Verkehrsregeln
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit beschreiben wir nachfolgend Regeln, die uns während unserer Tour durch Kanada und Alaska besonders aufgefallen sind.
Wir sehen sehr viele Kreuzungen mit STOP-Schildern an jeder Einfahrt in die Kreuzung. In diesem Fall gilt, wer zuerst an der Haltelinie ankommt, darf zuerst weiterfahren. Klingt kompliziert, ist aber vor Ort sehr einfach umzusetzen. Denn jeder passt auf, nimmt Blickkontakt auf und fährt erst los, wenn klar ist, wer zuerst darf.
Sehr schwierig empfanden wir dagegen in der Praxis das Rechtsabbiegen an Kreuzungen mit Ampeln. Hier gilt, wenn es an einer durch Ampeln geregelten Kreuzung kein gesondertes Rechtsabbiegesignal gibt, muss auch bei Rot rechts abgebogen werden, wenn der Verkehr es ermöglicht. Nun hängen in USA und Kanada die Ampeln meist in der Mitte über der Kreuzung und oft sind es für eine Fahrtrichtung drei oder vier Ampeln nebeneinander. Unmittelbar neben den Ampeln hängen in USA zudem Schilder mit Pfeilen für die Fahrtrichtung je Fahrstreifen. Aber manchmal gibt es auch kein Schild. Wofür gilt dann die rechte Ampel, für den Geradeausverkehr oder für Rechtsabbieger? Auch den Einheimischen schien das nicht immer klar zu sein, denn auch sie warteten manchmal mit dem Rechtsabbiegen, bis alle Ampeln grün leuchteten. Manchmal wurden wir auch von hinten durch dezentes Hupen angeschubst, wenn wir wieder mal auf Nummer Sicher gingen und mit dem Abbiegen warteten.
An größeren verkehrsreicheren Kreuzungen ist beim Rechtsabbiegen bei roter Ampel schnell irgendwer übersehen. Schließlich gibt es sogar in USA und Kanada manchmal noch Fußgänger und besonders heimtückisch sind für das Rechtsabbiegen die Autofahrer, die just im Moment unseres Abbiegeversuchs einen U-turn im Querverkehr vollziehen!
Verkehr
Als maximale Geschwindigkeit sind in Alaska 65 Meilen erlaubt, also 110 Kilometer pro Stunde. Nicht selten sind auch nur 55 Meilen erlaubt. In Kanada ist das metrische System eingeführt, dort gelten 110 Kilometer pro Stunde als Maximum.
In der Praxis werden die Geschwindigkeitsvorgaben jedoch selten eingehalten. Jeder fährt deutlich schneller als erlaubt. Trotzdem fließt der Verkehr wesentlich ruhiger als in Deutschland. Das liegt sicherlich an den geringen Höchstgeschwindigkeiten. Wenn diese um 20% überschritten werden, ist man hier noch weit entfernt vom Verkehrsgetümmel in Deutschland. Alle fahren ungefähr mit der gleichen Geschwindigkeit und überziehen auch mit der gleichen Geschwindigkeit – sowohl PKW als auch LKW. Das erzeugt einen sehr gleichmäßigen Verkehrsfluss und bringt kaum Stress.
Nur wir hemmen mit unserem 78er Landcruiser deutlich den Verkehrsfluss. Um den Benzinverbrauch einigermaßen im erträglichen Bereich zu halten, fahren wir nur in Ausnahmefällen über 100 Kilometer pro Stunde. Wenn sich dann auf verkehrsreicheren Strecken Schlangen hinter uns bilden, setzt uns das dann doch unter Druck.
Gedrängelt wird jedoch im Verkehr überhaupt nicht. Besonders Fußgänger werden sehr bevorzugt behandelt. Weil sich die Ankunft unseres Wagens in Halifax mit dem Schiff von Deutschland um zwei Wochen verzögerte, waren wir dort zwei Wochen lang als Fußgänger unterwegs. Sobald wir auch nur den Anschein erweckten, eine Straße queren zu wollen, stoppte der Verkehr. So etwas kennen wir in Europa nur aus Skandinavien!
Trotzdem sind Fußgänger insbesondere in den Staaten eine Rarität, die oftmals von den Verkehrsplanern völlig übersehen wird. Viele Straßen besitzen keine Fußwege. Einkaufszentren liegen in der Regel nicht im Stadtzentrum, sondern verteilen sich irgendwo an den Rändern der Städte. Sie sind oft nur mit dem Auto erreichbar. Solche Einkaufszentren bestehen aus einer Ansammlung großflächig verteilter Märkte. Jeder Einkaufsmarkt verfügt über einen ungeheuer großen Parkplatz, der selbst zur Rush hour nur zu einem Bruchteil gefüllt ist. In Halifax haben wir ohne unseren fahrbaren Untersatz einkaufen müssen. Zum Glück gibt es in Halifax noch ein ganz gutes Nahverkehrsangebot. Aber bereits zwischen den Geschäften eines einzelnen Einkaufszentrums kann man schon Kilometer laufen. Natürlich macht das keiner, alle fahren von Geschäft zu Geschäft mit ihren Fahrzeugen. Fußwege gibt es zwischen den Geschäften nämlich nur sehr rudimentär, denn jeder geht ja nur vom Parkplatz zum Geschäft und zurück und fährt dann einige hundert Meter weiter zum nächsten Shop.
Selbst in kleinen Orten mit nur 100 Einwohnern und zwei Straßen können Grocery, Tankstelle, Bücherei, Laundry und Visitor Center über mehrere Kilometer auseinander liegen.
In Alaska und im Norden Kanadas trafen wir auf viele Straßenbaustellen, bei denen die Straße in einer Fahrtrichtung gesperrt war. Wegen der wenigen Straßen in diesen Regionen, kann bei Straßenbauarbeiten nicht gleich die ganze Straße gesperrt werden, die ja häufig der einzige Verkehrsweg ist. Daher bleibt bei Straßenbauarbeiten immer eine Fahrspur offen, die zeitversetzt je Fahrtrichtung genutzt wird. In Deutschland wird der Verkehr in solchen Fällen mit Ampeln geregelt. In Kanada und Alaska ist das nur ganz selten so. Dort stehen statt dessen Menschen auf jeder Seite der Baustelle und regeln den Verkehr. Sie haben ein Drehschild in der Hand. Auf einer Seite steht „STOP“, auf der anderen „SLOW“, jeweils rot und
grün unterlegt. Das reicht aber auf vielen Baustellen nicht. Um dem Sicherheitsanspruch genüge zu tun, tritt oftmals noch ein sogenanntes „PILOT CAR“ in Aktion. PILOT CARS fahren in der freigegebenen Fahrtrichtung vorneweg, manchmal über sehr lange Strecken. Sinnvoll erschien uns das immer, wenn auf einer Baustelle auf allen Fahrspuren mit schwerem Gerät gearbeitet wurde und diesen Baumaschinen auf unterschiedlichsten Wegen ausgewichen werden musste. Aber wofür wird ein PILOT CAR gebraucht, wenn die verbliebene Fahrspur eindeutig von der Baustelle abgegrenzt ist?
Straßenzustand
Der Straßenzustand ist in Alaska und Kanada überwiegend gut oder sehr gut. Alle Hauptverbindungsstraßen sind in Alaska und Kanada geteert. In Kanada trifft man überall im Land auf Gravel Roads. Sie verbinden kleine Orte und Farmen abseits der großen Highways miteinander. In Alaska sind alle Hauptverbindungsstraßen geteert. Gravel Roads muss man dort inzwischen gezielt suchen. Fast alle Gravel Roads können in Alaska und Kanada mit normalen PKW ohne Allradantrieb befahren werden. Das gilt zumindest für die Pisten, die öffentliche Orte anbinden.
Der Zustand von Gravel Roads ist von der Verkehrsbelastung und dem zeitlichen Abstand zur letzten Wartung abhängig. Bei starkem Verkehr bilden sich Wellblechmuster und Schlaglöcher auf dem Schotterbelag, die für Fahrzeuginsassen und Fahrzeug zur Tortur werden können. Daher werden Gravel Roads regelmäßig durch Grader geglättet. Das sind riesige Fahrzeuge, die mit einem Räumschild und ihrem Gewicht die Straße glätten.
Auf einigen wenigen Highways Alaskas und Nordkanadas fuhren wir auf Teerstraßen voller tiefer Schlaglöcher und mit großen Bodenwellen. Das sind Folgen des Klimawandels. Der Permafrostboden taut, der Untergrund ist nicht mehr stabil und verursacht massive Schäden an den Straßen.
Infrastruktur entlang der Straßen
Kanada und Alaska sind sehr großflächige Länder mit nur wenigen Einwohnern. Das Leben konzentriert sich auf wenige Ballungsräume. Abseits dieser Gebiete wohnt kaum noch jemand. In Alaska und im Norden Kanadas betragen die Abstände zwischen den Orten nicht selten hunderte von Kilometern. Dazwischen gibt es nichts, weder kleine Orte noch Tankstellen, nur Natur. Und nach zwei- oder dreihundert Kilometern Fahrt erreicht ihr ggf. nur ein Roadhouse. Dort könnt ihr tanken und eventuell das Nötigste einkaufen. In diesen Roadhouses bekommt ihr die wichtigsten Lebensmittel und einen technischen Grundbedarf wie z.B. Motoröl. Kleinere Orte mit einer zwei- oder dreistelligen Anzahl Einwohner gruppieren sich nicht selten um diese Tankstellen mit zugehöriger Grocery. Dort wird von den wenigen Einwohnern alles für den täglichen Bedarf eingekauft, natürlich zu noch höheren Preisen als in den Supermärkten großer Städte, die hunderte Kilometer entfernt sein können.
Insbesondere der Füllgrad des Tanks, aber auch der Lebensmittelvorrat erfordern beim Verlassen eines Ortes immer euer Augenmerk. Es kann auch mal die nächste Tankstelle kein Benzin haben oder die Tanksäulen sind defekt. Deshalb sollte der Vorrat im Tank möglichst bis zur übernächsten Tankstelle reichen. Nicht selten waren im Reiseführer oder im Internet Tankstellen angegeben, die es vor Ort nicht mehr gab. Es gibt auch einsam liegende Lodges mit Zapfsäulen. Auch hier kann es vorkommen, dass die Zapfsäulen für immer außer Betrieb genommen sind oder auch die gesamte Lodge nicht mehr existiert. Erkundigt euch vorher, ob die anvisierte einsam liegende Tankstelle noch in Betrieb ist, wenn ihr wegen der Reichweite eures Tanks auf sie angewiesen seid.
Rastanlagen, wie wir sie in Europa kennen, gibt es auch an den vierspurigen Interstates in Kanada nicht. Zum Tanken muss die Autobahn verlassen werden. Wer kein Essen dabei hat, kann eines der Roadhouses anfahren oder in den dichter besiedelten Gebieten einen der zahlreichen Schnellimbisse. In den Lebensmittelgeschäften wird oft auch etwas Warmes zum Mitnehmen angeboten.
Eine prima Sache sind die an vielen Rastplätzen im Norden Kanadas und Alaskas anzutreffenden Trockentoiletten („Pit toilet“). Meist sind sie sauber und Papier ist in der Regel auch vorhanden, aber natürlich gibt es nie Wasser zum Händewaschen. Daher solltet ihr wenigstens immer Desinfektionsmittel dabei haben.