Auf dem Hugenotten-Waldenser Pfad durch den Odenwald

Der 1800 Kilometer lange europäische Kultur-Fernwanderweg folgt der Route der Hugenotten aus Südfrankreich und Waldenser aus Italien, die Ende des 17. Jahrhunderts ihre Heimat aus Glaubensgründen verlassen mussten und über die Schweiz bis nach Nordhessen flüchteten. Wir werden die ca. 100 Kilometer lange Etappe des Hugenotten-Waldenser-Pfades durch den Odenwald bis nach Neckarsteinach wandern und dann noch 10 Kilometer über den Neckarsteig nach Neckargemünd anfügen. Der Weg ist durchgehend markiert, doch an einigen wenigen Stellen fehlt das einprägsame Logo des Hugenotten-Waldenser-Pfades. Daher ist es ratsam, Wanderkarten dabei zu haben oder sich den GPS-Track auf das Mobilephone oder Navi zu laden.  

Wegweiser des Hugenotten-Waldenser-Pfades

Vier Wandertage über Ostern 2020 liegen vor uns. Es ist für eine Wanderung eine ganz besondere Situation, denn aufgrund der Corona-Pandemie steht das öffentliche Leben in Deutschland praktisch still, Restaurants und Übernachtungsbetriebe haben geschlossen, soziale Kontakte sollen vermieden werden. Aber im Wald sind wir wohl vor Viren relativ sicher. Außerdem haben wir haben natürlich Proviant für die gesamte Strecke bei uns und übernachten sowieso „wild“ in der Natur, sind also von Campingplätzen oder Hotels unabhängig.

Das Wetter ist ein absoluter Traum:  wolkenloser, zartblauer Frühlingshimmel und ca. 25 Grad warm. Alles grünt und blüht, vor allem die vielen Kirschbäume sind dieses Jahr prächtig wie lange nicht und hüllen Wiesen und Waldränder in duftige weiße Blütenwolken. Aber das allerbeste ist, dass Dreamwalker auf dieser Wanderung dabei ist. Vor zwei Jahren sind wir den Continental Divide Trail in den USA fünf Monate gelaufen, das schweißt zusammen und nun ist endlich das bewährte Mutter – Tochter – Team wieder gemeinsam unterwegs.

Erster Tag

Am 10. 04. geht es von Ernsthofen, nur ca. 10 Kilometer von unserer Haustür entfernt, über die sanften Höhen des Modautals. Der Wechsel zwischen Wald und Wiesen erlaubt immer wieder schöne Weitblicke über die blühende Landschaft. An Brandau vorbei laufen wir durch den Wald nach Lützelbach und dann hinauf auf die Neunkirchner Höhe. Hier ist noch vertrautes Wanderrevier, die Wege sind wir schon zu allen Jahreszeiten gelaufen, und trotzdem ist der lichte Buchenwald mit den markanten, moosbewachsenen Felsen immer wieder anders und neu für uns. Auf einer Waldwiese liegen wir lange faul in der Sonne. Wie unendlich gut tut es doch, wieder mit dem Rucksack draußen zu sein.

Mittagsrast
Am Hofgut Rodenstein
Ruine Rodenstein mit Burgfräulein (na ja, nicht ganz…)

Hinunter geht es dann über breite Forstwege aber endlich auch einmal auf schönen, schmalen Pfaden zur malerischen Burgruine Rodenstein, dann über die blühenden Streuobstwiesen hinüber nach Beerfelden, wo wir am Dorfbrunnen unsere Wasserflaschen auffüllen können. Gut, dass unser Wasserfilter im Gepäck ist, denn aus den meisten Brunnen fließt ja offiziell kein Trinkwasser. Steil bergauf führt nun der gut markierte Wanderweg aus dem kleinen Ort hinauf zum Beerfeldener Schlösschen, den spärlichen Resten einer Burg. Kurze Zeit später schlagen wir nach rund 27 Kilometern gegen 18.00 Uhr am Burgberg unser Lager unter freiem Himmel im Laubwald auf. Die Sonne scheint noch lange, die Vögel singen ihr Abendlied, wir kochen unser Essen, genießen das freie Leben in der Natur und sind einfach glücklich.

Unser erstes Camp für glückliche Wanderer

 

Zweiter Tag

Die Nacht war ruhig und friedlich, auch wenn, wie Dreamwalker meinte, öfters Rehe bei uns am Lager war. Gegen 8.00 Uhr laufen wir los und frühstücken über eine Stunde später in der warmen Morgensonne am Waldrand. Der Weg führt uns den ganzen Vormittag durch wunderbaren Nadelwald zur Einhardsquelle und dann über Wiesen bis nach Michelstadt- Steinbach, wo die von Karl dem großen errichtete Einhardsbasilika ein sehenswertes Ziel ist. Die mittelalterliche Kirche ist aber natürlich, wie so vieles, wegen der Coronaepidemie geschlossen. Es geht quer durch den Ort und danach kräftig bergauf, bei den schon sommerlichen Temperaturen kommen wir gut ins Schwitzen. Leider müssen wir in dieser Gegend nicht nur viel durch Orte, sondern auch öfters über geteerte Wirtschaftswege laufen. Das geht ganz gut in die Gelenke. Umso willkommener ist in Erbach der Gänseliesel Brunnen, an dem wir nicht nur eiskaltes Wasser zapfen, sondern auch unsere Füße kühlen können.

Erfrischendes Fußbad im Gänselieselbrunnen
Marktplatz in Erbach
Erbacher Schloss

Erbach ist ein nettes Städtchen mit schönen, alten Häusern und einem imposanten Schloss am von Cafés gesäumten Marktplatz. Wie gut würde jetzt ein Eis oder ein Stück Kuchen schmecken, aber auch hier ist natürlich alles geschlossen. Wieder geht es kräftig bergauf und über herrlich blühende Obstwiesen vorbei durch Güntersfürst. Der Wanderweg läuft nun oberhalb des Mümlingstals auf gleicher Route wie der Nibelungenpfad und spaßiger Weise kommen wir genau an einer Stelle vorbei, an der ich von einem Jahr bei der Tour auf diesem Wanderweg übernachtet hatte. Nun sind es von hier nur 2 Kilometer bis zur Marbach Talsperre, unserem Tagesziel. Doch nach fast einer Stunde sind wir noch immer nicht dort -sondern wieder an meinem alten Nibelungensteig- Schlafplatz! Dabei sind wir doch brav immer den Wegweisern gefolgt… Ein konzentrierter Blick auf das Navi löste das Rätsel: Nachdem wir an einer Stelle unbemerkt einen Abzweig verpasst hatten, kamen wir nach einem kleinen Umweg wieder auf den Wanderweg und folgten natürlich der Markierung, leider jedoch in der falschen Richtung! Wir fühlen uns an so einige unserer Sondereinlagen auf dem Continental-Divide-Trail erinnert und lachen uns schlapp…. 

Kirschblüte im Odenwald

Rasch ist aber dann die Marbach Talsperre erreicht, wo ganz mutige Ausflügler sogar schon ein erfrischendes Bad nehmen. Als wir Wasser aus dem Bach zapfen, entdeckt Dreamwalker eine ca. 1 Meter lange Ringelnatter, die sich gut getarnt durch das Gras windet. Ein letztes Mal für heute geht es durch ein langgestrecktes Tal empor. Auf der Hochfläche am Waldrand finden wir in der Nähe von Etzean nach einer 30-Kilometer-Tagesetappe ein schönes Plätzchen für unser Lager. Wir achten natürlich darauf, dass es vom Weg nicht einsehbar ist und gehen stets ein Stückchen in den Wald hinein, bevor wir unsere Planen und Liegematten ausbreiten. Nachts ist es sehr friedlich, nur einen Hirsch hören wir heiser bellen. Es ist sehr schön, unter freiem Himmel, eingekuschelt im warmen Schlafsack, zu liegen und in die hohen Bäumen zu schauen. Da werden natürlich Erinnerungen an unsere Tour auf dem Continental Divide Trail vor zwei Jahren wach und wir tauschen gemeinsame Erinnerungen aus. So ein Erlebnis verbindet.

„Riesenschlange“ an der Marbach Talsperre

Dritter Tag

Morgens war der Osterhase am Camp
Osterfrühstück

Am Ostersonntag finden wir jeder neben unseren Schlafsäcken einen leckeren Schoko-Osterhasen.   Gefrühstückt wird wieder gemütlich auf einer Bank in der Morgensonne gegenüber einer Pferdekoppel und danach ist rasch der größere Ort Beerfelden erreicht. Am Zwölfröhrenbrunnen im Ortszentrum, der Quelle der Mümling, füllen wir Wasser nach. Leider geht es auch heute viel über Asphalt und später über eine breite, schnurgerade Forststraße, die parallel zu einer bei Motorradfahrern beliebten Landstraße verläuft. Der Motorenlärm dröhnt zu uns herüber, für verwöhnte Wanderer keine schöne Wegstrecke. Erst bei Kortelshütte, kurz vor dem Neckar, wechselt der Weg auf einen schmalen Pfad, wird interessanter und unsere Laune steigt. Sehr steil führt unser Steig hinunter nach Hirschhorn an den Neckar. Nach einem Rundgang durch die Altstadt mit ihren netten Fachwerkhäuschen müssen wir mühsam wieder sämtliche Höhenmeter hinauf erklimmen, um zurück auf die Neckarhöhen zu gelangen. Kurz hinter dem Ort Grein laufen wir hoch zum Waldrand und bauen nach 27 Kilometern unser Tarp auf. Heute Nacht verzichten wir auf unser geliebtes Cowboy-Camping unter freiem Himmel, denn es ist wolkig geworden und wir wollen nachts nicht von Regen überrascht werden. Und wirklich, bald fallen einige wenige Tröpfchen.

Mümlingquelle in Beerfelden
Camp mit Tarp

Vierter Tag

Neckarsteinach

An unserem letzten Wandertag ist es häufig bewölkt und deutlich kühler, da fällt das Frühstück etwas kürzer aus. Zum Ausgleich gönnen wir uns zum (kalten) Porridge einen heißen Tee. Der Weg führt bequem hinunter ins Tal und dann entlang einer Talseite oberhalb des langgestreckten Ortes Schönau zum Neckar. Mittags sind wir schon in Neckarsteinach und genießen den schönen Blick von den Burgen auf den Ort.

Hinterburg oberhalb von Neckarsteinach
Blick auf Neckarsteinach

Über das Wehr des Wasserkraftwerks queren wir den Fluß und klettern den steilen Pfad hinauf zur Burgfeste Dilsberg. Da kommt man trotz der nun kühlen Temperaturen ganz gut ins Schitzen. Der kleine Bilderbuchort mit einer stolzen Burg hoch über dem Neckar ist vollständig von einer Stadtmauer umgeben und bezaubert durch seine winzigen, liebevoll gepflegten Fachwerkhäuschen. Nun geht es nochmal bergab zur Hanselmannquelle, dann durch mittlerweile vollständig grünen Buchenwald längere Zeit sehr steil wieder hoch. Danach liegt auch schon unser Endpunkt Neckargemünd zu unseren Füßen. Rasch läuft es sich auf herrlich weichem Laubpfad hinunter in den Ort, wo wir nach 21 Kilometern am frühen Nachmittag unsere Osterwanderung beenden.

Burgfeste Dilsberg hoch über dem Neckar
Fachwerk-Idylle in Dilsberg

Es war eine ziemlich gemütliche Tour mit nur knapp 2.600 Höhenmetern auf dem Hugenotten-Waldenser-Pfad mit weitgehend moderaten Steigungen, anstrengender sind die zusätzlichen Höhenmeter auf dem kleine Etappenstück des Neckarsteiges hinter dem Dilsberg. Da die Route den historischen Fluchtwegen folgt, verläuft sie häufig doch überwiegend auf breiten Forststraßen oder (auch geteerten) Wirtschaftswegen. Insgesamt gefällt mir daher der anspruchsvollere Nibelungensteig besser. Aber schön waren diese vier Tage draußen in der Natur trotzdem, vor allem, weil Dreamwalker, der weltbeste Wanderpartner, dabei war. 

Nachtrag

Einige Wochen später wird die Etappe von Brandau nach Darmstadt nachgeholt, um auch das noch fehlende Wegstück zwischen Ernsthoffen und Darmstadt zu laufen. Das Teilstück zwischen Ernsthofen und Rohrbach ist sehr schön und abwechslungsreich, immer wieder hat man sehr schöne Ausblicke auf den Rand des Odenwaldes. Ab dem Wanderparkplatz südlich von Rohrbach läuft man aber viele Kilometer (bis hinter Ober-Ramstadt) fast ausschließlich auf Teer, das geht in die Füße.  Rohrbach sowie die benachbarten Orte Wembach und Hahn wurden von den Waldensern gegründet, hier findet man das Waldensermuseum und am Straßenrand viele weitere Hinweise auf die Vergangenheit. 

Etappe zwischen Ernsthofen und ROhbach
Waldenser-Häuser in Rohbach

Hinweisschild zur Ortsgeschichte

Ein Kommentar

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert