260 Kilometer auf dem CDT zwischen Dubois und Lima
Am 29.7.2018 wollen wir von Dubois aufbrechen. Es wird aber Mittag, bevor wir wieder auf dem Trail sind. Vorher geben wir unser Innenzelt zur Reparatur an eine Schneiderin, die, obwohl es Sonntag ist, unseren defekten Reißverschluss-Zipper austauschen will. Als wir die Arbeit bezahlen wollen, winkt sie ab. Sie wollte uns nur einen Gefallen tun. Wir sind wieder einmal überwältigt von der unglaublichen Hilfsbereitschaft vieler Amerikaner und können nur sagen: Thanks a lot, Carol!
Der Trail führt uns an einer luxuriösen, herrlich am Brooks Lake gelegenen Lodge vorbei. Am späten Nachmittag werden dort gerade die Pferde auf die Wiesen am See getrieben. Ein herrliches Bild, eine ca. zwanzigköpfige Herde im vollen Galopp durch das Tal stürmen zu sehen… Susanne bekommt glänzende Augen.
Die nächsten Wandertage führen durch schöne Wälder, aber auch oft durch große Flächen toter Bäume – die Zeugen der letzten Waldbrände. Tagsüber ist es sehr warm, nachts sinken die Temperaturen aber unter den Gefrierpunkt. Trotzdem plagen uns die zahlreichen Moskitos und Pferdebremsen heftig. Die Quälgeister krabbeln sogar unsere Hosenbeine von innen hoch.
Öfters sind nun breite und tiefe Flüsse, wie der Buffalo Creek, mit starker Strömung zu queren. Das Wasser reicht dann bis zum Oberschenkel, aber mit unseren Wanderstöcken kommen wir immer gut durch.
Etliche Pässe sind zu queren, stets eine schweißtreibende Angelegenheit. Eine Besonderheit ist der Ocean Pass, zu dessen Füßen die Stelle “ Parting of the waters“ (Teilung der Gewässer) liegt. Und tatsächlich fließt hier eine Hälfte eines Baches in den Atlantik, während die andere zum Pazifik strömt.
Hier treffen wir auch in der Nähe eine andere CDT-Wandererin. Ponywisperer ist nur 15 Minuten vor uns einem Grizzly aus nächster Nähe begegnet. Das gibt uns doch etwas zu denken und wir machen nun in unübersichtlichen Gelände etwas mehr Lärm durch Rufen oder Jodeln.
Nach drei Wandertagen erreichen wir den Yellowstone Nationalpark, mit 3 Millionen Besuchern pro Jahr eine der Hauptattraktionen der USA. Schon zwei Wochen zuvor haben wir die Zeltstellen gebucht, denn auch wir Langstreckenwanderer dürfen nur auf den ausgewiesenen Plätzen übernachten.
Wir treffen auf dem Trail weitere Hiker. Lightfoot aus Norwegen haben wir zuletzt vor vier Monaten in Silver City / New Mexico getroffen, Jupiter kommt aus Neuseeland. Gemeinsam wandern wir weiter. Es geht den ganzen Tag durch das weite Tal des Snake River, mit zahlreichen einfachen Furten. Am Tag darauf treffen wir die ersten Geysirfelder, schöne Blubbertöpfe mit eisblauem Wasser. Die Farbe täuscht, je heißer das Wasser, desto blauer ist es wegen der darin lebenden Bakterien.
Der Trail umrundet den großen Shoshone Lake. Ein wenig Respekt hatten wir vor der Furt durch den Zufluss zum See, die brusttief sein sollte. Doch der ca. 14 Meter breite Fluss ist nur hüfttief und fast ohne Strömung, also harmlos. In den folgenden zwei Stunden liefern wir uns ein Wettrennen mit einem Gewitter, das wir verlieren.
Weiter geht es durch wunderschöne weite Wiesentäler und Sumpfgebiete, in denen wir bis zum Knie im Moor versinken und entlang von Geysir- und Solfatarenfeldern. Lange liegen wir faul in einem durch eine heiße Quelle gewärmten Bach. Abends ist es vom Zeltplatz nicht weit zum Lone Star Geysir. Dort kochen wir unser Essen und bestaunen die gewaltigen Eruptionen. Mit ungeheuren Druck schießt die Wasser- und Qualmfontaine ca. 24 Meter hoch. Ein großartiges Naturschauspiel!
Einen Tag später erreichen wir in Old Faithful das Epizentrum des Tourismus im Yellowstone. Dabei ist der Geysir weit weniger interessant als der Lone Star oder die vielen, in allen Farben leuchtenden heißen Quellen in unmittelbarer Nähe.
Um den Park ausführlicher erkunden zu können, mieten wir am nächsten Tag ein Auto. An den Hauptattraktionen stapeln sich die Touristen und die Parkplatzsuche nervt. Trotzdem sind wir absolut begeistert und bestaunen die Landschaft. Insbesondere begeistern uns die Sinterterassen bei Mammoth und der Great Canyon des Yellowstone.
Auch Bisons können wir hautnah erleben, gelassen laufen die majestätischen imposanten Tiere an Autos und Touristen vorbei. Ein langer Tag, aber absolut fantastisch!
Die nächsten Tage führen uns durch lichten Nadelwald, ein stetiges auf und ab. Wir freuen uns, Lightfoot, Pony und Jupiter wieder zu treffen, ein lauwarmes Bier, diverse Pausen und einen Abend am Lagerfeuer zu teilen.
Im Wald finden wir nun die ersten Himbeeren und Huckleberries! Die Tage sind lang und anstrengend, mit bis zu 48 Kilometern und 14 Stunden auf dem Trail und 1500 Höhenmetern, und das bei einer irren Hitze. So gönnen wir uns in Lima nach 6 Wochen zum ersten Mal wieder ein Motelzimmer.