Von La Paz nach Creel (10.11. – 19.11.2023)

Unsere Route von La Paz nach Creel

Unser letzter Tag auf der Baja. Kurz vor 9.00 Uhr liefern wir Eva pünktlich am Flughafen in La Paz ab. Es fällt uns schwer, sie mit ihrem Rucksack auf dem Buckel davon stiefeln zu sehen. Die vier gemeinsamen Wochen waren sehr schön und gingen viel zu schnell vorbei. Solche intensiven Zeiten mit den nun erwachsenen Kindern sind so selten, daher umso wertvoller.

Mit der Fähre nach Topolobampo

Nachdem im Laufe des Vormittags per Mail die Bestätigung zur Fährbuchung für den heutigen Abend angekommen ist, fahren wir in Richtung des Hafens Pichlingue nördlich von La Paz und warten am Strand darauf, dass der Tag vergeht.

Unsere Reise geht nun also zu zweit weiter. Der Vormittag ist ausgefüllt mit Einkäufen. Auch der seit langem überfällige Blog wird fertig gestellt. In der Stadt treiben uns mal wieder die mexikanischen Vorfahrtregelungen in den Wahnsinn. Neben Ampeln und dem vertrauten “rechts vor links” gibt es die auch aus den USA bekannte Regelung “first come-first drive”, hier aber zusätzlich manchmal auch in Kombination mit “Stop für alle 4 Richtungen”. Außerdem noch “Stop für 2 Richtungen”, was der Vorfahrtsstraße ähnelt. Alle Regeln werden im Verlauf derselben Straße ohne erkennbares Muster verwendet, in munteren Wechsel bei den aufeinander folgenden Kreuzungen. Dazwischen gibt es noch die beliebten Topes. Man muss höllisch aufpassen.

Gegen 18.00 Uhr geht es endlich die letzten Kilometer nach Pichinligue. Die Verladung dauert mehr als drei Stunden und ist ein Erlebnis Zuerst müssen wir den TIP, die Importpapiere für Yoda, vorzeigen. Das Auto wird pro forma von innen inspiziert, die Fahrgestellnummer wird abgeglichen. Dann geht es zum Wiegen und Vermessen. Nach Bezahlen der Hafengebühr gehen wir mit der Quittung zum Büro der Reederei, wo wir unser Ticket kaufen. Es dauert lange, bis alle möglichen Daten erfasst sind und wir haben ausreichend Zeit, die Angestellte der Reederei beim hingebungsvollen Saugen an ihrem dicken, kugelrunden Lutscher, den sie dabei von einer Backe in die andere schiebt, zu beobachten.

Unsere Fähre nach Topolobampo

Die Überfahrt kostet insgesamt ca. 225 Euro. Allerdings gibt es dafür auch keinen Komfort auf der Cargofähre, bis auf Toiletten und Duschen am Außendeck. Dann heißt es Warten. Gemeinsam mit vielen großen Lastwagen stehen wir vor dem Schiff. Es wartet nur noch ein weiterer PKW auf die Verladung.

Ein Fahrzeug nach dem anderen wird, teils in atemberaubenden Tempo, elegant rückwärts verladen. Sogar die ganz großen Sattelschlepper mit ihren extrem langen Aufliegern müssen rückwärts auf das Oberdeck gefahren werden. Die Fahrer sind wirklich zu bewundern. In der Zwischenzeit unterhalten wir uns nett mit Elis, dem Fahrer des neben uns wartenden gigantischen Trucks, der ein wenig Englisch spricht. Endlich sind wir an der Reihe und bekommen einen ganz guten Platz auf dem Oberdeck. Hier ist wenigstens die Luft einigermaßen gut und der Lärm nicht ganz so schlimm, da wir das Dach nicht hoch klappen.

Master Yoda neben dem Truck von Elis

Fast alle Fahrer schlafen in ihren Trucks, so auch wir. Es ist stickig-heiß, das Schiff rollt unangenehm in den Wellen. Leichte Übelkeit breitet sich im Magen aus, Olaf muss nachts mehrfach mit heftigem Durchfall zur Toilette. Bei mir reicht ein Gang. Irgendwie muss mit dem Essen in La Paz etwas nicht okay gewesen sein, denn auch Eva, die mittlerweile in Frankfurt gelandet ist, musste sich während des Fluges andauernd übergeben. Die Arme.

Fahrt nach La Fuerte

Ziemlich platt kommen wir gegen 8.30 Uhr nach rund 10 Stunden auf dem Schiff in Topolobampo an und fahren wenig später durch die endlos erscheinende Stadt Los Mochis. Erst das verspätete Frühstück in einem kleinen Park inmitten eines Wohnviertels weckt etwas unsere Lebensgeister. Natürlich erregen wir in der Nachbarschaft eine gewisse Aufmerksamkeit. Man stelle sich nur mal vor, zwei Mexikaner würden in Deutschland auf einem Kinderspielplatz Porridge kochen und Tee trinken. Ein Mann kommt aus einem Haus herüber zum Smalltalk.

In wenigen Minuten haben wir mit José, dem Tourismusbeauftragten der Stadt, einen neuen Freund gefunden, der uns jederzeit bei allen Problemen helfen wird, wie er mehrfach versichert. Seine höfliche Einladung in sein Haus zum Übernachten schlagen wir aus, das würde unsere angeknackste Konstitution überfordern. Die Freundlichkeit der Mexikaner ist wirklich rührend. Sein erwachsener Sohn spricht ausgezeichnet Englisch und versichert, dass unsere geplante Pistentour durch die Barrance del Cobre, die zum Herrschaftsgebiet der berüchtigten Drogenkartelle von Sinaloa und Chihuahua gehören, kein Problem sei. Es könnte zwar sein, dass uns mal Leute auf der Straße anhalten und in rüden Ton nach unserer Fahrtroute fragen, aber die Drogenhändler würden Touristen im Normalfall nicht behelligen. Das deckt sich mit unseren Recherchen und so setzen wir beruhigt unsere Fahrt fort.

Nach langweiliger, schnurgerader Strecke in der Ebene durch viele kleine Straßendörfer erreichen wir gegen Mittag unser Ziel, die Kleinstadt El Fuerte. Auf dem schattigen Rasen eines sehr in die Jahre gekommenen Hotels mit Campingmöglichkeit können wir übernachten und uns von der Schiffspassage regenerieren. Schon um 18.00 Uhr liegen wir in den Betten und nach 13 Stunden erholsamen Schlafes sind wir wieder fit für neue Abenteuer.

In der Altstadt von El Fuerte

Zunächst aber geht es am nächsten Morgen in das historische Zentrum von El Fuerte. Rund um den von Restaurants in Arkadengängen gesäumten Stadtplatz finden wir bunte Häuser im Kolonialstil. Es gibt auch einige sehr stilvolle Hotels, denn El Fuerte ist auch Ausgangspunkt für die bei Touristen beliebte Fahrt mit der berühmten Eisenbahn El Chepe, deren abenteuerliche Trasse seit 1907 mit vielen Tunneln und Kurven bis auf 2400 Metern Höhe durch das Gebiet der Barrancas de Cobre führt.

Die Barrancas del Cobre bildet eines der weltweit größten Schluchtensysteme mit bis zu 1850 Metern Tiefe. Selbst der Grand Canyon würde hier viermal hinein passen. Die Bezeichnung “Kupferschluchten” entstand aufgrund der roten Gesteinsfarbe. Kupfer wurde hier nie abgebaut, dafür Silber und Gold.

Zur Mittagszeit verlassen wir in Choix die Asphaltstraße und rollen über staubige Pisten. Rund 4 Stunden Fahrtzeit sind es bis zum Dorf Tubares. Die überwiegend gute, stellenweise aber steinige, einspurige Piste führt in unendlichen Kurven hinauf und hinunter durch die sehr steilen, hohen Berge der Sierra Madre. Eine großartige, einsame und wilde Landschaft. Sehr angenehm nach der langen Zeit in der kargen Baja California sind die nur 20 Grad kühle Luft und das unendliche Grün der Wälder. Mehr als 15 km pro Stunde sind nicht drin.

In den Barrancas del Cobre auf dem Weg nach Tubares

Nach Batopilas / Barrancas del Cobre

Mittlerweile ist unsere Piste auf dem Straßennavi verschwunden, in der Realität rumpeln wir jedoch unentwegt weiter die Berge rauf und runter, denn unser „Hand-Navi“ von Garmin leitet uns weiterhin zuverlässig durch die Einsamkeit. Da wir vor Einbruch der Dämmerung einen Stellplatz haben wollen, biegen wir 15 Kilometer vor Tubares in Nähe des Flusses in einen Weg ab. Er ist so zugewachsen, dass wir mit der Axt einige Äste kürzen müssen, hier ist totaler Einsatz gefragt. Dafür stehen wir dann einigermaßen blickgeschützt abseits der Straße. Wir trafen tagsüber ohnehin nur einige Trucks, die wohl der Versorgung der kleinen Dörfer in den Bergen dienen. Diese wenigen winzigen Orte sehen sehr arm aus, manche Häuser ähneln mehr Viehställen als Wohnhäusern.

Dorfstraße in der Barrancas del Cobre auf dem Weg nach Tubares
Bei Tubares
Unsere Piste entlang der Steilhänge
Drachenfrucht – hübsch und lecker

Wir fühlen uns zunehmend in einer für uns exotischen Welt. Am Fluss tummeln sich kleine dunkelrote Vögel und große Vögel mit langen stahlblauen Schwänzen. Kolibris umschwirren uns. Das morgendliches Porridge wird nun angereichert durch tropische Früchte, wie Mangos, Papaya und Drachenfrucht. Außerdem testen wir eine tennisballgroße Frucht mit rotbrauner Schale und rotem, weichen Fruchtfleisch. Es schmeckt leicht nach “Kölnisch Wasser” oder Mottenkugeln und weckt damit Erinnerungen an meine Oma

In Tubares, das bereits zur Provinz Chihuahua gehört, machen wir am nächsten Vormittag eine Kaffeepause an der Kirche. Direkt gegenüber liegt eine winzige Schule, wo in der Pause die Kinder zu den Klängen der Nationalhymne vor der mexikanischen Flagge salutieren. Die Gräber auf dem Friedhof sind noch üppig mit Stoff- und Papierblumen vom Dia del Mortes geschmückt, in Mexiko trägt auch der Tod lebendige, bunte Farben.

Dorfkirche in Tubares
Alter Dorffriedhof in Tubares
Selbst der Tod ist bunt in Mexiko

Weit abseits der Touristenpfade ist es wie immer am interessantesten. Deshalb zweigen wir nun auf eine untergeordnete Piste ab, die uns zur Mission de Satevo bringen wird. Rund 6 Stunden brauchen wir ab Tubales für die nur 70 Kilometer lange Strecke.

Solche Heiligenschreine gibt es überall – meist in den Kurven der Pisten

Es wird über weite Teile extrem steinig und steil. Mit nur 10 bis 15 km/h Geschwindigkeit zockeln wir im zweiten Gang mit Untersetzung und Vierradantrieb dahin. Erst ab dem Dorf San Juan verbessert sich etwas der Zustand der Piste. Nun sind sogar auf den ebenen Strecken 20-25 km/h drin. Yoda bewältigt brav die vielen engen Serpentinen von einer tiefen Schlucht zur nächsten. Dazwischen liegen Pässe mit bis zu 1000 Höhenmetern.

Wir sind fasziniert von dieser felsigen Bergwelt. Was für ein Aufwand, hier Straßen in die Bergwände zu treiben. Manchmal sind sogar senkrechte Wände in sandigen Grund gebaggert. Völlig irre jedoch, das es keinerlei Stützmauern oder Befestigungen bei diesem weichem Gestein gibt und so ist es kein Wunder, wenn häufig große Teile in diesen Abschnitten der Piste ausgewaschen oder durch Bergrutsche verschüttet sind. Im Laufe des Tages sehen wir ein einziges Auto und passieren nur zwei winzige Orte.

Schmale Piste nach Batopilas
Extrem steil geht es am Canyonrand hinunter nach Batopilas

Am späten Nachmittag rollen wir auf sehr steiler Piste hinunter in den überraschend großen Ort Batopilas, der sich zwischen Fluss und Berghang quetscht. Im Ort stehen viele kunterbunte Häuser im Kolonialstil. Selbst die Kirche leuchtet quietschgelb. Am Zocalo, dem Hauptplatz, fragen wir in der Polizeistation, ob wir an der 7 Kilometer entfernten Mission de Satevo sicher übernachten können. Schließlich ist der Anbau von Mariuhana ein wichtiges Standbein der lokalen Wirtschaft und wir befinden uns mitten in den Kartellgebieten. Si claro, hier ist das überall möglich, meint sehr überzeugend der schwer bewaffnete Sergeant. Und so stehen wir etwas später vor der 7 Kilometer von Batopilas entfernten Kirche in Satevo, beäugt von der neugierigen Dorfjugend. Doch bald verkrümeln sich die Kinder, kein Mensch spricht uns an oder belästigt uns.

Piste nach Batopilas am unteren Bildrand

Für uns ist das eine ganz neue Erfahrung. Normalerweise wählen wir unseren Stellplatz stets so, dass wir möglichst unsichtbar sind. Wenn das, so wie in diesem Fall, nicht geht, ist ein belebter Platz mit sozialer Kontrolle die beste Option. Selbstverständlich muss vorher bei den Anwohnern um Erlaubnis gefragt werden.

In Batopilas und Satevo leben viele Angehörige der indigenen Tarahumara. Sie haben eine sehr dunkle Haut, sind kleiner als die ohnehin nicht großen Mexikaner, sehr schlank und zierlich gebaut. Die Frauen sind jedoch sehr korpulent und umhüllen ihre Leibesfülle mit weiten, langen Röcken in leuchtenden Farben, häufig haben sie auch ein Kleinkind im Tragetuch auf dem Rücken. Die meisten sind offensichtlich ärmer als die übrigen, auch nicht gerade wohlhabenden Einwohner. Legendär ist das ausdauernde Laufvermögen der Tarahamura, deren Name bedeutet “die, die schnell laufen”. Sie sollen traditionell Tagesetappen von bis zu 20 Stunden zurück legen. Als Reminiszenz hieran wird jährlich von Urique aus der Ultramarathon Caballo Blanco (Name eines berühmten Tarahamura-Läufers) über 100 Kilometer auf Bergpfaden und mit entsprechenden Höhenmetern zwischen den Schluchten der Barrancas veranstaltet. Wir sehen tatsächlich viele, auch alte, Leute, die im flottem Tempo auf den steilen Bergstraßen unterwegs sind.

Wir verbringen eine ruhige Nacht, abgesehen von der Kakophonie der gefiederten und vierbeinigen Dorfbewohner im Morgengrauen. Satevo mit seinen 80 Einwohnern ist ein armseliger Ort. Einstöckige, nur teilweise verputzte Häuser aus Lehmziegeln und mit dem obligatorischen Wellblechdach stehen zwischen Gärten und Feldern. Es gibt immerhin einen Kindergarten und eine Schule sowie ein Basketballfeld vor der Kirche. Aktuell wird gerade eine Kanalisation gelegt. Die große barocke Jesuitenmission ist die älteste in Mexiko und könnte dringend renoviert werden, sie erscheint uns in diesem kleinen Dorf vor allem als Machtdemonstration der Kirche.

Mission Satevo

Am nächsten Vormittag erkunden wir das nahe Batopilas, ein wirklich malerisches Städtchen mit wunderschönen Häusern. Batopilas wurde 1709 gegründet und hatte seine Blütezeit Ende des 19. Jahrhunderts, als hier nach Silber, Gold und Quecksilber geschürft wurde. Die riesigen Kastanien auf dem Zocalo stammen bestimmt aus dieser Zeit. Die reichen Bodenschätze sind auch der Grund für den Straßenbau in dieser unzugänglichen Bergwelt.

Zocalo in Batoplias

Eine Durchfahrt durch die schmalen Dorfstraßen ist nur mit einem kleinen Fahrzeug in der Größe eines Vans möglich. Der Fahrweg musste teilweise auf Betonplatten über den ca. 3 Meter tiefer liegenden Fluss gebaut werden, es gibt natürlich keine Geländer oder Ähnliches. Große Fahrzeuge müssen die “Umgehung” im Flussbett nehmen. Bevor wir den Ort verlassen, brauchen wir noch Benzin. Eine echte Tankstelle gibt es nicht, dafür einen Gasolina-Verkauf im Erdgeschoss eines Wohnhauses. Hier stapeln sich mit Treibstoff gefüllte 50 Liter Plastik-Kanister, die normalerweise für Wasser vorgesehen sind. Eine explosive Mischung. Mit dem Mund wird an einem Schlauch Unterdruck erzeugt, dann gluckert das Benzin in Yodas Bauch.

Schließlich kommen wir zur Brücke am Ortsausgang, den ein mit Maschinengewehr bewaffneter Polizist bewacht. Unsere weitere Route führt nach wenigen Kilometern von der Hauptstraße weg über eine betonierte Furt durch den Fluss und dann über eine einspurige, steinige und sehr steile Piste in zahllosen Haarnadelkurven 1200 Höhenmeter bergauf. Eine wirklich unglaubliche Strecke, die unser Yoda wie ein treuer Muli zuverlässig im zweiten Gang mit Untersetzung und Allradantrieb hinauf zieht. Mein Vertrauen in unser Auto (und natürlich seinen Fahrer) wächst täglich, auch wenn solche exponierten Pisten mich nicht so sehr begeistern wie Olaf.

Rückblick auf die Piste nach Batopilas
Wo gehts hier weiter?
Ausblick von unserem Stellplatz

Nur 20 Kilometer hinter Batopilas beenden wir den Fahrtag, zu schön ist der Blick von unserem Adlerhorst hoch über dem Ort, der direkt unter unseren Füßen liegt. Berge soweit das Auge sieht, wir sind auf gleicher Höhe wie die über dem Canyon kreisenden Condore. Allerdings bewölkt es sich im Laufe des Tages immer mehr. Olaf leidet, kein gutes Fotolicht.

Nach Urique / Barrancas del Cobre

Morgens ist es beim Frühstück draußen mit nur 7 Grad wirklich sehr frisch, unsere Daunenjacken kommen nach langer Zeit wieder zum Einsatz. Wir setzen unsere Fahrt zum ehemaligen Silberbergbauort Urique fort. Noch ein paar steile Serpentinen und endlich ist der Rand des Canyons erreicht. Hier in 2000 Metern Höhe befinden wir uns plötzlich in schattigen Pinienwäldern. Die Piste ist nun sehr gut und bequem mit bis zu 15 km/h zu fahren. Immer wieder passieren wir kleine Bauernhäuser. In Handarbeit wird Mais und Gemüse angebaut und wohl auch diverse Gräser, denn es duftet stellenweise sehr deutlich nach Marihuana. Eine landschaftlich sehr schöne Strecke mit überraschend vielen kleinen Ranches der Tarahumara. Gegen Mittag ist schon der Rand des Canyons nach Urique erreicht.

Bauernhäuser in den Barrancas del Cobre

Nun sind es nur noch 13 Kilometer bis ins Tal. Aber die haben es wirklich in sich. Extrem steil, felsig und stellenweise stark ausgespült fordert sie uns. Die unendlich vielen Spitzkehren sind wirklich sehr eng, manchmal hilft nur rückwärts setzen, um die Spitzkehren zu kriegen. Wirklich kitzelig wird das Gefühl im Magen, wenn dann noch an diesen Stellen Teile der Piste weggebrochen oder ausgespült sind und dahinter der Abgrund gähnt. Unser Tempo sinkt auf lächerliche 5 km/h. Yoda und Olaf meistern wie gewohnt alles mit stoischer Ruhe – wieder im zweiten Gang mit Untersetzung.

Schwierige Pisten-Abfahrt nch Urique
Eine Herausforderung für Yoda, Olaf und nicht-schwindelfreie Beifahrer
Holperstrecke nach Urique

Die Berglandschaft ist umwerfend. An senkrechten Felsabbrüchen windet sich die einspurige Piste entlang. Wie Schwalbennester kleben winzige Häuser, die oft nur zu Fuß zu erreichen sind, an den Steilhängen. Und ausgerechnet hier kommt uns ein Tourenradfahrer entgegen, unglaublich! Ein junger Mann aus Kanada, der mit Mountainbike, extrem wenig Gepäck und einem kräftigen Hund unterwegs nach Argentinien ist , und das ausschließlich auf Pisten. Endziel ist Australien in ca. 5 Jahren. Hund und Herrchen müssen eine irre Kondition haben. Solche Leute zu treffen ist toll.

Nach 6 Stunden Fahrzeit sind die heutigen 57 Kilometer nach Urique geschafft. Die Kleinstadt liegt am Talgrund des Canyons. Las Bugambiluas del Rio, der mit viel Liebe eingerichtete Campingplatz von Teresa und Luis am Ende des Ortes, wurde uns von dem Radler empfohlen. Es ist wirklich ein wunderschöner Platz. Wir stehen mitten in einem herrlichen, sehr gepflegten Garten mit vielen Blumen und Obstbäumen am Fluss, genießen die (kalte) Dusche und ein gutes Abendessen.

Luis – unser Hastgeber in Urique

Teresa und Luis sind die Liebenswürdigkeit in Person. Unbedingt muss unser Spanisch verbessert werden, damit künftig eine richtige Unterhaltung möglich ist. Schon zum Frühstück bekommen wir frisch gepressten Saft von Pampelmusen aus dem Garten, sechs weitere der Riesenfrüchte bekommen wir als Wegzehrung mit. Luis erzählt von seinen Plänen noch ein paar Gästehäuser zu bauen. Aus der Nachbarschaft dudeln laute, schmachtende Mariachitöne. Der Musik und der Gastfreundschaft kann man in diesem Land nicht entkommen.

Hauptstraße in Urique
Supermercado in Urique

Schön ist auch der Bummel durch Urique am nächsten Vormittag. Ein netter, bunter Ort mit vielen kleinen Lâden und bis auf ein paar Hostels sehr untouristisch. Für die Reisenden mit dem El Chepe Zug werden von Tourenanbietern Ausflüge hierher gemacht, so dass wir einigen Rummel befürchtet hatten. Tatsächlich treffen wir keine weiteren Touristen.

Piste zum Mirador Cerro del Gallego

Dann geht es den Canyon hinauf zum Aussichtspunkt Mirador Cerro del Gallego. Die Piste ist im unteren Drittel fast zweispurig und in sehr guten Zustand. Die letzten 5 Kilometer sind jedoch wieder mit vielen Serpentinen versehen, schmal, steinig und sehr steil. Absolut spektakulär ist der Blick vom Mirador auf das 1800 Meter tiefer liegende Urique und damit ist es die tiefste Stelle im Barranca del Cobre. Es gibt eine Aussichtsplattform, die über die senkrecht abfallenden Felsen hinaus gebaut ist und eine kleine Hängebrücke über dem Abgrund.

 

Nach Divisadero / Barrancas del Cobre

Die weitere Fahrt verläuft relativ eintönig noch einige Höhenmeter bergauf durch Kiefernwald und dann auf breiter Piste über das Plateau zum Ort Bahuichivo, wo wir auf eine Asphaltstraße treffen. Das Wetter hat sich verschlechtert, der Himmel ist vollkommen bewölkt und es fallen sogar ein paar verschämte Regentropfen. Etwas nördlich vom Ort Cerocahui biegen eir in einen Schotterweg ab und finden einen guten Stellplatz, der von der Straße aus nicht einsehbar ist. Nach rund einer Stunde Fahrzeit erreichen wir am nächsten Tag San Rafael, ein armseliges Dorf, das auch Haltepunkt des El Chepe ist. Daher sehen wir wohl auch hier zwei etwas verloren wirkende chinesische Touristen, dick in Winterkleidung und Gesichtsmaske verpackt, die uns verzagt zuwinken.

Nach einer weiteren Stunde sind wir in Areponapuchi, einem touristischen Ort mit vielen, überwiegend leerstehenden Hotels. Eine kleine Wanderung führt uns sehr schön über schmale Pfade am Canyonrand entlang zu einem Aussichtspunkt. Kurz vor dem Ziel bietet sich an einer Wohnhütte ein Tarahumara als Guide an. Es gibt nur einen Weg, ein Führer ist also eigentlich überflüssig, aber dies ist wohl ein Teil seines Lebensunterhaltes. In atemberaubendem Tempo saust er trittsicher voran. Dabei hat er nur die traditionellen Sandalen mit einer Sohle aus alten Autoreifen und ein paar Gummibändern an den Füßen. Der Blick in die Schlucht ist wirklich sehr eindrucksvoll, wir sehen die Seilbahn und Ziplines des nahen Adventure Parks.

Das Haus unseres Guides und seiner 6köpfigen Familie

Am Nachmittag folgt eine weitere Wanderung am Canyonrand entlang des Divisadero zum Adventure Park. Vor uns breitet sich das gesamte Panorama dieses wildesten Teils der Barrancas aus. Bis zu 1800 Meter tief reichen die Felsschluchten in die Tiefe.

Das Gelände des Adventure Park bietet nette Spazierwege zu diversen Aussichtspunkten, die aber leider schon dem Verfall preisgegeben sind. Wie so häufig, hier wird in aufwändige Infrastruktur investiert, die aber dann nicht mehr Instand gehalten wird und verrottet. Einzig die weltweit längste Zipline und die Seilbahn vom Canyonrand zu einem Aussichtspunkt in dem gigantisch weiten Canyon sind noch intakt. Dafür finden wir auf dem vollkommen leeren Busparkplatz den perfekten Stellplatz für die Nacht direkt am Rand des Canyon mit einem tollen Ausblick.

Stellplatz mit genialem Ausblick

Agua termales de Recowata

Heute ist Sport angesagt. Mit zwei Wanderungen, der Fahrt nach Recowata und dem ausgiebigen Schwimmen in den Thermalquellen könnte man sogar von einem Triathlon reden. Aber der Reihe nach.

Morgens steht zunächst eine sehr schöne kleine Wanderung am Divisadero an. Ein guter Weg führt am Canyonrand entlang und bietet herrliche Ausblicke.

Aussichtpunkt in Divisadero

Divisadero ist der einzige Platz, an dem der Zug El Chepe unmittelbar die Barrancas berührt und einen kurzen Aufenthalt hat. Den nutzen viele Touristen, um einen Blick in den Canyon zu werfen oder sie übernachten hier und unternehmen Ausflüge nach Urique und zum Adventure Park. Daher gibt es hier, außer dem pompösen Bahnhof, einige Hotels und Tourenanbieter sowie viele Andenkenstände, wo die Tarahumara selbstgemachte Körbe und Holzschnitzereien verkaufen. Es herrscht ziemlich viel Betrieb, jedoch sehen wir ausschließlich mexikanische Touristen.

Andenkenverkäufer in Divisadero

Die weitere Fahrt führt uns durch schönen Pinienwald, meist parallel zur Zugtrasse, bis wenige Kilometer vor Creel. Hier biegen wir auf eine Schotterstraße nach Recowata ab. Sie endet nach 11 Kilometern an einem Parkplatz. Kurz vorher passieren wir eine Zahlstelle, denn das Gebiet gehört den Tarahumara und so müssen wir 50 Pesos (ca. 2,50 Euro) pro Person Eintritt zahlen. Dafür können wir dann auch in den Thermalquellen baden. Vom Parkplatz führt ein mit Natursteinpflaster befestigter Weg über 3 Kilometer in den Canyon hinunter. Gegen eine Gebühr von 150 Pesos pro Person dürfte man die sehr steile Strecke auch inoffiziell mit dem eigenen Auto fahren oder ein Taxi nehmen. Wir gehen natürlich zu Fuß die 400 Höhenmeter hinunter.

Zufahrt nach Recowata
Aguas Calientes von Recowata

Das Thermalbad ist wirklich ein lohnendes Erlebnis. In mehreren großen Becken kann man im klaren, 37 Grad warmen Wasser schwimmen, das von einem Bach in mehreren Kaskaden in die Becken strömt. Heute am Samstag ist allerhand Betrieb und so können wir ausgiebig das Freizeitleben der Mexikaner studieren, was das eigentliche Highlight des Tages ist. Ganz wichtig scheinen Essen und das Bier zu sein, beides wird praktischerweise im Wasser direkt vom Beckenrand genossen. Und natürlich die Musik, die aus mitgebrachten Radios dröhnt. Mit einer sehr netten jungen Frau komme ich ins Gespräch, denn mit ihr als Englischlehrerin ist eine Unterhaltung leicht möglich. So erfahren wir, dass die meisten Gäste genau wie sie, aus der weit entfernten Provinzhauptstadt Chihuahua kommen. Das erklärt auch deren im Vergleich zu den Ortsansässigen gestylte Kleidung und das betont coole Auftreten. Sehr interessant für uns Gringos. Die Nacht verbringen wir auf dem Parkplatz oberhalb der Thermalquellen, nachdem wir brav den Weg wieder hoch geschnauft sind. Abends sind wir schon früh im Auto, denn hier oben in 2300 Metern Höhe wird es kurz nach Sonnenuntergang um 18 Uhr rasch kalt. Wie so oft schläft wieder ein Hund vor unserer Tür.

Creel

Creel ist die Endstation des für die Touristen fahrenden Expresszuges El Chepe. In der Hauptstraße befinden sich ausschließlich Hotels, Andenkenläden oder Tourenanbieter. Besonders beliebt scheint das Ausleihen von ATVs oder Quads zu sein. Die Touristen sind ausschließlich schick gekleidete Mexikaner, wir sehen auch glänzende, neue Autos statt uralter, zerbeulter Wagen. Am interessanten ist das kleine Museum am Bahnhof, das eine gute Ausstellung zum Leben und der Kultur der Tarahumara zeigt. Das wahre Leben in Creel findet jenseits der Bahngleise statt. Dort wohnen die Ortsansässigen und es gibt die üblichen kleinen Läden, die alles haben, was man braucht.

Touristenmeile in Creel

Für uns geht es nun wieder nach Süden. Die kurvenreiche Fahrt durch die Pinienwälder und Seitencanyons Richtung Guachoci ist sehr schön. Dort wollen wir eine letzte Schlucht des Kupfercanyons, die Barrancas de la Sinforosa, besuchen.

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