Nur eine Stunde Fahrzeit ab Monument Valley trennt uns vom San Juan River, der eine tiefe, gewundene Schlucht in das Colorado Plateau geschnitten hat. Natürlich suchen wir uns auch hier wieder einen einsamen Stellplatz, der nur über eine 4×4-Piste zu erreichen ist. Nach dem Trubel im Monument Valley ist es schön, wieder ganz alleine zu sein. Und was für ein grandioser Ort – 300 Meter unter uns windet sich der schlammige Fluss wie eine Schlange durch den Canyon, hinter uns die endlose Prärie und am Horizont die Felstürme des Monument Valley. Abends taucht die untergehende Sonne die Berge in unwirkliches Violett, bevor sich der Himmel glutrot färbt. Solche Momente in aller Ruhe genießen zu können, das macht eine Reise für uns so wertvoll. Allerdings hat das Ganze ein erhebliches Suchtpotenzial.
Schon am frühen Morgen sind wir am wenige Kilometer von unserem Übernachtungsplatz entfernten State Park Goosenecks Lookout. Der Canyon des San Juan schlängelt sich hier in vielen, engen parallelen Kurven, die an Gänsehälse erinnern sollen. Ich finde, es sieht eher aus wie die Windungen des Dickdarms. Aber das ist vielleicht etwas zu prosaisch. Der RV-Platz hier ist gut gefüllt, wie üblich dröhnen Generatoren. Gut, dass wir gestern einen anderen Übernachtungsplatz gewählt haben. Zum gemütlichen Frühstück ist der Aussichtspunkt jedoch ideal. Nun laufen auch die Bulimie-Reisenden ein – schwungvolle Anfahrt bis unmittelbar zum Viewpoint, ein paar Selfies schießen, auf Instragram ausspucken, Abfahrt zum nächsten Highlight, Dauer des Aufenthalts: unter 3 Minuten.
Video zum Goosenecks Lookout:
Was haben wir es dagegen gut. Nach genussvollem Staunen über dieses weitere Naturwunder gibt es ein zweites Frühstück, bevor es zum nahegelegenen Valley of the Gods weitergeht. Eine Schotterstraße führt durch dieses phantastisches Tal mit Felstürmen, die der Schwerkraft zu trotzen scheinen. Die Strecke ist schon lange kein Geheimtipp mehr, auch wenn hier im Vergleich zum Monument Valley viel weniger Betrieb herrscht. Den ganzen Tag verbummeln wir hier auf dem 17 Meilen langen Scenic Way und mit einer kleinen Wanderung rund um einen Butte, wie die Felsklötze heißen.
Video zum Valley of the Gods:
Zum Abschluss des Tages bringt uns eine sehr steile Schotterpiste hinauf auf die 2200 Meter hohe Cedar Mesa oberhalb des Gooseneck Lockout. Am Muley Point, einem Felsplateau reicht der Blick weit über den San Juan Canyon bis zum Monument Valley und über das Colorado Plateau. Ein kalter, kräftiger Wind pfeift hier oben. Trotzdem ein umwerfender Übernachtungsplatz, das ruft geradezu nach Cowboy Camping unter freiem Himmel. Die Sterne sind nicht ganz so strahlend wie gewohnt, denn der Halbmond leuchtet wie ein Scheinwerfer die Umgebung aus.
Video zum Ausblick vom Muley Point auf den San Juan Canyon:
Dafür gibt es einen phänomenalen Sonnenaufgang. Diese Minuten zwischen Nacht und Tag, wenn der Himmel in Pastelfarben zwischen rosa und blau schwankt, sind einfach unvergleichlich. Dann direkt an der Abbruchkante der Mesa in der Morgensonne zu frühstücken, mit Blick auf den Canyon und die Felstürme des Monument Valley, das ist schon ein echter Luxus.
Nur wenige Meilen trennen uns von den Natural Bridges. Durch Wasserkraft sind hier in einem Canyon drei Steinbögen entstanden, die jeweils wie eine von Menschen geschaffene Brücke das gesamte Tal überspannen. Sie erreichen eine Höhe von bis zu 67 Metern und eine Spannweite von bis zu 82 Metern. Diese absolut beeindruckenden Naturwunder sieht man in ihrer vollen Größe nur vom Talboden der Canyons. Ein 17 Kilometer langer Rundwanderweg führt uns zunächst eine Stunde lang über die heiße Mesa. Dann endet der bequeme Pfad und eine spannende Kraxelei beginnt. Sehr steil geht es über Felsklippen, teils mit Hilfe von in den Fels gehauenen Stufen, Leitern und Seilsicherungen hinab in den White Canyon zur Sipapu Bridge.
Im Canyon existiert ein Trampelpfad, der je nach Wasserstand des Flusses durch tiefen Sand am Ufer oder über Steine und felsige Cliffs führt. Je nach Witterung kann der Weg unpassierbar sein. Bis zu 2 Meter hohe Schwemmholzwälle zeigen eindringlich, welche Wassermassen hier nach Regenfällen durchrauschen. Viele Male müssen wir den Fluss furten. Olaf balanciert über Steine und kommt immer trockenen Fußes an das andere Ufer. Ich finde es deutlich entspannter, mit meinen schnell trocknenden Trailrunner-Schuhen einfach quer durch das bis zu knietiefe, warme Wasser zu waten. Der Pfad mit seinem dauernden Auf und Ab durch das Ufergestrüpp ist echt anstrengend, wir kommen nur langsam voran.
Aber die Strecke durch den engen Canyon ist supertoll. Zum Mittagessen gibt es heute zur Feier meines Geburtstages einen „Dutch Apple Cake“ aus dem Supermarkt, der sogar einige echte Obststücke enthält. Einfacher wird es dann nach der Kachina Bridge, der Armstrong Canyon ist deutlich weiter, der Trail meist gut zu laufen. Nach sechs Stunden Wanderung, währenddessen wir niemanden begegnen, sind wir schließlich an der Owachomo Bridge am Ziel und müssen nur noch vom Canyon empor krabbeln zu unserem Yoda, der am Parkplatz des Aussichtspunktes auf uns wartet. Dort begegnen wir einigen Ausflüglern, die amüsiert lächeln. Klar, denn ich bin dreckig, verschwitzt, zerkratzt und grinse glücklich von einen Ohr zum anderen. Außerdem stellt meine Gesichtsfarbe jede vollreife Tomate in den Schatten. Was für ein herrlicher Geburtstag!
Es geht am nächsten Tag wieder hinauf in die Berge. Über den Bears Ears Pass führt eine Piste zum Needles District des Canyonlands Nationalparks. Doch schon nach 12 Kilometern müssen wir auf der Passhöhe wenden. Ab 2600 Metern Höhe liegt noch zu viel Schnee, die Dirtroad ist gesperrt. Also fahren wir über Asphalt nach Blanding und Monticello. Überall werden die Bäume in den Flusstälern grün, ein schöner Kontrast zu den roten Canyons. Hinter Monticello erreichen wir über eine Piste die rund 3500 Meter hohen, noch tief verschneiten Berge. Auch hier müssen wir nochmals vor einer Schneewehe kapitulieren und auf eine andere Piste ausweichen, ehe wir wieder eine Teerstraße erreichen. Danach rollen wir endgültig hinunter in die Ebene.
Einen Zwischenstop wert ist der Newspaper Rock mit prähistorischen Felsritzungen. An einer Dirtroad kurz vor dem Canyonlands Nationalpark übernachten wir, das wird unser Basislager für die nächsten Tage. Hier in 1800 Metern Höhe sind wir wieder in der Halbwüste und das Thermometer klettert bereits auf über 30 Grad. Von unserem Stellplatz genießen wir bei Sonnenuntergang den weiten Blick über die Canyons, während über uns die Fledermäuse, die in den Felsen nebenan wohnen, zur Jagd aufbrechen. Dazu gibt es den Weißwein, den ich zum Geburtstag bekommen habe.
Zunächst erkunden wir am nächsten Tag im Needles Districts die Dirtroad zum Colorado River Overlook. Anfangs geht es einfach durch Sand, doch schon bald folgen steile Passagen über Felsstufen oder Felsplatten. Eine anstrengende Kurverei für das Olaf-Yoda-Team. Potenziell kritische Stellen werden vorher zu Fuß abgegangen, um die optimale Fahrspur zu finden. Leider gibt es keine Fotos, denn wir waren einfach zu sehr damit beschäftigt, diese für uns technisch doch recht anspruchsvolle Piste zu bewältigen. Die letzte besonders felsige Meile ersparen wir Yoda und gehen zu Fuß bis zum Aussichtspunkt. Ungefähr 300 Meter unter uns windet sich der Colorado durch den schmalen Canyon. Die Rückfahrt ist nicht einfacher, im Gegenteil sind steile Passagen sogar bergab schwieriger, da schlechter zu übersehen. Am späten Nachmittag sind wieder an unserem „Base Camp“.
An nächsten Morgen piepst schon um 5.30 Uhr kurz vor Sonnenaufgang der Wecker. Wir stehen früh auf, um eine längere Wanderung zu machen und die größte Hitze am Nachmittag zu vermeiden. Der Chesler Park Loop/Joint Trail ist zwar nur 17 Kilometer lang, dauert aber 5-7 Stunden reine Wanderzeit wegen des unwegsamen Geländes. Um 8.00 Uhr geht es beim Elephant Hill Trailhead los. Ein enger, steiler Pfad führt über viele Steinstufen hinauf in die Needles. Die spitzen, rot-gelb geringelten Sandsteintürme sind die Attraktion dieses Teils des Canyonlands Nationalparks. Ein tolles Wandergebiet, das auch etliche Backcountry-Zeltstellen hat, wo man mit Permit übernachten darf, ideal für mehrtägige Wanderungen. Allerdings muss für den gesamten Aufenthalt das Wasser mitgebracht werden. Wir treffen Wanderer, die alleine 15 Kilogramm Wasser schleppen, das ist heftig.
Zwischen den bizarren Felstürmen geht es ständig kräftig über Felsen hoch und runter, eine anstrengende Kraxelei. Nach gut einer Stunde finden wir uns in einer fast kreisförmig von den Needles umschlossenen Ebene mit einigen Bäumen und dürrer Wiese wieder. Chesler Park ist eine kleine Oase mit sandigen Wegen. Dann beginnt wieder die Kletterei durch die Needles über Klippen und Felsstufen. Ein kurzes Wegstück verläuft dann auf einer Dirtroad, danach kommt auch schon die nächste Kletterpassage. Ein echter Höhepunkt der Tour, denn der Pfad führt durch tiefe, extrem enge Spalten zwischen gigantischen Felsen.
Wir fühlen wir uns fast wie in einer Höhle Der Himmel ist nicht mehr zu sehen, oft ist die Felskluft nur 50 cm breit. Nichts für Leute mit Platzangst oder Übergewicht. Wir passen an einigen Stellen so gerade zwischen den Felsen hindurch. Absolut surreal. Über in den Fels gehauene Tritthilfen klettern wir wieder ans Tageslicht. Schnell ist dann Chester Park erreicht und gegen 15.00 Uhr stehen wir ziemlich geschafft, mit knirschenden Kniegelenken, wieder am Trailhead. Was für eine Wahnsinnslandschaft, die man nur zu Fuß wirklich erleben kann.
Das nächste Ziel ist der Aussichtspunkt Needles Overlook. Auf der obersten Stufe der Mesa gelegen, reicht der Blick weit über den gesamten Nationalpark, von den Needles über unendlich viele Canyons bis zum Colorado und zur Island in the Sky. Lange sitzen wir hier, schauen und staunen. Auch nach einigen Stunden können wir uns nicht von diesem magischen Ort trennen. Leider ist hier das Übernachten im Umkreis von 5 Meilen seit einigen Jahren verboten, doch iOverlander lotst uns unmittelbar hinter der Sperrzone über eine kurze Piste zu einem Stellplatz an der Abbruchkante der Mesa mit phänomenalem Ausblick. Sehr früh am nächsten Tag sind wir schon wieder am Overlook, ein phantastischer Platz für das Frühstück.
Video zum Needles Overlook:
Mittags erreichen wir Moab. Die größte Stadt im Süden Utahs hat gerade mal 5000 Einwohner und lebt vom Tourismus. Klettern, Mountainbiken, Off-road-fahren, Wildwassertouren, Rafting, Paragliding und alles, was sonst an Outdoor-Aktivitäten denkbar ist, wird hier angeboten. Besonders die Mountainbiker-Szene ist hier stark vertreten, schließlich wurde dieser Sport hier erfunden. Die steilen Felsberge rings um Moab bieten sich geradezu für halsbrecherische Touren an.
Die unzähligen Campingplätze des Ortes sind jetzt in der Hochsaison voll belegt, dicht an dicht stehen die Wohnmobile und Trailer. Eine Übernachtung hier wäre für uns ein Albtraum, abgesehen von den abenteuerlichen Preisen von bis zu 90 Dollar für einen Stellplatz. Ein kontinuierlicher Autostrom schiebt sich über die Main Street. Was für ein Rummel. Für uns ist nach einer Woche wieder mal eine Dusche fällig, in einem Café wird unser Blog fertig gemacht und hochgeladen, zum Abschluss noch im Supermarkt einkaufen. Dann noch eine knappe Stunde Fahrt zur Islands in the Sky, der nördlichen Hochebene des Canyonlands Nationalparks. Kurz vor der Parkgrenze biegen wir auf eine tiefsandige, wellenförmige Piste ab zu einem einsamen Stellplatz, der sogar etwas Schutz vor dem sehr stürmischen Wind bietet. Gott sei Dank sind wir wieder aus dem Trubel rauß.