Von La Rochelle nach Morlaix/Roscoff (800 km)

Gegen den heftigen Westwind strampeln wir zur Küste zurück, denn der Eurovelo 1 führt in großem Bogen um die weite Bucht nördlich von La Rochelle herum. Sehr schön radelt man an Kanälen unterschiedlichster Größe entlang. Im kleinen Ort Marans, der sehr idyllisch an einem Kanal liegt, essen wir am Hafen unser zweites Frühstück, wie üblich ein Schokocroissant. Es ist ein schönes Provinzstädtchen, nur wundern wir uns über die zahlreichen aufgegebenen Geschäfte auf der Hauptstraße. Dann kommen wir am Ortsrand zum großen Einkaufszentrum Super U. Wie überall zerstört so ein Konsumtempel die alten, gewachsenen Strukturen.Mit Gegenwind zum Meer

Kanal im Marschland

Am Meer wendet sich die Route endlich nach Nordwest, der Wind kommt nun also etwas seitlich, was uns das Leben sehr erleichtert. Unsere Kondition ist aber mittlerweile so gut, dass wir trotz des Windes bis mittags schon 70 Kilometer zurück gelegt haben. Leider geht es nun bis La Tranche-sur-Mer häufig parallel größerer Straßen, ziemlich langweilig. Doch danach kurbelt es sich wieder sehr schön durch Wald und Dünen.Endlich keine Sandstrände mehr

Der nächste Tag ist äußerst abwechslungsreich. Zunächst radeln wir durch das hügelige Landesinnere über schöne Feldwege. Wunderbarer Sonnenschein und die klare Luft bringen die Farben zum Leuchten. Wieder am Meer zeigt sich die Küste nun öfters felsig.

Es ist Ebbe und es riecht nach Algen und Salzwasser. In der Stadt Les Sables d’Olonne startet gerade ein Ironman-Wettbewerb – und wir sind wieder einmal mittendrin. Letztes Wochenende in Mimizan der Triathlon… und jetzt Ironman. Wir steigern uns langsam. Dann ist wohl in Roscoff die Tour de France dran. Entlang der wunderschönen Küste mit Sandstränden und felsiger Steilküste, ab und an kurvig auf schmalen Pfaden hoch und runter durch Wald erreichen wir nach unseren üblichen 90 Kilometern St.Hilaire, wo wir auf den Campingplatz rollen. Mit Wäsche waschen, kochen, Tagebuch schreiben und Etappenplanung ist der Rest des Tages dann rasch vorüber.

Das Wetter wird täglich besser, heute wolkenloser Himmel und hochsommerliche Temperaturen. Es geht weiter die Küste entlang nach Norden über schmale Radwege kurvig durch Wald. Ziemlich nervig sind auf Dauer die Sperren, die uns an jeder der sehr zahlreichen Straßenquerungen zum Bremsen zwingen. So kommt man nicht auf eine gute Reisegeschwindigkeit. Führt der Radweg parallel zu Straße oder zusammen mit dem Fußweg, wechselt er alle naselang die Straßenseite, so dass man dauernd queren muss. Bei Frometine biegt die Route wieder in einem wilden Zickzack,-Kurs ins Landesinnere ab, um ein paar Kilometer Hauptstraße zu umgehen. Nach ca. 15 Kilometern Umweg über Felder und entlang vieler Kanäle erreichen wir endlich wieder das Meer. Hier geht es nun an großen Bassins entlang, in denen Austern gezüchtet werden. Überall kann man diese glibbrigen “Köstlichkeiten“ kaufen. Nein danke, nichts für uns….da bleiben wir doch lieber unseren Schokocroissants und Rosinenschnecken. Auf den schattenlosen Kieswegen ist es nun am Nachmittag richtig heiß. Endlos strampeln wir gegen den Wind, bis wir um 14.30 Uhr endlich einen Platz für unser Mittagessen finden. Es gibt wie üblicherweise Baguette mit Humus oder Guacamole. Das Brot ist auf dem Gepäckträger in der Sonne richtig schön geröstet worden und knochentrocken. Heute machen wir schon früh Feierabend und rollen gegen 17.00 Uhr nach 85 Kilometern in La Berniere auf einen netten kleinen Campingplatz direkt am Strand. Vom Zelt haben wir einen tollen Blick aufs Meer und den Rest des Tages sind wir einfach nur faul.Porcin

Auch am nächsten Tag ist es richtig heiß. Da sind wir für den Wind schon echt dankbar, auch wenn er mal wieder von vorne kommt. Vormittags radeln wir am Meer entlang, Porcin ist rasch erreicht, eine sehr hübsche kleine Stadt mit einem Schloss, sehr malerisch, direkt am Hafen. Nach etlichen Kilometern durchs Hinterland sind wir dann bei St. Michel Chef Chef (was für ein Ortsname!) zum letzten Mal an der Küste. Denn bei St. Brevin knickt der Eurovelo 1 nach Osten ab bis Nantes und verläuft dann bis Roscoff im Landesinneren. Gegenüber von St. Brevin liegt die Hafenstadt St. Nazaire. Die Loire mündet hier in den Atlantik und wird von einer sehr hohen Brücke überspannt. Unser Radweg verläuft sehr schön entlang des Flusses, der hier so breit ist, dass man kaum das andere Ufer sieht. Jetzt bei Ebbe liegen viele Sandbänke trocken, das Wasser ist schlammig-sandig, Meer und Fluss mischen sich. Auf dem schattenlosen Deichweg ist es nun am Nachmittag sehr heiß. Doch schon bald erreichen wir den Ort. Palmboeuf und sind auf der Suche nach einem netten Cafe. Leider vergeblich, alles ist geschlossen und auch die Geschäfte am Marktplatz sind alle leer. Ein furchtbar tristes Bild. Auch hier gibt es am Ortsrand wieder den großen “Super U“ Einkaufsmarkt, der der Tod aller Ortszentren zu sein scheint. Heute sind wir wirklich sehr faul. Nach nur 65 Kilometern geht es schon auf einen wunderschönen Campingplatz direkt an der Loire. Alternativ hätten wir noch 40 Kilometer weiter bis nach Nantes kurbeln müssen und dann noch 10 Kilometer quer durch die Stadt bis zum nächsten Campingplatz, der zudem nicht in unserer Fahrtrichtung liegt. Und das bei der Hitze, non merci.

Der Campingplatz ist anscheinend der Treffpunkt der Tourenradler, die sehr zahlreich an der Loire unterwegs sind, der Flussradweg ist wohl äußerst beliebt. Wieder staunen wir, wie schwer bepackt die meisten Radler unterwegs sind. Neben den üblichen prallvollen Ortlieb-Hinterradtaschen sind auf dem Gepäckständer immer noch große, kofferähnliche Aufbauten dabei und natürlich auch große Vorderradtaschen. Und manchmal rollt noch ein Anhänger hinten dran.

Es geht am nächsten Tag sehr schön am Loirekanal entlang und dann durch viele Orte Richtung Nantes. Da der Radweg um jeden Preis auch jede noch so kleine Straße umgehen will, ist das oft ein irrsinniger Zickzack-Kurs. So geht es erst steil hinunter an die Loire, dann nach kurzer Zeit wieder ebenso steil hinauf in einen Ort usw. Nach 50 Kilometern sind wir endlich in Nantes.

Entlang der Erdres in Nantes

Die Altstadt ist ziemlich groß, es gibt schöne Plätze mit Brunnen und vielen Cafes, viele schöne Sträßchen zum Bummeln, ein Schloss und natürlich eine gotische Kathedrale. Am Flüßchen Erdre, das in Nantes in die Loire mündet, geht es geruhsam aus der Stadt hinaus, später über Felder, Wiesen und hübsche Dörfer bis zum Ort Nort-sur-Erdre, der etwas von unserer Route entfernt liegt. Ein abwechlungsreicher Tag und unsere üblichen 85 Kilometer ließen sich leicht fahren.

Am nächsten Tag geht es ausschließlich am Kanal Nantes-Brest entlang ohne auch nur einen Ort zu berühren. Auf sehr guten Schotterwegen direkt am Ufer, oft unter schattigen Bäumen, gleiten wir ungestört dahin. Ab und zu sieht man ein Hausboot vorbei schippern oder an einer der zahlreichen Schleusen warten, am Ufer hocken öfters Angler, Schwalben flitzen über das Wasser. Es gibt immer etwas zu sehen, die Tour ist ungemein beschaulich und entschleunigt.

Am Kanal Nantes-Brest


Und auch das Wetter ist ideal: warm, aber nicht heiß und kaum Wind. In Redon erreichen wir nach 87 Kilometern wieder einen Ort. Hier fahren wir auf den Campingplatz.

Vorher wird aber noch am Bahnhof Halt gemacht, weil wir uns über die Zugverbindungen für die Heimfahrt erkundigen wollen. Wegen der Fahrräder ist das per Internet immer ein wenig schwierig. Und es gibt tatsächlich für nächsten Montag noch freie Fahrradplätze für den TGV Morlaix-Paris. Damit hatten wir gar nicht gerechnet. Also buchen wir kurzentschlossen die Fahrt und bleiben dann wohl noch einen Tag in Paris, bevor es nach Hause geht. Die Alternative wäre gewesen, von Morlaix nach Nantes per Zug zu fahren, dann fünf Tage die Loire bis Orleans hinauf zu radeln und dort den Zug nach Paris zu nehmen. Das hätte ich eigentlich bevorzugt, aber die Fahrerei wäre eben doch etwas umständlicher gewesen. Schade.Josselin

Und dann geht es tags darauf noch immer an unserem Kanal entlang, der sich in vielen Kurven wie ein “ echter“ Fluss durch Landschaft windet. Stellenweise sind die Ufer von steilen Hängen und Felsen begrenzt, es sind wieder etliche Boote unterwegs und heute kommen wir auch in Malestroit und Josselin durch zwei sehr schöne Städtchen mit mittelalterlichen Ortskernen, in letzteren sogar mit Burg und Kathedrale. In Malestroit essen mittags wir unser Baguette auf einer Bank am Kanal. Dort liegen auch einige kleinere Motorboote und wir werden von einem der Skipper zu einer Tasse Kaffee an Bord gebeten. Der Mann und seine Frau sind ca. Mitte 70 und ähnlich reiselustig wie wir, er ist sogar vor einigen Jahren alleine um die Welt gesegelt . So sitzen wir gemütlich einige Zeit für ein Schwätzchen zusammen. Eine schöne Begegnung, außerdem macht es viel Spaß, sich endlich mal wieder längere Zeit auf französisch zu unterhalten. Nach 75 Kilometern landen wir etwas nördlich von Josselin auf einen Campingplatz, der leider ziemlich laut in der Nähe einer Schnellstraße liegt. Der nächste Platz wäre jedoch zu weit entfernt.

Auch Tag drei des Kanalradwegs ist ein richtig schöner Radlertag. Bei idealem Wetter rollen wir mit leichtem Rückenwind mühelos am Wasser entlang. Der Kanal muss hinter Rohan einen Höhenzug mit mehr als 100 m Höhendifferenz überwinden.

Fast wie am Panamakanal

Auf dieser Strecke folgt alle 50 bis 100 m eine Schleuse, es sieht wie eine richtige Treppe aus. Ab Pontivy ist der Kanal nicht schiffbar, die Schleusen sind nicht mehr intakt. Dafüt gibt es ab hier einen Fluss, über den die Freizeitkapitäne das Meer erreichen können. Der Kanal gehört nun ausschließlich der Anglern und zahlreichen Radlern. Viele Engländer sind hier unterwegs, etliche scheinen auch in der Bretagne zu wohnen. Im Supermarkt gibt es jedenfalls britische Tagezeitungen. Bei Mur-de-Bretange wird der Kanal zu einem See aufgestaut. Hier verläßt der Eurovelo die Wasserstraße und führt uns steil den Hang zu der kleinen Stadt hoch. Wir sind Steigungen gar nicht mehr gewöhnt und nehmen dann dankbar den bequemen Bahnradweg der uns von der Stadt entlang eines Höhenzugs bringt und schließlich wieder am Kanal endet. In Guarec landen wir nach 96 Kilometern auf einem sehr schönem Campingplatz auf einer Insel zwischen Fluss und Kanal.

Noch einmal geht es ca. 50 Kilometer am Kanal entlang, diese Mal jedoch im leichten Regen, der uns bis mittags begleitet. Doch die dichten Bäume am Ufer halten das meiste ab, so dass wir nicht sehr nass werden. Über 350 Kilometer haben wir seit Nantes nun den Kanal begleitet, kurz bevor er in das Flüßchen Auline übergeht und schließlich in der großen Bucht vor Brest in den Atlantik mündet, verlassen wir seinen Lauf und wechseln in der Stadt Carhaix (lange Mittagspause in einem Cafe) auf einen Bahnradweg, der uns mit sehr moderaten Steigungen durch die hügelige Landschaft der Bretagne führt.Bahnradweg nach Morlaix
Nun hört auch der Regen auf, es wird wieder warm und zeitweise sogar sonnig. Etwas abseits unserer Route rollen wir schon vor 16.00 Uhr nach ca. 72 Kilometern auf einen sehr schönen, ruhigen Campingplatz mitten im Wald bei Huelgoat.

Unweigerlich bricht dann der letzte Tourentag an. Eigentlich ist es nur ein halber, dann nach nur 35 Kilometern auf unserem Bahnradweg rollen wir schon steil hinab nach Morlaix. Die schöne alte Stadt liegt langgestreckt in einem tiefen, steilen Taleinschnitt, der bis zum Meer reicht. Es gibt einen Segelhafen, mittelalterliche Gassen mit schönen Fachwerkhäusern, aber in der “Neustadt“ mit repräsentativen Häusern aus dem 19. Jahrhundert auch einen schönen Boulevard, an dem sich die Restaurants und Geschäfte aufreihen. Die eigentliche Attraktion ist aber der irrsinnig hohe Eisenbahnviadukt, der das gesamte Tal und die Stadt überspannt. Wir verbummeln hier noch ein paar Stunden, bis unser Zug am frühen Nachmittag pünktlich in Richtung Paris abfährt. Die restlichen 30 Kilometer des Eurovelo 1 bis Roscoff schenken wir uns, denn die sind wir bereits auf unserer Radtour Frankreich-Großbritannien-Irland vor zwei Jahren gefahren.

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