Páramo im Nationalpark Nevado del Ruiz

Von Santa Fe nach Salento

Jardin, 2./3.7.2025

Am Vormittag besuchen wir die einige Kilometer von Santa Fe entfernte Puente Colgante de Occidente über den schlammig braunen Rio Cauca. Bei ihrem Bau 1895 war sie mit 290 Metern die längste Hängebrücke Südamerikas. Heute darf sie nur noch von Fußgängern, Fahrrädern und Motorrädern genutzt werden und ist ein beliebtes Ausflugsziel.

Puente Colgante de Occidente
Puente Colgante de Occidente

Den ganzen Vormittag fahren wir auf der wenig genutzten Straße 25B parallel zum Rio Cauca. In vielen Schleifen windet sich der Fluß durch ein von grünen Bergen begrenztes enges Tal. Uns erinnert die idyllische Landschaft an den Mittelrhein, nur sind die Berge viel höher und es fehlen die Weindörfer und Burgen. Hinter dem größeren Ort Bolombolo treffen wir auf die von Medellin kommende Ruta 60, der Verkehr nimmt deutlich zu. Nach kurzer Zeit biegen wir ab auf eine schmale Straße, die uns in die hohen Berge nach Jardin führt. Wären nicht die Kaffeeplantagen an den steilen Berghängen, könnte man meinen in den Alpen zu sein. Endlich sind auch auf 1700 Metern die Temperaturen wieder richtig angenehm.

Kaffeeplantagen bei Jardin
Kaffeeplantagen bei Jardin

Jardin ist eine sehr schöne, kleine Kolonialstadt mit den für die Kaffeeregionen (Paisa) Kolumbiens üblichen einstöckigen, weißen Häusern mit Ziegeldächern, bunt gestrichenen Sockeln sowie reich verzierten, bunten Holzbalkons, Galerien und Fenstern. Rings um die große Plaza vor der Kirche reiht sich ein Lokal an das nächste. Der Ort ist ein beliebtes Urlaubsziel auch zum Wandern oder Mountainbiken.

Auf einen Tinto an der Plaza in Jardin
Auf einen Tinto an der Plaza in Jardin

Auf unserem Campingplatz am Ortsrand treffen wir einen britischen Tourenradler, der vor 3 Jahren von Alaska mit Ziel Feuerland gestartet ist. Er fährt vorzugsweise Dirtroads und nimmt auch die steilen Kordillierenstrecken mit. Wir tauschen uns natürlich ausführlich aus und stellen fest, dass wir etliche identische Routen genommen haben. Sogar die sehr anstrengenden Off-Road-Strecken in Mexiko durch die Baja California und den Kupfercanyon ist Greg geradelt. Teilweise hat er hier sogar 18 Liter Wasser mitschleppen müssen. Eine irre Leistung.

Jardin
Jardin

Wir bleiben noch einen Tag in Jardin und erkunden über Schotterwege und steile Pfade die nähere Umgebung. Vormittags wandern wir zu einigen kleinen Wasserfällen und einem Aussichtspunkt südwestlich der Stadt. Von dort geht es mit einer winzigen Seilbahn hinunter in den Ort. Nach unserer üblichen Kaffeepause pusten wir sehr steil den Hügel östlich des Ortes zum Aussichtspunkt Christo del Rey hoch. In Lateinamerika wird häufig an besonders markanten Stellen oberhalb von Städten eine Christusfigur aufgestellt. Die berühmteste ist wohl die in Rio de Janeiro. Über befestige Fahrwege und schmale Pfade kommen wir wieder in die Stadt, gehen Mittagessen, einkaufen und sind nachmittags wieder am Campingplatz.

Manizales, 4.7.2025

Den Auftakt macht heute eine sehr schöne Fahrt über eine ca. 60 Kilometer lange Straße von Jardin durch die Berge nach Riosucio. Rund 45 Kilometer davon sind eine schmale, überwiegend gute Piste, die sich bis auf 2870 Meter zuerst durch Almwiesen und dann durch dichten Nebelwald hinauf schraubt. Greg war schon gestern hier geradelt und hat uns per WhatsApp mitgeteilt, dass sämtliche der zahlreichen Erdrutsche passierbar sind.

Pistenfahrt von Jardin nach Riosucio
Pistenfahrt von Jardin nach Riosucio
In den Bergen zwischen Jardin und Riosucio
In den Bergen zwischen Jardin und Riosucio

Es lässt sich gut fahren, sogar ein Linienbus kommt uns entgegen. Nach der Passhöhe geht es über einen breiten Rücken bergab. Hier ist der Untergrund schlechter mit Steinen und teilweise tiefen Schlaglöchern, die vor allem nach Regen unangenehm rutschig sein können. Schuld sind daran die schweren Holztransporte, die die Piste an den Steigungen ramponieren. Sehr steil geht es die letzten Kilometer auf durch Erdbeben teilweise wellig verworfenen Asphalt hinunter nach Riosucio und dann über die breitere Ruta 25 noch weiter bis ins Tal des Rio Cauca. Damit ist wieder eine Höhendifferenz von 2000 Metern überwunden. Hier treffen wir auf die von Medellin kommende Ruta 29, die teilweise 3spurig ist und damit ein leichtes Überholen der LKW ermöglicht. Schließlich biegen wir ab auf die Ruta 50 und dann die schmale Straße nach Manizales, die uns rasch wieder in vielen Kurven 1000 Höhenmeter hinauf führt. Die Orte entlang dieser Bergstraßen bestehen stets nur aus einer langen Reihe von Häusern, die an der steilen Hangseite meist auf Stelzen gebaut werden müssen. Ziemlich mutig in einem so stark durch Erdbeben gefährdetem Land.

Unser Campingplatz bei Manizales
Unser Campingplatz bei Manizales

Am frühen Nachmittag landen wir kurz vor der großen Stadt Manizales im auf einem Bergrücken gelegenem Airbnb Chalet San Luis, wo man auch im Garten übernachten kann. Unsere Gastgeberin Patrizia ist sehr herzlich und begrüßt uns mit selbstgemachter Limonade. Es gibt eine schöne offene Küche und Terrasse mit wunderbaren Blick in die Berge und eine heiße Dusche. Was will man mehr.

Murillo, 5./6.7.2025

Ein spannender, sehr schöner Tag. Morgens geht es zunächst in die Stadt zum Einkaufen in einen modernen Supermarkt. Manizales hat rund 320.000 Einwohner und erstreckt sich über eine Kette aberwitzig steiler Hügel, die rechtwinklig angeordneten Straßen gleichen Achterbahnen. Auch hier gibt es mehrere Seilbahnen, die als Nahverkehrmittel die Stadtteile erschließen. Im Zentrum existiert an Busbahnhof eine große Umsteigestation mehrerer Seilbahnen. Für uns Europäer ist das sehr ungewöhnlich und verschönert auch nicht gerade das Stadtbild. Aber bei diesen irren topographischen Bedingungen macht es Sinn.

Piste zu den Termales El Pino la Gruta
Dschungel-Piste zu den Termales El Pino la Gruta

Ziemlich schnell sind wir dann über die Panamericana aus der Stadt hinaus und biegen auf eine kurvenreiche Straße Richtung Nationalpark Nevado de la Ruiz ab. Sie führt uns hinauf in ein sehr schönes Tal mit Almwiesen. Hinter einem Hotel mit Thermalbad endet die gut ausgebaute Straße, der Schotterweg wird immer schmaler und mutiert schließlich zu einer ziemlich schlechten, einspurigen Piste, die stetig an der steilen Bergflanke hinauf in den Nebelwald führt. Es ist wirklich nicht viel Platz auf dem Weg, auch hängen viele Zweige sehr rief und immer wieder sind Engpässe an Erdrutschen zu queren. Wieder einmal sind wir froh, so ein kleines Auto zu haben. Unterwegs treffen wir einige Mountainbiker und natürlich auch Motorradfahrer.

Baden in den Termales El Pino la Gruta
Baden in den Termales El Pino la Gruta auf fast 3400 Metern Höhe
Piste durch den Nebelwald zum Nationalpark Nevado del Ruiz
Piste durch den Nebelwald zum Nationalpark Nevado del Ruiz

In 3374 Metern Höhe sind wir schon längst im Nebel, als wir die Termales el Pino la Gruta erreichen. Mitten im Nirgendwo wurden an einem steilen Hang heiße Thermalquellen in drei kleine, rustikale Becken geleitet. Hier kann man mitten in der Natur im 39-42 Grad warmen Wasser wunderbar entspannen. Es gibt eine einfache Umkleidemöglichkeit, eine Toilette und mehrere überdachte Plattformen, auf denen man Zelte aufbauen kann. Es sind noch einige einheimische Besucher hier, immerhin ist ja Samstag. Nach dem Mittagessen setzen wir unsere Fahrt fort. Die weiter bergauf führende Piste ist deutlich besser und schließlich erreichen wir die asphaltierte Straße, die um den Nationalpark Nevado del Ruiz herumführt. Auf ca. 4000 Metern Höhe sind wir endlich über den Wolken.

Páramo im Nationalpark Nevado del Ruiz
Páramo im Nationalpark Nevado del Ruiz
Nevado del Ruiz
Massiv des Vulkans Nevado del Ruiz, 5321 m

Der dichte Wald weicht nun dem Páramo, dem alpinen Hochgebirgsmoor des zentralen Hochlandes der Anden, mit den typischen gelben Horstgräsern und Schopfrosettenpflanzen Frailejones. Wir haben sogar das große Glück, dass wir die mit Schnee und Eis bedeckten Vulkangipfel des Parks sehen können. Der höchste ist der Nevado del Ruiz mit 5.321 m und mit einem Gletscher bedeckt. Wegen der vulkanischen Aktivitäten darf im Park nur mit einem Führer gewandert werden. Die Straße führt bis auf 4.300 Meter Höhe um das Gebirgsmassiv herum, eine wunderschöne Strecke. Leider sind jedoch sämtliche freien, in iOverlander genannten Stellplätze nicht mehr zugänglich. So müssen wir hinunter in den Bergort Murillo fahren, der immerhin noch 3000 m hoch liegt. Dort gibt es einen einfachen Campingplatz. Zum Trost gönnen wir uns ein Abendessen in einem Restaurant an der kleinen Dorfplaza.

Dorfplatz von Murillo
Dorfplatz von Murillo

Es folgt ein echt irrer Tag! Nachts haben wir wegen der Höhe von 3000 Metern schlecht geschlafen, aber auch weil auf dem Campingplatz 5 junge Leute bis um 1 Uhr geräuschvolle „Unterhaltungen“ geführt haben. Es ist halt wieder mal Wochenende! Olaf nutzt die Ruhestörung, um eine spannende Alternativroute über eine Piste quer durch die Berge zu finden. Morgens befragen wir den Campingplatz-Host dazu. Der meint, die Route von Morillo über El Bosque nach Santa Isabel und weiter bis zur Asphaltstraße nach Ventana müsste für unser Auto kein Problem sein. Die im übrigen sehr netten, wenn auch lauten Mitcamper bestätigen dies und schätzen die Fahrzeit auf zunächst zwei, dann auf vier Stunden. Also starten wir morgens frohgemut unser Pistenabenteuer. Es ist eine landschaftlich wunderschöne Strecke durch die steilen Berge. Wie überall ist der Wald weitgehend abgeholzt, Almwiesen und einige wenige Felder dominieren. In der glasklaren Luft leuchtet das frische Grün. Ab und zu passieren wir eine kleine Finca. Es sind einfache, ärmliche Bauernhäuser, aber gepflegt und oft sogar mit Blumen geschmückt. Die Piste ist schlecht, sehr steinig und stellenweise sehr ausgewaschen mit tiefen Löchern, Längs-und Querrinnen, außerdem ein beständiges und steiles Auf und Ab. Die „Ruta de la Templanza“ zwischen Murillo und Santa Isabella ist offiziell als Mountainbikestrecke ausgewiesen. Allerdings wäre das nur was für echte Freaks, wir sehen natürlich keinen einzigen Radfahrer.

sehr schlechte Piste von Murillo nach El Bosque
sehr schlechte Piste von Murillo nach El Bosque

Obwohl wir den Luftdruck der Reifen reduziert hatten und besonders steile Passagen betoniert sind , rumpeln wir mit durchschnittlich 10 km/h dahin. Dadurch haben wir aber genug Zeit, um die Landschaft zu genießen. Olaf muss sich allerdings auch nebenbei auf die Piste konzentrieren. Einige wenige Geländewagen und zwei LKW sind unterwegs, jedoch ausschließlich als Sammelbus. Die wichtigsten Verkehrsmittel sind Motorrädern sowie Pferde und Mulis. Es ist immer wieder verblüffend, wie viele Personen und Lasten damit transportiert werden.

Piste von Murillo nach El Bosque
Piste von Murillo nach El Bosque

Irgendwie hatten wir uns eingebildet, dass nach El Bosque die Piste besser werden würde, da es bis zum größeren Ort Santa Isabel nur 15 Kilometer sind. Allerdings ist genau das Gegenteil der Fall. Uns entgegen kommende Reiter auf Mulis und mit Lasttieren warnen uns, dass die Piste hinter El Bosque wegen Betonarbeiten für Autos nicht passierbar sei. So ein Mist, dann müssten wir wieder 3,5 Stunden zurückfahren. Wie üblich gab es natürlich keine Straßenschilder, die auf eine Baustelle hinweisen.

Wir machen erstmal Mittagspause und fragen den Fahrer eines Geländewagens, der aus der Gegenrichtung kommt, ob man mit dem Auto nach Santa Isabel fahren könnte oder ob die Piste gesperrt sei. Claro, die Piste ist frei, lautet die Antwort. Also fahren wir weiter. Sicherheitshalber fragen wir nochmals einen Motorradfahrer und eine alte Frau an einer Finka. Die meinen wieder, die Piste sei gesperrt. Ein anderer Motorradfahrer wiederum sagt, für ein Auto sei die Piste offen. Die Vielfalt der Reaktionen verwirrt uns und genau 50 Meter später stehen wir vor einem großen Steinhaufen, der quer die gesamte Straße sperrt. Wir können nicht nachvollziehen, wieso derselbe Motorradfahrer, der Minuten zuvor an der einzigen, ca 1 Meter breiten freien Stelle, auf einem Balken über den breiten Graben der Baustelle balanciert ist, in voller Überzeugung und trotz mehrfacher Nachfrage meint, wir könnten da mit dem Auto durch. Vielleicht gebietet es einfach die Mentalität, aus Höflichkeit eine angenehme Auskunft zu geben.

Es hilft nichts, nur wenige Kilometer vor Santa Isabel heißt es umdrehen, wir müssen wieder 40 Kilometer zurück nach Murillo. Auf der Rückfahrt merken wir erst, wie miserabel die Piste auch in Gegenrichtung ist.

Zum Abschluss des Tages wird uns noch ein Erlebnis geboten, das aus einer Monty Python Komödie stammen könnte und so wohl nur in Lateinamerika denkbar ist. Rund 8 Kilometer vor unserem Ziel blockiert ein vollbeladener Lkw, der als öffentliches Verkehrsmittel Personen und Gepäck transportiert, die Straße. Der Lkw ist in erbärmlichem Zustand. Es braucht wirklich Mut, sich diesem uralten Fahrzeug anzuvertrauen. Die Reifen haben jedenfalls kein Profil mehr und sind schon am Rand angebrochen. Nun ist die Lenkstange defekt und der Fahrer schlägt mit einem schwerem Hammer darauf herum. Direkt daneben erleidet eine Frau aus einer Gruppe von Wanderern einen Schwächeanfall und wälzt sich schmerzvoll auf dem Boden, während ihre Kameraden die Beine massieren und sie dann in alle denkbaren Richtungen drehen. Zur gleichen Zeit treibt ein Hirte seine Kühe vorbei. Ein Hund beginnt wie wild zu kläffen, die Kühe rasen in Panik zwischen dem defekten Lkw und den Wanderern über die Piste. Das ganze Spektakel wird natürlich von den Passagieren der anderen wartenden Fahrzeuge gefilmt. So geht ganz großes Kino!
Schließlich ist die Lenkstange des Lkw in Form gehämmert und die Fahrt geht weiter.
Erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir müde nach 9 Stunden Fahrt und 80 Pisten-Kilometern gegen 18.30 Uhr wieder unseren Campingplatz in Murillo. Don Carlos, der Host, freut sich wie ein Schneeekönig, dass er uns wiedersieht und lacht sich schlapp, als er von der gesperrten Straße hört. Alles der ganz normale Wahnsinn.

Salento, 7.7.2025

Bei Sonnenschein und herrlich klarer Sicht starten wir unsere Rückfahrt. Ja, wir müssen wegen der gesperrten Piste zwischen El Bosque und Santa Isabel tatsächlich wieder nach Norden bis Manizales fahren, obwohl unser eigentliches Ziel Salento ja südlich des Nevado del Ruiz Natuonalparks liegt. Also geht es zunächst wieder über die Panorama-Straße rund um das Nevado del Ruiz Massiv.

Die Tour in Gegenrichtung verschafft uns viele herrliche neue Ausblicke, zudem ist der Gipfel des Vulkans heute frei sichtbar und wir können die imposante Rauchwolke des Kraters bewundern. Wir lassen uns sehr viel Zeit und genießen die Strecke. Wie wunderschön ist es hier! Eigentlich war es doch ein Glück, hier nun noch einmal bei diesem traumhaften Wetter fahren zu „müssen“. Aber auch die lange Pistentour gestern möchten wir nicht missen.

Allerdings nehmen wir nun nicht mehr die Piste hinunter nach Manizales, sondern die breit ausgebaute Asphaltstraße. Über die Panamerikana geht es dann zügig noch weiter bergab. So rauschen wir in nur einer Stunde um 3000 Höhenmeter hinunter. Die stark befahrenen Schnellstraßen sind nicht so unser Ding. Es ist viel Verkehr, laut, heiß und hektisch. Besonders die Durchfahrten der Städte Manizales und Pereira sind nervig. Was für ein irrer Kontrast zu der ländlichen Idylle in den Bergen. Als Platz für die Mittagspause muss mal wieder eine Tankstelle reichen, immerhin gibt es einen Tisch mit Sonnenschirm. Raststätten wie in Europa gibt es nicht. Endlich verlassen wir die Schnellstraße und kurven hinauf in den Ort Salento. Unser heutiger Schlafplatz ist eine Pferderanch, die Reittouren in der Umgebung anbieten. So parkt unser treuer Yoda heute nacht auf der Koppel zwischen Pferden und Hühnern. Wie wunderbar ist dieses freie Leben auf der Straße, wo du nie weißt, was der Tag bringt.