Freitagabend feiern wir stilecht unseren Abschied von Pagosa Springs in einer urigen Kneipe mit vegetarischen Burgern, Bier und köstlichen Kuchen als Nachtisch. Dazu gibt es Live-Countrymusik. Ein wirklich schöner Abend und wir kommen erst nach 22:00 Uhr ins Bett, eine für Wanderer ungewöhnlich späte Uhrzeit.
Schon kurz nach 8:00 Uhr stehen wir am Samstagmorgen gemeinsam mit Swissmonkey, einem schweizer Wanderer, am Highway. Wie bisher ist es auch jetzt sehr leicht eine Mitfahrmöglichkeit zu bekommen.
Bereits ab 9:00 Uhr wandern wir wieder bergauf auf dem CDT. Die Höhe macht uns noch immer zu schaffen, bei jeder Steigung kommen wir arg ins Schnaufen. Doch die herrliche Landschaft entschädigt mehr als genug für die Mühen. So schön ein Ruhetag in einer Stadt mit gutem Essen und Nichtstun auch ist, wir sind froh, wieder in den Bergen zu sein.
Es geht immer höher durch Tannenwälder und über blühende Wiesen, bald liegt die Waldgrenze unter uns. Einige wenige Schneefelder sind zu queren, alles völlig harmlos. Der Schnee ist nicht mehr vereist, aber auch noch nicht zu weich und gibt guten Halt.
Erschreckend aber auch hier die riesigen Waldgebiete, die dem Borkenkäfer vollständig zum Opfer gefallen sind. Ganze Berghänge und Täler bestehen nur noch aus abgestorbenen Bäumen. Hierdurch und durch die große Trockenheit ist die Waldbrandgefahr extrem hoch. Der gesamte Santa Fe Forest, durch den wir tagelang südlich von Chama gewandert sind, ist nun komplett gesperrt, ebenso das Gebiet am Mount Taylor bei Grants. Wir sind so gerade eben noch dort durch gekommen.
Der CDT führt uns zu zwei schönen Bergseen, dahinter folgt eine knackige Steigung auf einen Sattel. Und dann können wir ein Panorama wie aus dem Bilderbuch genießen. So weit das Auge reicht nichts als hohe Berge, oft noch schneebdeckt, darüber der knallblaue wolkenlose Himmel Colorados. Wir sind einfach nur glücklich und unendlich dankbar, dass wir hier sein dürfen.
Einige Zeit geht es auf dem Grad leicht bergauf und bergab weiter. Dann erreichen wir den steilen Abstieg zur Creede-Route. Dies ist eine Alternative zu der Hauptroute des CDT durch die steilen San Juan-Berge, die zwar großartig, aber nicht der ideale Ort für von Höhenangst geplagte Wanderer ist. Auf der Creede-Route hat mit Erreichen der Baumgrenze der Spaß schlagartig ein Ende. Ein Pfad ist nicht mehr erkennbar. Hier hat vor längerer Zeit ein Waldbrand gewütet, die Bäume liegen kreuz und quer an einem Steilhang. Wir turnen wie die Affen darauf herum, in zwei Stunden schaffen wir nur knapp 3,5 km, bis wir eine einigermaßen geeignete Stelle für unser Zelt finden.
Am nächsten Tag geht die Klettertour weiter. Plötzlich erstarrt Sanne. Nur 5 Meter vor uns sehen wir zwei große plüschige Ohren. Bärenalarm? Nein, nur eine Rocky Mountains Elch-Mutter mit ihrem Kalb, die uns ganz gelassen betrachtet und dann weiter geht. Eine tolle Begegnung.
Nach dem Durchwaten des Goose Creek erreichen wir endlich wieder einen begehbaren Trail. Doch gegen 11:00 Uhr wird der bislang nur leichte Regen so stark, dass wir unseren für eine Pause mit dem Zeltboden improvisierten Regenschutz verlassen und das Zelt aufbauen. Es hagelt und donnert und wir sind heilfroh, nicht mehr oben auf dem CDT zu sein. Bis 16:00 Uhr bleiben wir 7 Stunden im Zelt. Dann scheint die Sonne, wir bauen rasch ab. Doch nach nur einer Stunde wandern flüchten wir für den Rest des Tages wieder ins Zelt, weil es stark regnet.
Morgens ist das Zelt von innen und außen gefroren, die Schuhe Gott sei Dank nur von außen. Alles ist mit Rauhreif überzuckert. So schön das auch aussieht, es ist einfach eisig. Wir ziehen alle Sachen an, die wir haben. Nach ca. 1 Stunde ist ein Bach zu queren. Also rein in die gefrorenen Watschuhe, durch den kalten Bach und auf den anderen Seite so schnell wie möglich wieder abtrocknen und die Wanderschuhe anziehen. Die Kälte geht auf den Kreislauf.
Danach geht es steil bergauf und sobald wir in die Sonne kommen, wird es wieder ein heißer Sommertag. Der Pfad führt über einen Gebirgssattel und dann lange durch ein schönes Waldtal. Hier hat ein Biber eine ganze Seenlandschaft gestaltet, auch der Wanderweg wird geflutet.
Am nächsten Tag ist es nur noch ein kurzes Stück bis zur kleinen Stadt Creede. Wir fühlen uns wie in einer Kulisse für Westernfilme. Nach einem guten Frühstück, dem Einkauf für die nächste Etappe und einer Katzenwäsche in der öffentlichen Toilette im Stadtpark marschieren wir gegen Mittag weiter. Steil führt die Schotterstraße bergauf in ein altes Bergbau-Gebiet (sieht toll aus mit den alten Gebäuden!), dann immer höher in die Berge. Zum Schluss des Tages steigen wir noch mal 500 Höhenmeter an und übernachten hinter dem San Luis Pass auf 3600 Metern Höhe.
Am nächsten Morgen ist ein wunderbares Hochgebirgstal zu umrunden, dann geht es in ein weites schönes Tal immer bergab. Das läßt sich gut laufen. Danach gehen wir noch ein weiteres Tal wieder hoch und über einen Bergrücken durch einen schönen hellgrünen Espenwald, bevor wir unser Zelt aufschlagen.
Einen Tag laufen wir fast ausschließlich auf langweiligen Forststraßen, da geht die Laune fast automatisch in den Keller. Außerdem ist es sehr heiß. Es gibt nur ca. alle 15 bis 25 km Wasser, so dass wir immer zusätzlich viel Trinken mitschleppen müssen.
Die nächsten 2 Tage führen durch eine herrliche Hochgebirgslandschaft mit lichten Wäldern und über blühende Wiesen. Es geht viel steil und lange hoch und runter, sehr anstrengend. Doch immer wieder haben wir wunderbare Ausblicke auf schroffe Gipfel und Berge, soweit das Auge reicht. Besonders am frühen Tag, wenn die Berge bläulich im Morgenlicht schimmern, und wir nach den ersten Wanderkilometern gegen 7:00 Uhr frühstücken, genießen wir unser Vagabundenleben. Da sind dann alle Mühen ganz schnell wieder vergessen.
Ca. 220 Kilometer ab Pagosa Springs stehen wir am frühen Freitagnachmittag am Monarch Pass. Nach nur ein paar Minuten haben wir unsere Mitfahrmöglichkeit nach Salida. Unser Chauffeur will zwar eigentlich in die Gegenrichtung, aber er fährt extra für uns 70 km Umweg und bringt uns bis vor die Tür unseres netten, kleinen Hostels mitten in der “Altstadt“. Hier werden wir bis Montagmorgen bleiben. Ein besonders Vergnügen ist es, sich endlich nach 9 Tagen wieder zu waschen, wir könnten ewig unter der Dusche stehen.