Rio Huarua, 19.9.2025
Nach einer eisigen Nacht haben wir morgens minus fünf Grad und das Dachzelt unseres Toyota Landcruisers ist von innen gefroren. Wie blöd, dass ab 3800 Metern Höhe unsere Standheizung nicht mehr funktioniert. Zum Trost begrüßt uns ein strahlender Morgen, der Himmel ist blitzblau und in den Bergen liegt Neuschnee.


Wir fahren weiter auf der Ruta PE16a durch eine herrliche Berglandschaft und biegen dann auf die Piste LM599, die wieder in den Huayhuash Nationalparks hineinführt. Laut einer Empfehlung von IOverlander soll die Strecke sehr schön sein. Die Landschaft ist wirklich großartig, wir durchfahren ein tolles Tal mit beeindruckenden Gipfeln und mächtigen Gletschern auf beiden Seiten. Nur gehört leider das gesamte Gebiet zur Minera Raura, eine Mine, die Kupfer, Blei, Silber und Zink abbaut. Wir fahren quer durch das Gelände der Mine zwischen den großen Lkw herum, die Natur ist hier logischerweise zerstört. Das hatten wir uns in einem Nationalpark naiverweise doch etwas anders vorgestellt. Wir fahren die gleiche Strecke wieder zurück und hinunter zur nicht sehr einladenden Kleinstadt Oyon, wo wir einkaufen. Die Ruta 16a bringt uns dann tief hinunter in den Canyon des Rio Huarua, wo wir einen sehr schönen Platz am Fluss zum Übernachten finden. Wir sind 2000 Höhenmeter tiefer als heute Mittag, der ständige Wechsel ist wirklich eine Herausforderung für den Kreislauf.

Ruta LN 107, Torres de Vichaycochas, 20.9.2025
Wir genießen das Frühstücken draußen in der warmen Sonne auf nur 2800 Metern Höhe. Eine gute Straße führt uns immer weiter bergab in den wüstenartigen Canyon des Rio Huarua hinein. Es gibt einige heiße Quellen und wir hätten uns zu gerne eine Wellnesspause dort gegönnt. Doch heute ist Samstag und die Badeanstalten sind gut gefüllt. Viele Menschen haben hier keine Möglichkeit, eine warme Dusche oder ein Bad zu Hause zu nehmen. Daher sind die Thermalbäder sehr stark nachgefragt.
Wir biegen schließlich auf die Ruta LN 107 ab. Wenn nicht in regelmäßigen Abständen die Straßennummer auf einem Stein neben der Piste vermerkt wäre, würden wir meinen, auf einen ziemlich schlechten Feldweg zu rollen. Die Piste bringt uns wieder hinauf in die Berge. Zunächst fahren wir noch durch ein schönes Flusstal mit grünen Obstplantagen im Talgrund und steilen Fels-und Schotterwänden. Dann geht es, wie schon gewohnt, in engen Serpentinen eine Steilwand hoch und längere Zeit in luftiger Höhe den Hang entlang, ungefähr 900 Meter über dem Tal bis zum kleinen Ort Julul und schließlich nach Parquin. Hier werden gerade sämtliche Ortsstraßen und die Plaza gleichzeitig betoniert. Für die Bewohner bestimmt toll, wenn sie in der Regenzeit nicht mehr durch Schlamm waten müssen.

Allerdings ist für ortsunkundige Gringos die Durchfahrt etwas schwierig. Wir bekommen die Erlaubnis, die abgesperrten Straßen zu passieren und sind danach auf einer sehr steinigen, engen und steilen Piste, die uns nochmals 1300 Höhenmeter hinauf führt. Eine abenteuerliche Strecke. An einem eiskalten Gebirgsbach gönnen wir uns eine Ganzkörperwäsche und Olaf wäscht sich sogar die Haare. Weiter geht es steil bergan auf rutschigen Steinen. Wir fahren im ersten Gang. Und dann ist vor uns plötzlich ein Tourenradler, der seinen Drahtesel den Pass hoch schiebt, keuchend in der dünnen Luft. Was für eine unglaubliche Leistung. Ich fühle mich plötzlich richtig mies in unserem Luxusauto. Wir bieten ihm an, das Gepäck bis zur Passhöhe zu übernehmen. Doch natürlich will er aus eigener Kraft seine Tour bewältigen. Aber eine Banane nimmt er gerne an. Auf dem weiteren Weg deponieren wir für den Radler noch Kekse und Bananen als Trailmagic. Die Passhöhe liegt bei 4880 Metern.

Eine irre Landschaft! Kunterbunte Berge in gelben, grünen, roten, blauen und schwarzen Gestein. Gipfel in bizarren Felsformen. Dazu ein phantastisches Licht. Atemberaubend schön. Vor und nach dem Pass leben Hirten in einfachen Steinhütten. Sehr große Schafe und viele Lamas weiden hier. In sehr engen Spitzkehren, die teilweise nur mit Rangieren zu passieren sind, führt die steinige Piste hinunter ins Tal, das von senkrechten Felswänden begrenzt wird. Ungefähr 500 Höhenmeter unterhalb des Passes finden wir einen traumhaften Stellplatz an einem Stichweg oberhalb der Straße. Einige Zeit können wir noch die wirklich epische Landschaft genießen. Vor uns erhebt sich eine senkrechte, schwarze Felswand mit senkrechten Erosionssrillen. Die 100 Meter hohen Torres de Vichaycocha sehen aus aus wie eine gigantische Burg und sind eine bekannte Sehenswürdigkeit der Gegend. Dann ziehen Wolken auf, es hagelt. Hoffentlich hat der Tourenradler noch rechtzeitig sein Zelt aufbauen können.

Ruta JU 507, Laguna Ancacocha, 21.9.2025
Welch ein Glück, dass wir nicht auf dem kleinen Parkplatz direkt neben der Straße übernachtet haben. Mitten in der Nacht rollen mehrere Tourbusse an, Motorräder kommen, Zelte werden aufgebaut. Morgens um 6 Uhr sehen wir ca. 50 Leute, die bei klirrender Kälte den Sonnenaufgang an den dramatischen Felswänden der Torres de Vichaycocha auf der gegenüberliegenden Talseite beobachten wollen. Wie üblich ist das ein ganz großes Spektakel für die ganze Familie, Selfies werden endlos produziert, Musik dröhnt aus Lautsprecherboxen und Picknickdecken werden ausgepackt. Die Touristen kommen aus dem 4 Autostunden entfernten Lima. Die spinnen, die Peruaner.

Wir frühstücken währenddessen gemütlich im Auto. Als die wärmende Sonne endlich den Talgrund erreicht, rücken die Tourbusse schon wieder ab. Wir fahren runter auf den Parkplatz, wandern über eine trockene Wiese zu grasenden Lamas und genießen den imposanten Anblick der Felstürme aus einer anderen Perspektive. Am Parkplatz bittet uns ein junger Peruaner um Hilfe. Sein Motorrad, mit dem er aus Lima gekommen ist, hat einen Platten. Olaf packt seinen Zauberkasten aus und findet gleich zwei dicke Löcher, die er abdichten kann. Anschließend kommt per Kompressor wieder ausreichend Druck auf den Reifen. Da hat der Chico aber noch mal echt Glück gehabt. Die ganze Aktion dauert über eine Stunde, Olaf hat gutes Karma und wir einen neuen Freund gewonnen
Wir fahren weiter nach St. Miguel de Vichaycocha, Das nahegelegene Dorf hat eine kleine Tienda zum Einkaufen, allerdings ist die Auswahl wie immer sehr bescheiden und das angebotene Gemüse bereits verwelkt. Wir kaufen Eier und gummiartige Brötchen, fürs Mittagessen uralten Rührkuchen. Hier in den abgelegenen Orten muss man in kulinarischer Hinsicht sehr flexibel sein, aber man verhungert nicht.

Von San Miguel fahren wir zunächst wieder Richtung Norden hinauf in die Berge, um dann auf die schmale Piste LM620 nach Südosten abzubiegen. Eine herrliche Strecke, die uns in Hochtälern auf mehrere Pässe in ca. 4800 Meter Höhe in das Land der bunten Berge bringt. In den tollsten Farben leuchten die Berghänge. Wir fühlen uns wie in Island, wären da nicht die grasenden Lamas. Immer wieder kommen wir aber auch an Minengelände und aufgestauten Seen vorbei. Am Nachmittag verschlechtert sich das Wetter. Es gibt Schnee und Eisregen bei Temperaturen um die Null Grad. Nach einigen Kilometern auf der asphaltierten und stark befahrenen Ruta 20c biegen wir wieder ab auf eine Piste. Die verkehrsfreie Ruta JU 507 führt durch ein weites grasiges Hochtal mit vielen kleinen Seen. Die einzige Siedlung ist Yantac, ein kleines Dorf mit sehr ärmlichen Lehmhäusern. Wasser gibt es aus dem Dorfbrunnen, ebenso zentrale öffentliche Toiletten, die bei den Wohnhäusern fehlen. Wir rollen noch ein paar Höhenmeter tiefer. Einige Kilometer entfernt vom Ort stellen wir uns am See Ancacocha auf eine weite Wiesenfläche zum Übernachten. In einiger Entfernung liegt ein Bauernhof, Schafe und Pferde grasen frei. Absolute Stille. Was so idyllisch aussieht, ist in der Realität ein ziemlich hartes Leben.

Das Wetter ist wieder trocken, so dass wir noch einen Spaziergang machen können. Es wird rasch kalt auf 4500 Metern. Abends kuscheln wir uns in eine dicke Decke, denn unsere Standheizung funktioniert ja leider nicht oberhalb von 3800 Metern. Kurz nach 19 Uhr liegen wir daher im warmen Schlafsack, dennoch dauert es Stunden, bis die Füße auftauen.
Laguna Yuracmayo, Ruta LM22a, 22.9.2025
Wie eiskalt war wieder diese Nacht. Als ich mit großer Überwindung um 5 Uhr zur Toilette nach draußen musste, glitzerten im Inneren des Dachzeltes die Eiskristalle und draußen unzählige Sterne. Morgens scheint wärmt uns die Sonne schon früh, die weite Grasebene ist silbern vor Rauhreif. Kann ein Frühstück draußen schöner sein? In der Ferne blöken einige Schafe, ansonsten ist es völlig ruhig. Wie klein sind wir in dieser weiten, mächtigen Natur. Wir lassen uns Zeit, das ganz normale Leben in diesem großen Land zu erkunden, weit weg von irgendwelchen touristischen Orten, auf den einsamen Pisten der kontinentalen Wasserscheide in den Hochanden. Unsere Tagesetappen liegen bei maximal ca. 100 Kilometern, schneller als 15-20 km/h fahren wir im Durchschnitt nicht. So weit weg sind wir von dem „normalen“ Leben in Europa. Die Weltnachrichten interessieren uns immer weniger. Doch in nur einem Monat sind wir wieder für einige Zeit in Deutschland, das wird eine harte Umstellung.

Erst spät kommen wir von unserem schönen Sonnenplatz los und machen schon nach kurzer Zeit im Dorf Marpapomacocha am gleichnamigen See den ersten Stop. Hier gibt es nämlich eine kleine Tienda, die sehr gutes Obst und Gemüse hat. Sie liegt direkt an der sehr gepflegten und repräsentativen Plaza mit dem imposanten Rathaus. Die alte Inhaberin ist sehr nett, wir unterhalten uns, hier macht der Einkauf Spaß. Neugierig machen wir dann eine kleine Erkundungstour durch den Ort. Es gibt auch mehrere kleine Hotels, einen großen, neuen Sportplatz und eine Schule. Der Rest des Dorfes mit seinen alten, einfachen Häusern ist dazu ein herber Kontrast.


Die weitere Piste PE 3NG ist purer Overlandergenuss. Wieder fahren wir durch ein weites Tal mit kargem gelben Gras. Halbwilde Herden von Lamas und knuddeligen Alpackas leben hier. Die Berge leuchten bunt in allen Farben. Daran erkennt man schon die Bodenschätze, das macht die Erzgewinnung leicht. Es gibt natürlich auch wieder einige Minen. Die Piste steigt bis auf eine Passhöhe von 4950 Metern und fällt dann 800 Meter in vielen Kurven bis ins Tal zur geteerten Ruta 22 ab. Die Carratera Central ist die Verbindung zur Küste und nach Lima. Daher herrscht hier dichter Lkw-Verkehr. Am Rand der Straße erstrecken sich Orte, die nur aus einer Reihe halb verfallener Häuser bestehen, direkt darunter im Talgrund sind die Erzminen. Grauenhaft. Die kurvenreiche Straße teilt sich den engen Platz im Canyon mit einer Eisenbahnlinie, die der Erschließung der Erzminen in den Anden dient und ebenfalls nach Lima führt. Immer wieder verschwindet die Bahn in Tunneln, um die Straße kurz darauf auf Viadukten zu queren. Rechts und links steigen die senkrechten Felswände empor. Der Verkehr ist mörderisch. Überall, auch in den engen Kurven, überholen Pkw und Busse die langsamen Lastwagen und quetschen sich wenige Meter vor der Kollision mit dem Gegenverkehr in jeder Lücke. Sogar in den dunklen Tunneln wird überholt.
Wir müssen einen halbstündigen Umweg talabwärts bis San Mateo fahren, denn nur dort gibt es eine Tankstelle. Danach quälen wir uns wieder bergauf durch die treffenderweise Cañon Infernillo genannte Schlucht und sind dankbar, als wir endlich auf die Piste PE22A in ein ruhiges Bergtal abbiegen können. Da strampelt vor uns ein Tourenradler. Zu unserer großen Überraschung ist es Sebastian, den wir vor vier Wochen an den Gocta-Wasserfällen kennengelernt hatten. Natürlich halten wir für einen Austausch an, es ist toll, ihn wiederzusehen. Er will mit seinen beiden Radlerbegleitern nur noch 5 Kilometer weiter zum nächsten Ort radeln und dort übernachten. Wir fahren noch 20 Kilometer und 400 Höhenmeter hinauf zum Stausee Yuracmayo in 4300 Metern, wo wir übernachten. Im Laufe des Nachmittags hat es sich komplett bewölkt. Jetzt gibt es Gewitter, Regen und mal wieder Kälte.
Ruta LM 120, Tragadero del Cañete, 23.9.2025
Same procedure as every night. Wieder scheucht mich der Dauerdurchfall nachts bei Minusgraden nach draußen. Jetzt bin ich es leid und es gibt Antibiotika. Mal sehen, wie es wirkt.
Heute früh scheint die Sonne vom noch wolkenlosen Himmel, beim Frühstücken draußen ist es richtig warm. Wir fahren anschließend kontinuierlich durch ein wunderbares Tal bergauf. Viele Lamas, Schafe und Alpackas weiden hier. Die Berge sind wieder sehr bunt. Wer karge, weite Landschaften mag, wird hier glücklich. Auf 4923 Metern sind wir am Pass Ushuayca, der einen atemberaubenden 360 Grad-Blick auf die bunten Berge und das weite grün-gelbe Tal sowie Gipfel mit mächtigen, hängenden Gletscher auf der anderen Passseite bietet. Der perfekte Platz für unsere Kaffeepause, während über uns drei Kondore ihre Kreise ziehen.

Auch die weitere Strecke der schlaglochreichen Piste 120 ist spektakulär. Nach der Abfahrt vom Pass können wir an einem Bach nicht der Versuchung widerstehen, uns eine Ganzkörperwäsche inklusive Haarewaschen zu gönnen. Ein sehr kaltes Vergnügen.
Danach geht es direkt wieder in Kehren steil hinauf zu einer Hochebene mit tollem Ausblick auf die Gletscher und Lagunas. Allerdings ist es jetzt wieder stark bewölkt, es fegt ein eisiger Wind mit Regen und in den Bergen donnert es. In Gedanken sind wir bei Sebastian und seinen Mitstreitern, die sich durch diese wilde Landschaft kämpfen müssen.
Die zahlreichen Seen hier oben werden durch Gletscher gespeist, sie sind teilweise künstlich gestaut und ein ganzes Netz von steinernen Rinnen transportiert das kostbare Wasser in die Täler. Wenn die Gletscher weiter abschmelzen, wird es große Probleme mit der Wasserversorgung geben.

Endlich senkt sich die Piste, wir rollen hinab zum Stausee Laguna Paucarcocha, an dessen Ende der Ort Tanta liegt, ein typisches Andendorf. In einer höhlenartigen Tienda kaufen wir ein. Das Geschäft ist von außen nicht als solches zu identifizieren, hier hilft nur, die Einheimischen zu fragen.
Und noch einmal geht es hinauf und bergab durch das sehr schöne, schluchtartige Tal des Rio Cañete. Der breite Gebirgsfluss verschwindet an einer geologischen Faltung in einem Felsloch und kommt erst 4 Kilometer später wieder ans Tageslicht. In der Nähe übernachten wir heute.
Ruta LM 926, bei Laraos, 24.9.2025
Fast haben wir uns schon an die Kälte nachts gewöhnt. Standardmäßig schlafen wir in unserer Tageskleidung, nur die mittlerweile sehr dreckige Hose wird nachts gegen eine lange Merinohose getauscht.
Fast den gesamten Tag folgen wir der Ruta 120 durch das Tal des Rio Cañete. Einige Kilometer hinter unserem Stellplatz erreichen wir die Stelle, an der der Rio Cañete aus seiner Versickerung wieder an das Tageslicht sprudelt. Um zu dem Quelltopf zu kommen, müssen wir erst durch eine Höhle klettern, das macht Spaß.
Der Fluss hat nun eine unwirkliche jadegrüne Farbe, das Wasser ist kristallklar und fließt in vielen Katarakten und Mäandern zu Tal. Beim nahen Ort Vilca laufen wir einen kleinen Wanderweg, der sehr schön oberhalb des Flusses führt.
Danach steigt die Ruta 120 am Steilhang des Tales hoch. Der Rio Cañete durchfließt nun einen langen Cañon in einem Wechsel aus kleinen Wasserfällen und aufgestauten Seen. Eine tolle Strecke und eine Touristenattraktion.
In Huanacaya erreichen wir nach vielen steilen Serpentinen wieder den Talgrund. Der kleine Ort hat viele Hotels und Restaurants. Am Wochenende ist hier bestimmt viel los, jetzt ist alles wie ausgestorben. Auch an der einzigen Tankstelle ist weit und breit niemand zu sehen, außer den beiden Hausschweinen und einigen Ziegen. Das ist blöd, denn in den kleineren Dörfern in den Bergen kann man Benzin nur in homöopathischen Mengen in den Tiendas in Plastikflaschen abfüllen lassen. Allerdings müsste unser Benzin noch bis zur nächsten Stadt reichen.

Der weitere Streckenverlauf am Fluss entlang ist wunderschön, doch ein ständiges auf und ab. Die schmale Straße erfordert viel Aufmerksamkeit.
Hinter dem Ort Llapay biegen wir wieder auf eine Piste ab. Die LM 926 geht wieder hoch in die Berge, an der langgestreckten Steigung begegnen uns wieder der Weltumradler Sebastian und sein Kumpel. Die Jungs sind ähnlich schnell wie wir, rund 70-90 km pro Tag, irre. Der dritte Radler ist irgendwo auf der Strecke geblieben. Die beiden werden im Bergdorf Laraos übernachten. Diese Orte stellen aus europäischer Sicht sehr ärmliche und ziemlich dreckige Siedlungen aus teilweise baufälligen Häusern dar. Für die Tourenradler sind es Inseln der Zivilisation mit Tiendas, Gasthäusern und einfachen Hospedajen. Wir fahren noch ein ganzes Stück weiter hoch in die Berge und übernachten dort irgendwo am Rand der Piste.
Ruta HV110, nördlich von Acobambilla, 25.9.2025
Subjektiv wird es täglich kälter. Heute früh hatten wir sehr starken Wind und minus 5 Grad. Immerhin können wir und im geschützten Auto aufhalten, im Gegensatz zu den Tourenradlern, die bergauf und gegen den Wind kämpfen müssen.

Die Ruta LM926 führt nach unserem Übernachtungsplatz bis an den Talschluss und dann mit mehren Serpentinen den Felsgang empor. Die Piste ist ziemlich rutschig mit großen, losen Steinen, teilweise mit überhängenden Felsen. Vor der Passhöhe queren wir ein sehr fotogenes Gebiet mit rot und weiß gemusterten Felsen. Direkt hinter dem über 4800 Meter hohen Pass geht es wieder in engen Haarnadelkurven bergab zur Laguna Siete Colores. An einem windgeschützten Platz können wird dort sogar unseren Kaffee draußen trinken. Die Piste führt uns dann in eine völlig neue Landschaft.

Eine hügelige, grasige Hochebene tut sich vor uns auf, begrenzt von bunten Bergen. Hier grasen große Alpackaherden, die auch auf der Piste stehen und uns neugierig beäugen. Ganz weit reicht der Blick, wunderschön. Wir kommen viel schneller als erwartet auf der nun glatten Piste voran und sind schon gegen 15 Uhr an unserem Tagesziel. Vor dem Ort Acobambilla erreichen wir wieder steile Berge, die Straße senkt sich hinunter in ein tiefes Tal. Auf einer grasigen Ausbuchtung neben der Piste finden wir einen guten Stellplatz und können sogar noch, dick angezogen, eine Stunde in der Sonne vor dem Auto sitzen und und etwas die Berge betrachten. Dann treibt uns der eiskalte Wind ins Auto.
Seit zwei Wochen bewegen wir uns in Höhen zwischen 4500 und 5000 Metern und die Kälte ist unser ständiger Begleiter. Wie sehne ich mich nach etwas Wärme. Andererseits möchte ich aus dieser dramatischen Bergwelt gar nicht mehr weg. Trotzdem wird es Zeit, wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Seit 14 Tagen haben wir uns nicht mehr richtig gewaschen und keine Kleidung gewechselt. Yoda ist so dreckig, dass sich die Fenster nicht mehr öffnen lassen. Abends klopft dann noch in der Dunkelheit die Polizei bei uns an das Fenster, alarmiert durch besorgte Autofahrer wollten sie nur nach dem Rechten schauen.
Ruta 26b, hinter Lircay, 26.9.2025
Nachts und vormittags regnet es kräftig, bei knapp über Null Grad extrem ungemütliches Wetter. Bei fahrendem Auto läuft die Heizung und endlich tauen auch die kalten Füße auf. Es geht bergab, wie immer mit vielen Kurven, auf ca. 3000 Meter in ein Tal und direkt wieder danach hoch auf 4800 Meter, hier schneit es etwas. Nach der Kammhöhe sausen wir sofort wieder runter in das nächste Tal. Hier wachsen schon wieder Eukalyptusbäume und wir können unsere Kaffeepause sogar außerhalb des Autos genießen. Gefühlt verbringen wir in der letzten Zeit wirklich 23 Stunden pro Tag im Yoda und haben das Gefühl, mal eine Pause zu brauchen. Da bietet sich das „Andean House“ im nicht weit entfernten Huancavelica an. Auf sehr guter Piste erreichen wir schon mittags das weite Tal und damit die asphaltierte Straße in die ziemlich große Stadt. Vielleicht gibt es sogar eine warme Dusche und wir könnten unsere Kleidung waschen! Doch das von der App iOverlander empfohlene Hotel entpuppt sich als Flop. Eine Übernachtung im Auto ist nach Umbauten nicht mehr möglich und es gibt nur kalte Duschen. Alternativen für einen Übernachtungsplatz gibt es nicht in der Stadt. Wie eigentlich immer ist auch in dieser Stadt die Durchfahrt sehr stressig. Es gibt keine Beschilderung, Google Maps routet durch Fußgängerzonen und Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung und außerdem gibt es noch Straßensperren wegen Baustellen, natürlich auch ohne Beschilderung einer Umleitung. Und das alles in extrem steilen, engen Straßen mit einer sehr tiefen Rinne zur Entwässerung an beiden Fahrbahnseiten, in die wir möglichst nicht rutschen sollten. Immerhin erreichen wir eine Tankstelle am Ortsausgang und Yoda bekommt sein Mittagessen.
Über die breite Ruta 26b rollen wir wieder 1000 Höhenmeter hoch, es regnet und schneit teilweise kräftig. Obwohl wie eine ähnliche Landschaft durchfahren wie die letzten Tage, ist der Eindruck auf der sehr gut asphaltierten Straße ein ganz anderer. Allerdings ist der feste Belag bei dem strömenden Regen auch nicht zu verachten. Nach der Passhöhe geht es wieder runter, das Wetter wird sogar sonnig. Hinter dem Ort Lircay schrumpft die Straße auf eine Spur, verziert mit vielen Schlaglöchern. Es geht durch ein enges Flusstal. Mittlerweile ist es schon später Nachmittag. Natürlich ist der anvisierte Stellplatz mit dem Auto nicht mehr anzufahren, ein Fels blockiert die Zufahrt. Es gibt Tage, da ist einfach der Wurm drin. Einige Kilometer weiter parken wir für die Nacht einfach an einer Schotterfläche neben der Straße. Kein schöner Platz und, wie üblich, ziemlich vermüllt, aber alternativlos und auf „nur“ 3500 Metern Höhe endlich mal nicht mehr kalt. Sogar die Standheizung funktioniert einwandfrei und von allen vorbeifahrenden Fahrzeugen wird natürlich freundlich gehupt und gewunken.
Muyurina, 27.9.2025
Den ganzen Tag fahren wir auf der Ruta 26b hinunter von den Kämmen der Anden ins zentrale Hochland. Hinter dem Flusstal geht es mal wieder hoch auf einen Pass bis auf 4800 Meter. Kurvenreich rollen wir anschließend abwärts durch einige Bergdörfer. In einem größeren Ort ist Wochenendmarkt, hier sind die Straßen voll von Menschen und Verkaufsständen. Die anderen Dörfer sind, wie so oft, wie ausgestorben, wenn man von den unermüdlich strickenden alten Frauen vor den Hauseingängen absieht. Oberhalb einer Ortes machen wir am Straßenrand unsere Mittagspause, ein schöner Platz mit Blick über die Berge und gemessen am herumliegenden Müll auch beliebt. Ein zufällig vorbeigekommen Polizeiauto stoppt. Man will unsere Ausweise sehen, fragt nach der Fahrtroute und fotografiert unser Auto. Die Beamten sind sehr freundlich, trotzdem ist das für uns etwas befremdlich.
Immer weiter kurven wir bergab, bis wir in einem Flusstal auf etwa 2700 Metern Höhe ankommen. Eine andere Welt. Wüstenartige Landschaft. Nur mit Hilfe von Bewässerung oder am Fluss gibt es üppige Vegetation. Und das Thermometer klettert auf 30 Grad. Diesen radikalen Wechsel steckt mein alter Körper nicht so gut weg und rächt sich mit Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen. Am frühen Nachmittag erreichen wir Muyurina. Der Ort liegt einige Kilometer vor der Kolonialstadt Ayacucho, die wir uns ansehen wollen. In Muyurina gibt es ein Hotel mit Bungalows und im Garten kann man campen. Vor allen Dingen gibt es eine warme Dusche.
Leider ist Muyurina auch beliebtes Ausflugsziel der Städter und rings um unseren Platz befinden sich einige der typischen „Recreo Campestre“, das ist so etwas wie ein südamerikanischer Biergarten, in denen heute am Wochenende natürlich viel Betrieb ist. Denn Freunde und Familie, Essen und natürlich Musik in irrer Lautstärke sind die Zutaten für das Freizeitvergnügen der Peruaner am Wochenende. Und unser Stellplatz liegt mittendrin. Da helfen nachts auch die Oropax nichts.