Etappe East Glacier Park Village – Chief Mountain (Grenze USA/Kanada)

136 Kilometer auf dem CDT zwischen Glacier und Chief Mountain
136 Kilometer auf dem CDT zwischen Glacier und Chief Mountain

Unvermittelt schnell bricht die letzte Etappe unserer großen Wanderung an. Und es wird eine der allerschönsten….

Von East Glacier Park Village steigen wir durch goldenen Herbstwald stetig bergan, vom Gipfel des Mount Henry genießt man einen großartigen Blick auf die nur leicht wellige Prärie im Osten und die steilen Berge im Westen, die zum Glacier Nationalpark gehören. Ganz tief unten im Tal liegt Two Medicine, wo wir in der Rangerstation die nächsten Zeltplätze buchen. In der Hauptsaison hat man absolut keine Chance kurzfristig einen solchen Backcountrypermit zu bekommen, selbst jetzt nach Saisonende ist die Auswahl an freien Zeltplätzen begrenzt.

Bis zum Old Man Lake Campground durchwandern wir ein wunderbares Hochgebirgstal. Der Talboden leuchtet in allen erdenklichen roten, orangenen und gelben Farben. Old Man Lake ist ein tiefblauer Moränensee in einem gewaltigen Talkessel, begrenzt von senkrechten Granitwänden. Es ist kalt hier, während der letzten Meile beginnt es zu schneien, da bin ich froh über die halbe zusätzliche Liegematte, die ich aus der Hikerbox im Hostel mitgenommenen hatte.

Old man lake

Am nächsten Morgen weckt uns Eisregen, es ist sehr ungemütlich. Unsere Tagestappen im Nationalpark sind kurz, so haben wir genug Zeit, um auf besseres Wetter zu warten und auch um die herrliche Landschaft zu geniessen.. Und tatsächlich wird es noch ein sonniger Tag.

In vielen Serpentinen steigt der Pfad durch einen Steilhang auf zum 2500 Meter hohen Ptamikanpass. Ungläubig staunen wir über die senkrechten, glatten Granitwände, die bizarren, pyramidenförmigen Gipfel der 3000er um uns herum. Tief im Tal glitzern jadegrüne Seen in der Sonne.

Ptamikanpass

Rasch und leicht ist der Abstieg in das Tal bewältigt und viel zu schnell sind wir an unserem Zeltplatz. Dreamwalker fühlt sich noch nicht ausgelastet, sie will noch eine 5 Kilometer Wanderung zu einem See unternehmen. Überraschend rasch ist sie wieder zurück und berichtet aufgeregt von einem sehr großen Elchbullen, der sie angegriffen hat. Sie ist auf einen umgestürzten Baum geklettert und hat laut gebrüllt und mit einem Stock herumgefuchtelt. Das hat das Tier wohl abgeschreckt -er hat nur einen Meter vor ihr kehrt gemacht. Es ist wirklich gefährlich, denn während der Brunftzeit sind die Tiere unberechenbar.

Nachts regnet es heftig und am Morgen hüllt dichter Nebel das Tal ein. Der Trail führt uns an den steilen Talhängen rasch bergauf über die graue Nebelschicht.

Morgenstimmung auf dem Trail

Dort oben scheint die Sonne vom blauen Himmel und von den Berggipfeln glitzert der erste Neuschnee. Kleine Bergseen leuchten aus den düsteren Talkesseln empor. Eine unvergessliche Stimmung. Der Triple Divide Pass ist leicht erreicht. Wieder einmal sind wir überwältigt von dieser wahrhaftig gigantischen Bergkulisse.

Auf dem Weg zum Triple Divide Pass

Der nächste Tag bringt eine tolle Überraschung. An unserer Zeltstelle läuft ein Wanderer vorbei, den wir gut kennen. Gallant aus Südkorea ist in New Mexico zeitweise mit uns gelaufen. Wir hätten nie damit gerechnet, ihn wieder zu sehen. So ist die Freude auf allen Seiten riesig groß. Er wird uns von nun an begleiten.

Ranger und Gallant

Nachdem der Morgennebel von der Sonne vertrieben ist, wandern wir lange am St.Marys Lake durch eine wahre Traumlandschaft. Die mit Schnee gepuderten Felswände spiegeln sich im See, es gibt herrliche Wasserfälle. Wir genießen jede Meile.

St. Mary's lake
St. Mary’s lake

Weil schlechtes Wetter angekündigt ist, fahren wir mit dem kostenlosen Shuttlebus über die berühmte Going to the sun road hinunter in den Ort St. Marys, wo wir einen Tag bei Kälte und Schneeregen verbummeln.

Danach ist das Wetter wieder gut, aber es bleibt nun mit Temperaturen um den Gefrierpunkt in der Nacht und unter 10 Grad am Tag richtig kalt. Dazu weht ein eisiger Wind. Wieder geht es über einen hohen Pass, dieses Mal laufen wir durch Neuschnee, und wieder sind wir wegen der einfach unfassbar schönen Landschaft total aus dem Häuschen.

 

Pieganpass

Abends erreichen wir Many Glacier, einen der wenigen Orte im Park, die mit den Auto angefahren werden können.

Und dann ist auch schon der letzte “echte“ Wandertag da. Und dies ist einer der absoluten Höhepunkte der Tour. Sehr schön schon der Anstieg zum Ptamigantunnel durch ein idyllisches Trogtal in wunderbarem Sonnenlicht. Der Talschluss wird gebildet durch einen felsigen Trog mit einem kristallklaren See, in dessen eisigem Wasser Dreamwalker und Gallant todesmutig ein sehr kurzes Abschiedsfeier-Bad nehmen.

Bad im eisigen See

Über den Steilhang führt der Pfad dann hinauf zu einem kleinen Tunnel für Fußgänger. Nach nur ca. 20 Metern ist man auf der anderen Seite des Passes und uns verschlägt es wirklich den Atem. Denn der Tunnel kommt mitten in einer ca. 200 Meter senkrecht abfallenden Felswand ans Tageslicht. Der Trail ist in den Fels gehauen, der Blick geht von wilden Berggipfeln und Gletschern in ein sehr tief unter uns liegendes Tal mit dem herrlichen Elisabeth Lake. Von hier oben entdecken wir am flachen Seeufer ein kleines Wolfsrudel, dass verspielt im Wasser herumtobt.

Hinter dem Ptamigantunnel

Und dann bauen wir zum letzten Mal unser Zelt am CDT auf, ein letztes Lagerfeuer, ein letztes Mal wird der Essenssack bärensicher aufgehängt. Nur noch 8 Kilometer sind bis zu unserem Ziel, der kanadischen Grenze am Chief Mountain, durch das idyllische Bell River Valley zu laufen. Es ist ein nebeliger Herbsttag… das passt zu unserer Abschiedsstimmung.

Genau 5 Monate nach unserem Start in New Mexico kommen wir ans Ziel.

 

Das Ziel ist erreicht, die us-kanadische Grenze

Glücklich und dankbar, dass unsere große Tour so gut verlaufen ist, auch ein wenig stolz auf unsere Leistung. 4000 Kilometer zu Fuß quer durch die USA, am Anfang waren wir uns gar nicht so sicher, ob wir das schaffen. Es war eine unglaublich intensive und tolle Zeit, manchmal sehr hart und oft sehr, sehr schön. Deshalb mischt sich die Freude auch mit einer gewissen Traurigkeit, dass dieses Erlebnis nun vorüber ist. Uns bleiben noch 10 Tage bis zum Heimflug von Seattle nach Frankfurt.

Ungefähres Höhenprofil der Wanderstrecke zwischen Glacier und Chief Mountain
Ungefähres Höhenprofil der Wanderstrecke zwischen Glacier und Chief Mountain

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