. Alex und Rodrigo konnten nun alle Öle und die Bremsflüssigkeit für den fälligen Austausch beschaffen. Kurz vor Annettes Rückflug nach Guatemala City mache ich daher einen neuen Stopp in der Spec Garage.

Als erstes stellen sie fest, dass die vordere Stoßstange verzogen ist. Das kann nur gestern auf einer einspurigen Dirtroad passiert sein, über die mich Google Maps völlig sinnlos geführt hat. Dort kam mir ein Wagen entgegen, der nach Landessitte bis unmittelbar vor mich fuhr anstatt an einer Ausweichmöglichkeit zu warten. In der Folge habe ich den Landcruiser vermutlich zu sehr in die Büsche gequetscht und bin mit der Stoßstange vorne rechts hängen geblieben.

Doch zunächst werden alle Öle von Differential, Getriebe, Achsen und die Bremsflüssigkeit gewechselt. Bis Mittag sind diese Arbeiten abgeschlossen.

Spec Garage GT bei Antigua: demontierte Stoßstange
Spec Garage GT bei Antigua: demontierte Stoßstange

Das Richten der Stoßstange stellt sich als aufwändig heraus. Schließlich demontieren Axel und Rodrigo die ganze Stoßstange und versuchen ein verbogenes Metallteil, das den Kunststoffteil der Stoßstange hält, am Schraubstock in seine ursprüngliche Form zurückzubiegen. Das gelingt jedoch nicht richtig. Schließlich finden sie in ihrem Lager noch ein Ersatzstück für das Metallteil und endlich passt alles gut wieder zusammen. An dem Kunststoffteil der Stoßstange ist eine Haltelasche fast abgerissen. Axel klebt sie mit einer Spachtelmasse für Kunststoff.

Antigua

Annette musste kurzfristig ihren Rückflug nach Guatemala um eine Woche verschieben, da ihre Mutter krank geworden ist. Also heisst es für mich, noch eine weitere Woche warten.

Campingplatz Vagamundo in Antigua
Campingplatz Vagamundo in Antigua

In Antigua übernachte ich dieses Mal nicht auf dem Eventos Verde sondern auf dem Vagabundo. Dieser Campingplatz am Rande von Antigua entpuppt sich als Treffpunkt für Overlander. Es stehen dort ein englisches Paar mit ihrem großen Truck, eine französische Familie mit einem noch größeren Truck, ein deutsch-amerikanisches Pärchen mit ihrem Kurzhauber-LKW und zwei Kastenwagen mit amerikanischen Kennzeichen. Davon einer der in USA recht beliebten 4WD Sprinter. Und schließlich gibt es noch eine Gruppe mit Kleinfahrzeugen: Ein deutsches Pärchen mit einem Volkswagen T3, eine Amerikanerin mit einem T4, die beiden Schweizer aus San Marcos mit ihrem Toyota mit kleiner Kabine und schließlich ich im Landcruiser.

Solche Zusammentreffen werden häufig von denen dominiert, die einfach schon überall waren und bei jeder Gelegenheit ihre Abenteuer und bereisten Länder zum Besten geben. Fachsimpeln über die Fahrzeuge gehört natürlich auch zum „Geschäft“. Natürlich werden auch nützliche Erfahrungen ausgetauscht.

Eruption des El Fuego vom Campingplatz El Vagamundo in Antigua
Eruption des El Fuego vom Campingplatz El Vagamundo in Antigua

Fast alle Overlander auf dem Vagamundo sind bereits zum Volcano de Fuego aufgestiegen oder planen dies. Er gehört zu den Top-Erlebnissen in Mittelamerika, wenn nicht auf der Panamericana. Den Fuego kann man nicht besteigen, da er seit Jahren aktiv ist und ständig Aschewolken und Lava ausstößt. Stattdessen wandert man auf den Nachbarvulkan Acatenango. Etwa dreihundert Höhenmeter unterhalb seines 3976 Meter hohen Gipfels verteilen sich zahlreiche Camps, von denen sich bei Dunkelheit spektakuläre Blicke auf die Lavaeruptionen des Fuego bieten. Tagsüber kann ich von Antigua und vom Campingplatz Vagamundo sehr gut die Ascheeruptionen sehen.

Antigua kenne ich bereits von zwei Aufenthalten vor Weihnachten letzten Jahres. Ich besuche bekannte Plätze, Cafés und Restaurants. Allmählich entwickelt ich eine tägliche Runde durch das Zentrum. Zum Essen findet sich angesichts der vielen Touristen etwas für jeden Geschmack. Es gibt sogar mindestens ein indisches und japanisches Restaurant. Das indische besuche ich an einem Abend mit einer Gruppe Overlander. Hier gilt eher das Prinzip Masse statt Klasse. Die Portionen sind gewaltig groß. Leider hat das Interieur den Charme eines Schnellimbiss, beim Personal sehe ich keinen einzigen Chinesen und die allzu laute Musik ist guatemaltekisch. Zu einem meiner Lieblingsrestaurants gehört das Samara. Es ist ein von thailändisch asiatischer Küche angehauchtes Restaurant mit vegetarischer und veganer Küche. Wer möchte, findet auch die eher traditionellen guatemaltekischen Speisen wie Tamales und Chuchilos. Ich nutze die Chance einer Abwechslung von den allgegenwärtigen Bohnengerichten. Wer herkommt, sollte unbedingt das Pad Thai mit Ginger Lemonade probieren.

Nachmittags besuche ich häufig einen der unzähligen Kaffee-Shops. Natürlich wird überall heimischer Kaffee angeboten, nicht selten aus eigener Röstung, und meistens auch mit professionellen Gerätschaften gut zubereitet. Ich habe einige entdeckt, wie zum Beispiel das 12 Onzos, in denen ich bequem stundenlang sitzen und am Notebook arbeiten kann. Wifi und oft sogar Steckdosen für Strom gehören zur Standardausstattung in den vielen kleinen Cafés.

Vulkan El Fuego

Straße 10 von Antigua nach San Jose Calderas
Straße 10 von Antigua nach San Jose Calderas

Zum Abschluss meines Aufenthaltes in Antigua unternehme ich eine Wanderung zum Vulkan El Fuego. Leider habe ich mit der Wanderung zu lange gewartet. Bisher hat der Fuego zuverlässig mindestens alle dreißig Minuten gewaltige Aschewolken ausgestoßen. Nachts konnte ich sogar von Antigua aus die rote Lava am Gipfel des Vulkans sehen. Zwei Tage vor meiner Fahrt zum Trailhead ist der Fuego eingeschlafen. Ich wußte nicht, dass er Ruhephasen hat. Da in Kürze Annette aus Deutschland eintrifft und wir dann weiter nach Süden fahren werden, beschließe ich trotzdem zu starten. Die als Piste ausgeprägte Straße Nummer 10 bringt mich von Antigua steile 1000 Höhenmeter hinauf zum Trailhead bei der Ortschaft La Soledad. Es gibt zwei Anfangspunktes des Weges. Einer beginnt unmittelbar in der Ortschaft La Soledad. Ein zweiter startet im Camp Miratenango 2. Dort beginnen auch einige Tourgruppen ihren Aufstieg. Ich werde die Wanderung in Eigenregie machen. Über den Tourveranstalter Tropicana buche ich lediglich einen Schlafplatz im Camp Tropicana.

Blick vom Weg zum Vulkan Fuego auf den 50 Kilometer entfernten Vulkan Atitlan.
Blick vom Weg zum Vulkan Fuego auf den 50 Kilometer entfernten Vulkan Atitlan.

Einen vollen Tag lasse ich mir im Miratenango 2 Zeit zur Anpassung a die Höhe. IDas Camp liegt auf  2600 Metern Höhe, 1100 Meter oberhalb von Antigua. Ich habe in der Höhe gut geschlafen. Das Aufstelldach habe ich über Nacht unten gelassen, damit es nicht zu kalt wird. Ich messe um acht Uhr Morgens etwa 13 Grad im Wagen und 10 Grad draußen. Ich lasse mir viel Zeit mit dem Frühstücken. Um 9 Uhr treffen die ersten Tourgruppen ein. Sie werden mit Kleinbussen von Antigua hochgefahren. Bis 11 Uhr sammeln sich etliche Gruppen. Es dauert bis zu zwei Stunden von ihrer Ankunft bis zum Aufbruch der Gruppen. Amerikaner scheinen in der Mehrzahl zu sein, wie ich unschwer an ihrem Englisch heraushöre. Nachdem die letzte Gruppe ihren Aufstieg begonnen hat, kommt noch eine riesige Gruppe von ca. 40 bis 50 Personen vom Vulkan herunter, die Kleinbusse müssen nicht leer nach Antigua zurückfahren.

Wanderer und Lastenpferd auf dem Weg zum Aussichtspunkt auf den Fuego.
Wanderer und Lastenpferd auf dem Weg zum Aussichtspunkt auf den Fuego.

Nicht alle Touristen tragen ihre Rucksäcke selber. Am Ende starten die Träger mit dem Gepäck. Es sind junge Burschen, die zwei oder drei Rucksäcke tragen. Vermutlich werden die Rucksäcke ihnen nach Gewicht zugeteilt, ich sehe wie der Boss von Hand das Gewicht für die Träger bestimmt. Auch zwei  Packpferde kommen zum Einsatz.

Dann kehrt endlich wieder Ruhe auf dem Miratenango II ein. Ich gehe zum Ort La Soledad hinunter. Der Weg führt hinüber nach Miratenango I. Hier kommen alle Wanderer vorbei. Miratenango I und II gehören dem gleichen Familienclan. Wenn die Tourgruppen kommen, werden Süßigkeiten und Getränke verkauft. Miratenango I firmiert auch als Restaurant. Man kann dort ebenfalls sein Fahrzeug für die Dauer der Wanderung parken.

Es macht viel Sinn, in Miratenango II und nicht in La Soledad die Tour zu starten. Dadurch werden etwa 200 Höhenmeter steiler Anstieg von Soledad nach Miratenango I eingespart. Von Miratenango II nach I besteht keine große Höhendifferenz.

Ich steige die 200 Höhenmeter nach La Soledad ab. Runter gehe ich den westlichen von zwei vorhandenen Wegen und rauf den östlichen. Beide Wege sind sehr steil und haben eine Oberfläche aus sehr feinem Vulkankies, der ziemlich rutschig ist. Ich bin froh, einen Wanderstock dabei zu haben. In La Soledad kehre ich im “kape‘ Yepocapa la Soledad” ein. Das Café besitzt eine beachtlich gute Ausstattung an Maschinen zur Kaffeezubereitung. Darüber hinaus werden verschiedene landestypische Frühstücke angeboten. Ich nehme ein Desayuno (Frühstück) mit Spiegeleiern, auf einer leicht pikanten Sauce, den üblichen schwarzen Bohnen und mehreren kleinen Fladen. Touristen treffe ich in dem Café und im ganzen Ort nicht an.

Die zweihundert Höhenmeter vom Ort aufwärts nach Miratenango I sind sehr steil. Der Hohlweg führt geradewegs den Hang hinauf. Ich bin froh, dieses Stück Morgen nicht gehen zu müssen.

Am frühen Morgens des Tages meines geplanten Aufstiegs zum Camp Tropicana am Aussichtspunkt auf den Fuego ist es sehr windig. Die Bäume werden hin und her geschüttelt. Der Wetterbericht sagt Windgeschwindigkeiten von 35-40 km/h und in Böen bis 75 km/h voraus. Der Bergwetterbericht ist etwas zurückhaltender, er prognostiziert um die 30 km/h Windgeschwindigkeit.

Ich beschließe, mit dem Aufstieg zu warten, um zu sehen, ob die Tourgruppen kommen. Und sie kommen tatsächlich. Wegen so ein wenig Wind lassen sich die Veranstalter nicht das Geschäft entgehen. Also sage ich nochmals bei Kevin von Tropicana per WhatsApp Bescheid, dass ich für heute eine Hütte brauche. Ich habe den Eindruck, dass ich mich immer wieder neu anmelden muss. Hier scheint sich keiner so richtig etwas zu notieren. Vielleicht ist man ja auch als nicht organisiert Wanderer nicht im Fokus der Veranstalter. Ich zahle 200 Quezal (25 €uro) für die Übernachtung.

Gegen 9:30 Uhr gehe ich in Miratenango II auf 2500 Metern los und komme um 14 Uhr am Tropicana Camp in 3700 Metern Höhe an. Bis 3300 Metern Höhe wandere ich durch Wolken. Gleich hinter dem Restaurant Miratenango geht es sehr steil auf rutschigem, schmalen Pfad aufwärts. Der nur einen Meter breite Weg ist von Stacheldraht eingesäumt. Hier treffen sich die aufsteigenden und absteigenden Gruppen. Bei Gegenverkehr muss gewartet werden. Trotzdem lässt sich der Weg gut gehen.

Auf dem ersten Abschnitt gibt es zwei oder drei Stellen, an denen man heißen Kaffee, Cola und weitere Süßgetränke kaufen kann. Ich trinke einen halben Liter Cola und setze auf den Effekt des Zuckers. Nicht weit oberhalb von Miratenango muss an einem Kiosk eine Gebühr von 50 Quezal für den Zugang zu den Vulkanen entrichtet werden.

Vulkan Fuego
Vulkan Fuego

Während der letzten 400 Höhenmeter bin ich endlich aus den Wolken heraus, es scheint die Sonne und es ist herrlich warm. Nur an windausgesetzten Stellen wird es schnell frisch. Im Tropicana Camp sitze ich stundenlang in der Sonne und schaue auf den Fuego. Auf einer Flanke des Vulkan steigen immer Wolken auf, während seine südliche Seite wolkenfrei ist. Leider gibt es seit Tagen keine spektakulären Ascheeruptionen. Die bei Dunkelheit so toll aussehende Lava wird momentan auch nicht ausgestoßen.

Das Tropicana-Lager ist sehr groß. Es gibt Holzhütten und Zelte. Ich habe ein Zelt. Es hat die Dimensionen eines Hauszeltes und ist für zwei Personen gedacht. Sogar elektrisches Licht ist vorhanden. Für die geführten Touren wird sogar etwas gekocht. Das Trinkwasser zum Kochen muss man jedoch selber mit hochbringen, ein Liter wird dafür veranschlagt.

Camp Tropicana am Aussichtspunkt auf den Fuego.
Camp Tropicana am Aussichtspunkt auf den Fuego.

Die Toilette ist natürlich ein Plumpsklo. Alles fällt in einen Plastiksack, der vermutlich um die Ecke entsorgt wird. Mit Eintreffen der großen Gruppen ist die einzige Toilette, die ich finden kann, andauernd in Benutzung und hinsichtlich des Fassungsvermögens des Plastiksacks überfordert. Die Brühe steht bis zum Rand des Sacks und schwappt darüber hinaus. Auf dem Boden der Toilette sammelt sich die Pisse von denjenigen, die nicht zielen können.

Eine große Gruppe trifft erst um 16 Uhr ein. Ich komme mit zwei Südkoreanerinnen ins Gespräch. Eine hat sich mit einem Pferd hochbringen lassen, da ihre Hüfte die Wanderung nicht mitmachen würde. Die Tochter scheint zu Fuß gegangen zu sein.

Lastenträger auf dem Weg zu den Camps am Aussichtspunkt auf den Vulkan Fuego.
Lastenträger auf dem Weg zu den Camps am Aussichtspunkt auf den Vulkan Fuego.

Um 16:00 Uhr ist die Sonne so heiß, dass ich nur noch mein langes Merino Shirt anhabe. Der Fuego stößt nur weißen Dampf aus, vermutlich Wasserdampf. An der Nordflanke des Vulkans steigen Wolken auf, die sich mit dem Dampf des Vulkans vermischen. Das Wirbeln der Wolkenmassen ist interessant zu beobachten. Eine Stunde vor Sonnenuntergang wird die Sonne von den Wolken verdeckt und es wird schnell kühl. Da es keine Lava zu beobachten gibt, ziehe ich mich nicht lange nach 18 Uhr in mein Zelt zurück und höre Podcasts. Vermutlich wegen der Höhe von 3700 Metern habe ich bereits seit Stunden leichte Kopfschmerzen. Vor meinem Zelt gibt es eine Feuerstelle, wo tatsächlich ein Lagerfeuer mit heraufgeschleppten Holzscheiten entzündet wird. Ich höre noch lange draußen Menschen sitzen und sich unterhalten.

Ich habe nicht gut geschlafen. In dem Hauszelt steht ein breites Bett mit einer sehr weichen Matratze. Ein Schlafsack von Colemann mit einem Kopfkissen und einer zusätzlichen Decke werden auch gestellt. Leider gibt es kein Inlett, der Schlafsack wird natürlich jede Nacht gewaschen. Ich steige mit meinen Anziehsachen in den Sack, also lange Hose und langes Merinoshirt und setze sogar meine Fleezemütze auf. So ausgestattet friere ich nicht in der Nacht. Da ich nicht schwitze, gehe ich davon aus, dass es in dem Schlafsack ohne die Kleidung zu kalt geworden wäre. Der Wetterbericht hat für diese Höhe eine Temperatur von drei bis 4 Grad Celsius vorhergesagt.

Morgens um fünf Uhr werden die Gruppen rausgescheucht. Sie steigen noch zum unmittelbar oberhalb des Camps liegenden Gipfel des Vulkans Acatenango auf um von dort den Sonnenaufgang zu erleben. Mich reizt der Sonnenaufgang angesichts der 250 Höhenmeter nicht.

Um 6:30 Uhr bin auch ich abmarschbereit und gehe den selben Weg wieder zurück. Seit einer halben Stunde ist es hell. Da alle Gruppen über den Gipfel gehen, habe ich den Rückweg weitgehend für mich alleine. Leider ist es teilweise bewölkt. Immerhin kann ich den 50 Kilometer entfernten Lago Atitlan und den Vulkan Atitlan sehen. Auch die weiter im Norden liegenden Vulkane zeichnen sich schemenhaft am Horizint ab. Die aufgehende Sonne wird jetzt am Morgen vom Acatenango verdeckt. Ich treffe eine ganze Menge Lastenträger, die Material zu den Camps hoch tragen. Die ersten sehe ich gleich bei meinem Aufbruch kommen. Sie müssen mitten in der Nacht bei Dunkelheit losgegangen sein. Einige tragen Latten und Stämme mit denen vermutlich weitere Hütten gebaut werden. Einer schleppt eine 20 Liter Wasser fassende Garafone und ein zweiter eine riesige Gasflasche. Es kommen mir auch einige Packpferde entgegen. Da sie wegen eines felsigen Abschnitts nicht bis zu den Übernachtungslagern gehen können, muss das Material noch einige hundert Meter geschleppt werden. Aufsteigende Wanderer treffe ich erst ganz weit unten. Beim Absteigen spüre ich, wie rutschig der Weg ist. Die Oberfläche der Wege aus dem feinem Aschenkies der Vulkane bringt mich immer wieder ins Rutschen. Dank meiner beiden Wanderstöcke kann ich mich zum Glück immer fangen. Nach etwa 2,5 Stunden treffe ich im Miratenango II ein. Die ersten Tourgruppen machen sich gerade für ihren Aufstieg bereit.

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