Von der Oase Figuig nach Merzouga

Unsere Route bis Merzouga

Am späten Vormittag des 15. Februar verlassen wir die Oase Figuig, nachdem die Obst-und Gemüsevorräte, Wasser und Diesel aufgefüllt wurden. Ziel ist der Oasenort Iche, ca. 100 Kilometer nordöstlich direkt an der algerischen Grenze, mitten in den Bergen gelegen der östlichste Ort Marokkos.

Heute ist Premiere, denn wir starten zu unserer ersten Pistenfahrt in Marokko. Nach Passieren des Kontrollpostens bei Figuig geht es kurze Zeit später runter vom Asphalt. Die gute, breite Piste lässt sich prima fahren. Etliche Queds, trockene Flussbetten, sind zu queren, die Furten sind mit Beton befestigt. Obwohl wir nur ca. 30 bis 40 km/h fahren, ziehen wir eine lange Staubfahne hinter uns her. In der weiten Ebene tauchen ab und an Nomadenlager auf, deren kuppelförmige, schwarze Zelte von weiten wie große Felsen aussehen.

Auf dem Weg nach Iche
Nomadenquartier in der Steinwüste

In der Nähe hütet meist ein Junge seine Schafe. Auch ein paar Kamele sehen wir. Mitten im Nirgendwo führt die Piste an einer Schule für Nomadenkinder vorbei. Hier ist auch nochmal ein Militärposten zu passieren. Es werden stets unsere Pässe und das Kennzeichen vom Auto fotografiert. Wer wohl alle diese Daten sammelt? Die letzten Kilometer vor einem Stausee sind überraschend geteert. Aufgrund von Vermessungsarbeiten vermuten wir, dass in Kürze der gesamte Abschnitt bis Figuig gete wird. Kurz hinter der Zufahrt zu dem kleinen Stausee wird es hügelig, die Gegend wird einsam und die Piste etwas schlechter. Mitten in dieser Einöde leuchten die grünen Wedel eines idyllischen Palmenhains. Hier bleiben wir für unsere Mittagsrast und weil es so schön ist, auch zum Übernachten. Nur 50 Kilometer haben wir zurück gelegt, aber wir sind ja nicht hier, um “Strecke zu machen“. Am meisten beeindruckt uns die absolute Stille. Weder Wind noch irgendwelche Lebewesen. Kein Laut ist zu hören – faszinierend. Merkwürdigerweise beginnt es zum Ausgleich in unseren zur Zeit arbeitslosen Ohren zu summen.

Traumhafter Stellplatz unter Palmen
Wüsten-Brokkoli

In einer Senke gibt es sogar Wasser und daher außer den stattlichen Palmengruppen noch etliche andere Pflanzen. Die meisten sind trocken und dornenbewehrt. Wie überdimensionierte Brokkoli sehen grüne, knubbelige Polsterpflanzen aus, die jedoch steinhart sind. Wenn es wirklich einmal regnet, saugen sie das Wasser wie ein Schwamm auf. Auf einem kleinen Rundgang entdecken wir auch viele Spuren von Tieren. Hier kommen auch Ziegen und Schafe zur Tränke, die Gegend ist wohl doch nicht so einsam, wie gedacht. Und wirklich, am späten Nachmittag tauchen wie aus dem Nichts zwei junge Männer auf, die irgendwo in der Nähe wohnen und nur mal schauen wollten, wer hier sein Lager aufgeschlagen hat. Leider können sie kein französisch und wir nicht die Sprache der Berber. So bleibt es bei einem netten “ bonjour, ça va“. Nachts funkelt der Himmel voller Sterne, die Milchstraße leuchtet, eine Sternschnuppe fällt – aber wir sind wunschlos und glücklich.

Weiterfahrt nach Iche

Die Piste führt am nächsten Tag in eine wilde, bizarre Felslandschaft in die Berge hinauf. Einige steile, steinige Engstellen mit Felsen und tief ausgewaschenen Rinnen fordern Olafs Fahrkünste heraus. Gut, dass unser Bus so schmal ist. Mit einem großen Expeditionsmobil wäre hier kaum ein Weiterkommen möglich.

Aber dieser schwierige Abschnitt hätte sich auf einer breiten Hauptpiste auch bequem umfahren lassen. Nach unserer “Exkursion“ über den steinigen Berg erreichen wir wieder die gute, geschobene Hauptpiste nach Iche. Viele Nomadenlager sehen wir entlang der Strecke und einige Bäche mit ein wenig Wasser.

Mittags erreichen wir die winzige, von schönen Felsbergen umrahmte Oase Iche. Mohammed, der lokale Fremdenführer zeigt uns das alte Dorf mit seinen würfelförmigen Bruchsteinhäusern und den Palmengarten. Außerdem wird für uns das Museum aufgeschlossen. Es präsentiert ca. 20 traditionelle Haushaltsgeräte, 2 alte Telefonhörer und Fotos von Felszeichnungen aus der Umgebung, die ca. 4000 Jahre alt sind und Giraffen, Nashörner und Elefanten zeigen. Sehr beeindruckend. Gerne folgen wir Mohammeds Einladung zum Tee in sein Haus. Weitere Gäste sind der Lehrer und der Bürgermeister, also die versammelte Dorfprominenz. Wir erfahren viele interessante Dinge über das Leben im Dorf. So gibt es z.B. nun in der Schule das Fach Umwelterziehung mit dem Ziel, dass auch die Kinder ihr Wissen an ihre Eltern weiter geben. Außerdem wurden vor einigen Jahren die sonst allgegenwärtigen Plastikbeutel durch den König verboten. Waren früher Büsche und Sträucher entlang der Straßen mit umherfliegenden Plastiktüten verziert, sieht man heute nur noch eher selten Plastikabfall in der Landschaft liegen. Auch die Straßen in den Ortschaften sind überall sehr sauber.

In der Oase Iche

Über eine Asphaltstraße geht es 100 Kilometer zurück nach Nordwesten bis Bouafra und dann nach Westen. Die Straße führt über eine topfebene Steinwüste, wunderschön leuchtet die nun schon tiefstehende Sonne auf die in der Ferne begrenzenden Berge. Wir steuern über eine Piste den Fuß eines Hügels an, um ggf. dort zu übernachten. Von oben bietet sich eine wunderbare Rundumsicht, auch auf den Landcruiser, der mit hoher Geschwindigkeit den Hügel hinauf prescht. Unser Ausflug ins Gelände wurde also schon entdeckt. Der Fahrer erzählt uns, er würde hier oben in dem offensichtlich verlassenen Haus wohnen und Jagdfalken züchten, von denen er uns Bilder auf seinem Mobiltelefon zeigt. Dann schenkt er uns eine Großpackung Datteln, rast den steilen Hügel durch den Tiefsand wieder nach unten und verschwindet in der Weite. Eine ziemlich undurchsichtige Geschichte. Für uns aber ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass man sehr genau beobachtet wird und wahrscheinlich hier, wo man wie auf dem Präsentierteller steht, keine ruhige Nacht haben wird. Vielleicht ist man auch wegen der Grenznähe und dem wenig freundschaftlichem Verhältnis zum Nachbarn Algerien etwas neurotisch. Also fahren wir noch ein Stückchen weiter bis zu einer Biofarm, die Stellplätze auf ihrem Hof anbietet.

Wüsten-Panorama

Am nächsten Tag fahren wir auf der Nationalstraße 10 weiter nach Westen über eine endlos weite Schotterfläche, die von rötlichen Bergen begrenzt wird. Darüber spannt sich ein knallblauer Himmel, wunderschön im Morgenlicht. Etwas westlich des Ortes Boudeneb biegen wir auf eine schmale Straße ab, die uns entlang eines engen Flusstals durch die Berge führt. Immer wieder passieren wir sattgrüne Palmengärten und kleine Dörfer mit noch ursprünglichen Lehmhäusern. Wir haben sowieso eine Vorliebe für karge Wüstenlandschaften und so ist dies wirklich eine herrliche Strecke. Schließlich erreichen wir wieder die Hauptstraße und kurze Zeit später die Kleinstadt Rich. Hier gibt es einen großen, völlig untouristischen Markt, auf dem es alles Erdenkliche zu kaufen gibt.

Markttag in Rich

Sind die Cafés die Treffpunkte der Männer, so ist der Markt eindeutig das Revier der Frauen. Wir lassen uns durch die Menge treiben und beobachten das quirlige Treiben. Am besten gefällt uns der Gemüsemarkt, wo Bauern ihre Waren auf dem Boden ausbreiten und die Frauen sachkundig die allerbesten Stücke auswählen. Die auf dem Rücken in einem Tuch getragenen Kleinkinder schlafen derweil oder sabbern ihrer Mama den Nacken voll. Natürlich werden beim Einkauf auch die neuesten Informationen ausgetauscht. Es ist ein Fest für unsere Augen und Ohren.

Obwohl wir als einzige Fremde natürlich hier auffallen, werden wir in keinster Weise von selbsternannten Stadtführern oder Kindern belästigt, so wie man das in den von Touristen heimgesuchten Orten kennt, wo die Urlauber freigiebig Bonbons, Kugelschreiber oder sogar Geld verschenken und damit die nervige Bettelei produzieren. Wohl werden wir manchmal z.B. von Jugendlichen, die ihre Englischkenntnisse testen wollen, angesprochen. Das ist aber dann ein netter Smalltalk, sonst nichts.

Die Nacht verbringen wir einige Kilometer südlich von Rich am Ufer des Ziz. Der Fluss führt extrem wenig Wasser, weil es in diesem Winter wieder einmal praktisch überhaupt nicht geregnet hat. Der Klimawandel ist eine existenzielle Bedrohung für die riesige Palmenoase des Tafilalet, die wir am nächsten Tag über 150 Kilometer von Norden nach Süden durchfahren, denn sie wird ausschließlich durch den Fluss bewässert. Zunächst fließt der Ziz durch eine dramatisch enge Schlucht, dann wird das Tal etwas breiter, bleibt aber von schroff aufsteigenden Felshängen begrenzt. Der gesamte Talgrund wird von Dattelpalmen bedeckt, ein grünes Band in der roten Wüste. Am Rand der Oase liegen kleine Dörfer mit Lehmhäusern.

Im wunderschönen Tal des Ziz

Bei der Stadt Er-Rachidia kommen wir dann in eine weite Ebene, durch die sich der Ziz auf dem Weg in die Wüste schlängelt. Immer wieder durchfahren wir herrliche Palemgärten. Das Ziztal ist wirklich traumhaft schön und ein Anziehungspunkt für viele Touristen, die auf dem Weg zu den Sanddünen von Merzouga hier durchrauschen. Daher gibt es hier nun entlang der Straße ein Restaurant und Café nach dem anderen, an Aussichtspunkten lauern Souvenirhändler auf Kundschaft und auf den Campingplätzen stehen die riesigen Wohnmobile der meist französischen Rentner dicht an dicht. Nein danke, das ist nicht so ganz unser Geschmack. Wir fahren weiter bis zur Stadt Erfoud und stellen unser mobiles Heim für die Nacht auf einem Hügel oberhalb des Ortes auf. Hier haben wir nicht nur unsere Ruhe, sondern auch einen phantastischen Blick über die Stadt und die Oase.

Am nächsten Tag bummeln wir in Erfoud durch den kleinen Souk, wo man von den Verkäufern umworben wird. Immer ist die erste Frage, woher man kommt. Und es ist erstaunlich, wie viele Händler dann zufällig Freunde oder Verwandte in Frankfurt haben. Märchen aus 1001 Nacht können wir auch erzählen, behaupten nun ernsthaft, dass wir aus China kämen und ernten dafür anerkennendes Gelächter. Im Souk beeindruckt außerdem die Metzgereigasse. Frisch geschlachtete Ziegen, Geflügel, Schafsköpfe und allerhand undefinierbare Innereien hängen an den Ständen. Wer noch kein Vegetarier ist, der wird es hier. Unsere empörten Mägen werden mit einem Pfefferminztee in einem Café wieder besänftigt. Hinter Erfoud enden die Dattelplantagen. Es geht weiter in die Kleinstadt Rissani am Rand der Wüste und dann über weite Schotterflächen ins ca. 120 Kilometer südlich gelegene Merzouga.

Im Sandmeer des Erg Chebi
Unsere ganz private Oase

Die Gegend ist ein Touristenmagnet, denn hier im Erg Chebi sieht die Sahara so aus, wie man sich eben eine Wüste vorstellt: ein Meer aus bis zu 200 m hohen Dünen aus allerfeinstem, rotgelben Sand, davor sattgrüne Palmen und Oasendörfer. Die beherbergen natürlich jede Menge Hotels, Restaurants und Campingplätze. Man kann Jeeptouren oder Kamelritte machen, mit Quads durch die Dünen brettern oder sogar im Sand Skifahren fahren. Im Ort Merzouga werden wir von den in Phantasie-Kleidung als Tuareg getarnten Anbietern im Hinblick auf Kamel- und Quad-Touren angesprochen. Also ein ganz schöner Rummel. Aber insgesamt hält sich die Anmache doch sehr in Grenzen.

Zum Sonnenuntergang unternehmen wir eine wunderbare, lange Wüstenwanderung auf die Lala Achila, die mit 875 m höchste Düne, von der wir einen phantastischen Blick über das Sandmeer haben. Das Laufen durch den tiefen Sand ist ganz schön anstrengend, auf der windzugewandten Seite und dem Grat der steilen Dünen ist der Sand relativ fest, die butterweiche, windabgewandte Seite kann man sich herrlich runter rollen lassen. Wir finden mit Hilfe der App Park4Night einen tollen, einsamen Stellplatz zwischen den Dünen. Morgens ziehen beim Frühstück sogar einige Dromedare vorbei. Auch die Oasengärten um Merzouga sind ein Ruhepol abseits des Rummels und ein wunderbarer Kontrast zur Wüste.

Natürlich darf auch eine ausgedehnte Wanderung durch die Wüste zum Sonnenaufgang nicht fehlen. Es ist kalt und noch stockdunkel, als wir nach dem Weckruf des Muezzim gegen 5:30 Uhr aufbrechen. Sterne glitzern, aber der Mond steht als schmale Sichel bereits tief am Himmel und schon bald zeigt sich ein rosaroter Streifen im Osten am Horizont. Nach einer Stunde haben wir eine der höchsten Dünen erklommen, als sich die Sonne dann endlich zeigt. Ein sanftes Licht gleitet über die Landschaft, die elegante Sichelform der Dünen wird perfekt ausgeleuchtet. Eine wunderbare Stimmung. Unser Frühstück mit Müsli und Milch haben wir mitgebracht und sitzen lange auf dem steilen Gipfel der Düne, bevor wir im großen Bogen zurück nach Merzouga laufen.

Morgenstimmung
Durch Tiefsand bergauf zum Gipfel

Unterwegs begegnen uns nun etliche Kamelkaravanen, Jeeps und Quads. Totale Einsamkeit findet man hier nicht, aber man hat trotzdem seine Ruhe in dieser trotzdem äußerst beeindruckenden Landschaft. Am besten erlebt man die Wüste, wenn nan ziellos umherschlendert und ganz viel Zeit mitbringt. Denn nicht nur die Weite und Erhabenheit der großen Dünen ist unglaublich schön. Uns begeistern auch Details, wie z.B. das vom Wind in den Sand gemalte grafische Wellenmuster, der vom Sonnenlicht messerscharf in hell und dunkel geteilte schmale Grat der Dünen oder die filigranen Spuren der Käfer und Mäuse. Insgesamt bleiben wir drei Tage hier und genießen die Magie diese besonderen Ortes.

Vom Wind geformt

2 Kommentare

  1. Danke für den neuen Bericht, gemütlich am Sonntagmorgen auf dem Sofa gelesen, während draussen die armen Jecken durch den Regen ziehen. grüße von Sibylle und Marcus

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert