Ruta PE1SC, auf halber Höhe bis zum Pass

Peru Great Divide Trail (3)

Muyurina/Ajacucho, 28.-30.9.2025

Vormittags sind wir zunächst damit beschäftigt den Innenraum von Yodas vom Dreck der letzten zwei Wochen zu reinigen. Danach fahren wir mit dem Auto nach Ajacucho, das ca. 12 Kilometer entfernt ist. Die Großstadt hat ungefähr 180.000 Einwohner und besitzt eine schöne koloniale Altstadt. In der prächtigen Basilika ist heute viel los. Der Bischof persönlich liest die Sonntagsmesse dort. Als wir in der Kirche sind, nahm er gerade ein in der Menschenmenge und wurde gefeiert wie ein Popstar. Alle Besucher der Kirche sind festlich herausgeputzt, die kleinen Mädchen sehen aus wie Prinzessinnen. Andererseits werden auch in der Kirche Snacks verzehrt und der Abfall landet natürlich auf dem Boden. Das ist Peru.

Plaza de Armas und Kathedrale in Ajacucho
Plaza de Armas und Kathedrale in Ajacucho

Wir gehen an der Plaza de Armas gegenüber in ein Café zum Mittagessen. Anschließend bummeln wir durch die relativ ruhigen Straßen der Altstadt, denn sonntags haben viele Geschäfte geschlossen. An der zentralen Plaza erinnert eine Gedenktafel an die fast 70.000 Opfer, die bei fem Krieg des Staatesgegen die kommunistisch-maoistische Terrorgruppe „Leuchtender Pfad“ 1980-2000 ermordet wurden oder einfach „verschwunden“ sind. Wie so oft ist die zivile Bevölkerung zwischen den Interessen und Fronten zerrieben worden. Viele waren Indigene aus den Andendörfern. Hier wurden durch Kämpfe und Terror zusätzlich rund 300.000 Menschen vertrieben. Die meisten Opfer gab es in Ajacucho, an deren Universität der „ Leuchtende Pfad“ gegründet wurde und die Kämpfe ihren Schwerpunkt hatten.

Im Mercado Central
Im Mercado Central

Montags fahren wir in die Stadt und stehen wieder mal ewig in Staus. Die schmalen Straßen sind trotz Verbot zugeparkt. Völlig selbstverständlich, denn die einzige Verkehrsregel, die meistens beachtet wird, ist die Ampel. Zusätzlich werden am Straßenrand Autos repariert. Der Gesamte Schwerlastverkehr quält sich durch die Straßen. Jeder fährt in jede noch so winzige Lücke, das daraus resultierende Verkehrsknäuel muss dann unter lautem Hupen entwirrt werden. Auf jegliche Verzögerung wird mit aggressiven Hupen, aufgeregten Armschwenken und aufgeblendeten Scheinwerfern reagiert. Nirgends haben wir so egozentrische, rücksichtslose Autofahrer erlebt -autofahrende Frauen gibt es praktisch nicht. Außerhalb ihrer Fahrzeuge sind die Peruaner dagegen wirklich liebenswürdige Menschen.

Autowaschanlage
Autowaschanlage

Nach längerem Suchen finden wir endlich eine Lavaderia Coches, wo Yoda in 45 Minuten für 7,20 € von zwei Frauen mit Hochdruckreiniger, Schwamm und Shampoo vom Schlamm gesäubert wird und wie neu aussieht. Danach geht es zum Abschmieren (1,20 €) und zum Reifenrotieren (6 €). Das alles wird am Fahrbahnrand vor den Werkstätten erledigt. Außerdem lassen wir 4,5 kg Wäsche waschen und trocknen (7 €). Für und sind das lächerliche Beträge,für „normale“ Peruaner ist es sehr viel Geld.

Señora in Ajacucho
Señora in Ajacucho

Damit ist der Vormittag schon längst vorbei. Ein Mittagessen an der Plaza del Armas haben wir uns verdient, auch wenn die peruanische Küche für Vegetarier echt total ungeeignet ist. Den Nachmittag verbummeln wir in der Altstadt, gehen auf dem Markt Obst und Gemüse einkaufen und sind dann noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder auf unserem Campingplatz, froh dem Lärm der Stadt entronnen zu sein. Was für ein Pech: im benachbarten „Recreo Campestre“ wird wieder Musik gemacht und in irrer Lautstärke der gesamte Ort mit plärrendem Gesang bis nachts beschallt.

Am nächsten Tag sind wir endlich mal richtig faul. Okay, ausschlafen ist nicht, denn kurz vor 6 Uhr morgens klopft der Platzwärter an die Scheibe und will wissen, wie lange wir noch bleiben. Da ist man hier ziemlich schmerzfrei. Aber am Rest des Tages passiert außer Duschen, Blog veröffentlichen und in der Hängematte schaukeln nichts.

Ruta AY922 bei Quispillacta, 1.10.2025

Es ist Zeit für uns wieder aufzubrechen.Über gute Straßen geht es Richtung Süden mal wieder in die Berge und zurück auf die Peru Divide. Die Straßen werden immer kurviger und enger, der Belag immer schlechter und die Berge immer steiler und höher. Die Ruta AY108 führt uns am Steilhang einer Schlucht entlang.

Cañon de Rio Pampa
Cañon de Rio Pampa

Den Rio Pampas können wir nur manchmal tief unten sehen. Wir passieren eine Abfolge kleiner und größerer Dörfer, die entlang der Piste ungefähr auf halber Höhe der Schlucht liegen und umgeben von terrassierten Feldern sind. Natürlich gibt es auch wieder die üblichen Baustellen, vei denen die gesamte Ortsdurchfahrt ohne Umleitung gesperrt ist und wir uns mühsam den Weg suchen müssen. Auf dem Land tragen die Frauen wieder die unglaublichen bunten Röcke, die durch mehrere Lagen von Unterröcken weit abstehen. Besonders schön sind aber hier die schwarzen Filzhüte mit den hochgeschlagenen Krempen, die bunt bestickt bzw. mit kleinen Spiegeln verziert sind und an denen vorne ein prächtiger Strauß aus Plastikblumen steckt.

Ruta AY107, nördlich von Paras, 2.10.2025

Unser zweiter Tag auf der Peru Great Divide führt uns durch mittlerweile vertraute Landschaften und die typischen kleinen Andendörfer mit dem obligatorischen Betondenkmälern am Dorfplatz und den irren engen Gassen. Morgens nehmen wir ein Bauernpaar ins nächste Dorf mit und ich kann in aller Ruhe die farbenfrohe Kleidung von Maria bewundern, die neben mir hinten im Auto sitzt. Die Leute legen hier weite Strecken zu Fuß zurück, selbst ein Motorrad ist Luxus und auch ein Sammelbus oder die bezahlte Mitfahrt als Anhalte in einem Lkw ist für viele zu teuer.

Man geht auch weite Strecken zu Fuß
Man geht auch weite Strecken zu Fuß

Die Piste AY 922 mündet kurze Zeit später in die erst seit einem Jahr asphaltierte Ruta AY 107. Sie bringt uns in einer großartigen geschwungenen Trassierung über einen sehr steilen Bergrücken mit sagenhaften 61 Spitzkehren und vielen „normalen“ Kurven auf über 4000 Meter hoch und dann wieder hinunter in den Ort Totos-Veracruz. Die Straßenbaukunst in Peru ist wirklich immer wieder absolut bewundernswert.

Weiter 300 Höhenmeter rollen wir dann noch schwungvoll runter bis zum Rio Pampas am Grund der tiefen Schlucht. Hier ist es mit 25 Grad angenehm warm und eigentlich hätten wir gerne daher hier unten übernachtet. Dort in dem sehr engen Tal finden wir nirgendwo einen Stellplatz. Also fahren wir weiter und stehen hinter dem Ort Parras ungefähr eine Stunde vor einer Baustelle. Hier ist die Straße wegen Teerarbeiten zeitweise gesperrt. Über viele Kurven schrauben wir uns aus dem tiefen Tal wieder hoch und finden dann endlich an der Passhöhe auf 4.209 Metern einen wunderschönen Stellplatz mit Blick auf frisch verschneite Berge. Es wird wohl unser vorläufig letzter Platz in dieser Höhe sein. Zum würdigen Abschied gibt es abends rosarotes Andenglühen.

Stellplatz bei Parras
Stellplatz bei Parras

Piste abseits der Ruta 28a, zwischen Agro und Tara, 3.10.2025

Wir gönnen uns einen kleinen Spaziergang am Morgen, bevor wir aufbrechen. Immer weiter zieht sich die Straße AY107 noch bergauf, bald fahren wir durch Eisregen. Erst auf 4950 Meter ist die Passhöhe erreicht. Eine düstere Gegend, es gibt nur schwarze Felsen und sumpfige Moorpolster, trotzdem weiden hier Guanakos. Rasch ist dann die Hauptverbindungsstraße 28a erreicht. Hier ist relativ viel Verkehr. Die Straße ist über weite Strecken in einem grauenhaften Zustand. Der Asphaltbelag ist gar nicht oder nur einseitig vorhanden, unendlich viele Schlaglöcher zwingen zum sehr langsamen Fahren. Häufig weicht man auch einfach auf die Gegenfahrbahn aus. Wir durchfahren ein Tal mit kunterbunten Bergen, wie die gigantische Palette eines Malers leuchten sie in Rot, Orange, Schwarz, Grau, Grün und Ocker.

Bunte Berge an der Ruta 28a
Bunte Berge an der Ruta 28a

Auf den Gipfeln liegt Schnee. Wunderschön. Auch Terrassen von Kalkablagerungen sind zu sehen. Später queren wir eine weite karge Hochebene, mit nur sehr spärlicher Vegetation auf 4300 Metern. Die Dörfer sind nun reine Ansammlungen von Lehmhäusern parallel zur Straße und sehen teilweise verwahrlost aus, viele alte Häuser sind im Verfall und nicht mehr bewohnt. Der triste Eindruck wird durch das regnerische Wetter verstärkt. Endlich geht es bergab und wir biegen auf eine nicht mehr intakte Schotterpiste ab, die uns hinab zu unserem Stellplatz in Nähe des Flusses führt.

Ruta PE1SC, südlich von Huancacasa, 4.10.2025

Unsere gute Asphaltstraße 28a bringt uns bequem bergab in das enge Flusstal. Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis. Wie wahr! Deshalb biegen wir auch schon nach wenigen Kilometern bei Huaytara ab auf die Ruta PE 1SC. Sie entpuppt sich als ausgewaschene, teils sehr sandige und einspurige Piste, die sich in Serpentinen den 1000 Meter hohen Steilhang oberhalb von Huaytara emporzieht. Natürlich gibt es keinerlei Absicherung zwischen den Reifen und dem sich daneben auftuenden senkrechten Abgrund. Die 19 sehr steilen Kehren sind so eng, dass sie überwiegend nur mit zurücksetzen zu meistern sind. Die Fahrbahn ist wellig, ausgewaschen oder mit Schlaglöchern und Steinen verziert, so dass Yoda öfters ins Schwanken kommt. Es gibt kaum Ausweichstellen. Gott sei Dank kommt außer uns niemand auf die verrückte Idee, diese irrsinnige Piste zu nutzen. Denn man hätte theoretisch auch auf der guten Ruta 28a bleiben können. Olaf lässt das alles kalt. Obwohl ich ja mittlerweile schon ziemlich abgehärtet bin, dieses Mal habe ich wirklich echte Angst, mir ist richtig schlecht.

Ruta PE1SC, auf halber Höhe bis zum Pass
Ruta PE1SC, erst uf halber Höhe bis zum Pass

Oben in den Bergen sind wir wieder in einer anderen Welt. Es ist kühl, es gibt nur einige Hütten für die Ziegenhirten auf der Hochfläche. In Kurven rollen wir bergab, während mein Puls sich nur langsam beruhigt. So eine Piste möchte ich nie wieder fahren müssen.

Stellplatz in der Wüste
Stellplatz in der Wüste

Im Dorf Chaulisma kommen wir auf wieder auf guten Asphalt. Immer tiefer geht es nun die enge Straße bergab. Es wird kontinuierlich wärmer, die Vegetation wird immer trockener. Schließlich gibt es noch nicht mal mehr dornige, vertrocknete Sträucher, sondern nur kahle Felshänge und große Kakteen. Im wüstenartigen Canyon des ausgetrockneten Flusses übernachten wird heute auf nur noch 1459 Metern Höhe.