Eine wichtige Neuerung: Wir haben nun endlich Trailnamen! Traditionell bekommen Wanderer auf den amerikanischen Langstreckenwegen (PCT, CDT, AT…) einen neuen Namen, der auf spezielle Eigenschaften oder besondere Erlebnisse auf dem Trail hinweist.
Sanne wird nun Dreamwalker (Schlafwandler) genannt. Zum einen läuft sie oft in Tagträumen versunken über den Trail, zum anderen ist sie tatsächlich einmal geschlafwandelt – in unserem Zelt!
Annette heißt nun Speedy. Das ist sowohl ironisch gemeint (wandern im Schneckentempo), bezieht sich aber auch auf den spontanen und völlig unüberlegten Entschluss blitzschnell ein extrem steiles Schneefeld auf dem Po hinab zu sausen.
Also: Dreamwalker und Speedy haben in den letzten 6 Tagen die bisher anstrengendste Etappe zurück gelegt (170 Kilometer).
Hinter Dillon ging es direkt steil ca. 800 Höhenmeter zum Ptarmigan Pass hoch, über weite Grasflächen mit tollen Ausblicken auf Dillon, Silverthorne und den großen Stausee tief unten im Tal. Mit den schweren Rucksäcken, in denen für 7 Tage Proviant ist, eine ganz schöne Plackerei. Direkt geht es dann wieder in unzähligen Serpentinen durch Nadelwald und Schneefelder in das tiefe Bachtal des South Fork William, nur um auf der anderen Seite wieder 800 Höhenmeter sehr steil hoch zu kraxeln. Es ist schon später Nachmittag, als wir ziemlich müde endlich wieder die Baumgrenze erreichen. Dort sehen wir eine große Herde Rocky Mountain Elks friedlich grasen. Naiverweise denken wir, dass mit dem Aufstieg nun das Gröbste geschafft sei. Weit gefehlt. Es geht immer höher und auf einem windigen kahlen Bergkamm noch 100 Meter höher. Mittlerweile ist es schon 20.00 Uhr, der Weg kaum zu erkennen. Ins nächste Tal schaffen wir es doch nicht mehr. So zelten wir in eisiger Höhe in einem wilden Talkessel zwischen Schneefeldern.
Am nächsten Tag bildet die Querung eines hohen Steilhangs den Auftakt. Schon von weitem sieht das gefährlich aus, ist es aber dann gar nicht. Ein langer, steiler Abstieg führt uns 900 Meter tief in ein schönes grünes Tal, gerade rechtzeitig vor einigen heftigen Gewitterschauern. Danach scheint aber schon wieder die Sonne und wir dürfen uns 750 Höhenmeter auf Jones Pass hinauf quälen. Wir merken, dass uns die Aufstiege vom Vortag noch in den Knochen stecken, jeder Schritt fällt schwer.
Oben weht ein enorm scharfer Wind, der uns fast von Weg pustet. Der schmale Trail führt über einen Steilhang und einen engen Kamm. 300 Meter unter uns liegt das Tal, bloß nicht zu lange nach unten schauen. Über Felsen kraxeln wir endlich aus 3800 Metern Höhe talwärts. Wieder folgen heftige Graupelschauer und Gewitter, so dass wir schon gegen 16:00 Uhr das Zelt aufbauen.
Auch der nächste Tag beginnt wieder mit einem knackigen Aufstieg auf Mount Stanley (3816 Meter), bei strahlend blauem Himmel und eisigen Wind. Danach geht es lange relativ eben und dann bergab über einen Bergrücken bei tollem Wetter bis Berthoud Pass, wo der Trail den Highway kreuzt. So macht das Wandern wieder Spaß.
Es ist Wochenende, viele Tageswanderer sind unterwegs und einer von ihnen schenkt uns einen Apfel und einen Müsliriegel. So banal das klingt, wir freuen uns königlich darüber.
Und wir können die Stärkung gut gebrauchen. Denn nun geht es auf den ca. 4007 Meter hohen Mount Flora. Der Aufstieg ist anstrengend und lang, aber leicht. Über ein riesiges steiles Schotterfeld laufen wir wieder runter und durch ein schönes Waldtal, dann steil zu einem See hinab. Der letzte Aufstieg um 400 Höhenmeter dieses anstrengenden Tages führt uns dann bis an die Baumgrenze, wo wir geschützt hinter dichten Büschen todmüde das Zelt aufschlagen.
Der nächste Tag hat es dann wirklich in sich! Leichter Regen in der Nacht beschert uns ein vereistes Zelt. Aber morgens ist der Himmel klar und blau. Es geht direkt 750 Höhenmeter hinauf über steile Hänge zum James Peak, 4054 Meter hoch und der bisher höchste Berg der Tour. Unterwegs sehen wir Murmeltiere, die sich sonnen und uns bis auf wenige Meter herankommen lassen.
Am Gipfel kommen uns dunkle Wolken entgegen. Wir verlieren keine Sekunde Zeit und hasten über steile Hänge nach unten. Dabei gilt es ein schmales Felsband zu queren. Es geht ca. 360 m auf einer Seite senkrecht nach unten, doch Gott sei Dank ist der Weg breit genug ausgebaut.
Immer drohender werden die dunklen Wolken. Mit den ersten Donnerschlägen erreichen wir die Baumgrenze, wo wir uns in ein Gehölz verkriechen. Es blitzt und kracht furchterregend. Wir ziehen die Kapuzen über die Köpfe und kauern uns eng zusammen. Die Blitze schlagen in die Berge ein, auf denen wir heute früh herum geklettert sind. Dicker Hagel verwandelt alles in Windeseile in einen weiße Landschaft. Zwar sind wir in unserem Gebüsch relativ geschützt, aber es wird eisig kalt.
Endlich können wir nach einer Stunde weiter, wir ziehen alles an, was wir haben, um wieder warm zu werden.
Die Sonne kommt bald hervor, wir laufen auf einer Forststraße zur nächsten Passhöhe. In Sekundenschnelle ziehen blauschwarze Wolken auf und dann legt ein heftiger Schneesturm los. Doch wir haben unfassbares Glück. Am Pass steht ein Auto. Der Fahrer läßt uns rasch hinein und so hocken wir zwei Stunden bei netter Unterhaltung geschützt und warm mitten im Unwetter, während der Sturm den Wagen schüttelt und der Schnee draußen unsere Rucksäcke bedeckt.
Endlich verziehen sich die Wolken etwas. Unser Retter fährt mit dem Auto Richtung Tal. Wir wollten eigentlich noch weiter in die Berge laufen und fordern dummerweise an diesem Tag das Schicksal noch einmal heraus: Schon nach wenigen hundert Metern merken wir, dass es keinen Sinn macht, bei dieser geringen Sicht und der Kälte weiter hinauf zu gehen. Wir kehren zur Passstraße zurück, in der Gewissheit nun wieder eine Stunde ins Tal zurücklaufen zu müssen.
Und ein weiteres Wunder geschieht! Der nette Autofahrer hat sich Sorgen um uns gemacht, ist umgekehrt und fährt uns nun bis zur Baumgrenze ins Tal, wo wir am Nachmittag unser Zelt aufschlagen. Erschöpft schlafen wir sofort bis zum Abend ein, essen dann unseren Instantkartoffelbrei und schlafen weiter.
Diesen extrem anstregenden Tagen folgen zwei sehr entspannte Etappen. Der Weg zum Monarch Lake ist zwar 35 km lang, führt aber nach geringen Steigungen nur bergab, vor allem durch dichten Nadelwald. Die Füße laufen wie von alleine über den weichen Waldboden, welch eine Wohltat. So ist der schöne Bergsee, aus dem der Colorado River fließt, ist am späten Abend leicht erreicht.
Am nächsten Tag sind wir dann richtig faul. Bei Tempersaturen unter Null Grad gehen wir morgens los und werden erst nach Queren eines Höhekamms und beim Überklettern unzähliger, nach einem Windbruch vor vielen Jahren gestürzter Bäume wieder warm. Nach nur 16 Kilometern erreichen wir wieder den zu einem See aufgestauten Colorado River, der uns zum Baden verlockt. Herrlich, den Schweiß und Dreck endlich abzuwaschen, denn nun brennt die Sonne wieder heiß vom Himmel. Hier wollen wir den Rest des Tages bleiben. Es steht aber schon ein Zelt am Ufer. Bob, der nette Camper, empfiehlt uns andere schöne Zeltstellen am Ufer und fährt uns sogar mit seinem Motorboot direkt dorthin. So verbringen wir einen herrlichen Tag mit Schwimmen und Faulenzen, beobachten Kolibris und Fischadler beim Abendessen, bevor es am nächsten Tag die letzten 10 Kilometer nach Grand Lake geht.
Der Ort Grand Lake liegt wunderschön am gleichnamigen See und den Bergen und ist ein reiner Touristenort. Das merkt man auch an den Preisen. Für ein sehr einfaches Motelzimmer werden rund 100 Euro pro Nacht verlangt. Da gehen wir lieber auf den Campingplatz. Vorher wird aber für die nächste Etappe und den heutigen Ruhetag Essen eingekauft. Wir haben uns vorgenommen mehr zu Essen, denn noch dünner dürfen wir nicht werden.
I miss you two already. Grateful that you missed the correct trail so I could meet two enchanting people. I promised I’d help you remember where you ended up: http://www.vagabondranch.info, also http://www.facebook.com/vagabondranch
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