Von Tvirmi durch den Kleinen Kaukasus nach Tblisi

Unsere Route nach Tbilisi
Das Bergdorf Tvirmi im Großen Kaukasus
Der Berg Tenuldi im Großen Kaukasus
Auf der Dorfstraße in Tvirmi

Am 6.9 fahren wir von Tvirmi in Richtung Süden durch unendliche Felder und eher langweilige Dörfer im Flachland der Region Imeretien. Eine schöne Unterbrechung bietet Kutaisi, die zweitgrößte Stadt Georgiens. Die Stadt ist völlig untouristisch und daher umso interessanter. Am Stadtrand fallen die völlig verfallenen Wohnhochhäuser aus Sowjetzeiten auf, in der Altstadt stehen zwar auch dringend renovierungsbedürftige, aber schöne, alte Häuser neben halb verrotteten Betonklötzen. Überall wuselt dichter Autoverkehr, man muss höllisch aufpassen. Auf einem Hügel über der Altstadt liegt die große Bagrati-Kathedrale. Die Ruine der über 1000 Jahre alten Kirche wurde vor ca. 10 Jahren wieder aufgebaut, was Bedingung war für die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. Allerdings wurden auch fremde Materialien wie Stahlträger und Beton verwendet, was dem Gesamtbild sehr schadet. Sehr schön ist ein Rundgang durch die Markthallen der Altstadt. Hier gibt es alles, was der Mensch braucht: Schuhe, Kleidung, Haushaltswaren und vor allem Lebensmittel. Obst und Gemüse ist in Georgien unglaublich lecker und zudem für uns spottbillig, so kostet z. B. ein Kilo Tomaten umgerechnet ca. 30 bis 40 Cent.

Kathedrale in Kutaisi

Weiter geht dann die Fahrt in die Berge des Kleinen Kaukasus, dessen Berge eine Höhe von ca. 2800 m erreichen. Endlich kommen wir aus der schwülen Hitze der Ebene wieder in kühle, klare Luft. Wir sind im Bordshomi-Charagauli-Nationalpark, der für seine großen unberührten Wälder bekannt ist. Die Straße windet sich in endlosen Kurven durch ein tief eingeschnittenes Tal mit Rhododendron und herrlichen, dichten Mischwald. Schließlich endet der Asphalt und die nun einspurige Straße wird zum holprigen Waldweg. Dichter Nebel zieht an den Hängen hoch, die Tannen tragen lange Bartflechten. Ein richtiger Urwald. Mit ca. 15 km/h kriecht unser Bus tapfer weiter bergauf, bis oberhalb der Baumgrenze die Zekari-Passhöhe von 2.182 m erreicht ist. Hier wollen wir über Nacht auf einer Almwiese bleiben. Einer der zahlreichen riesenhaften Hirtenhunde interessiert sich sehr für unser Auto und platziert sich direkt vor der Tür. Wir wagen es zunächst nicht auszusteigen. Der Hund sieht zwar freundlich aus, aber ob er die Ohren anlegt oder mit dem Schwanz wedelt, ist nicht zu erkennen, denn beides wird den Hütehunden hier oft abgeschnitten, damit sie beim Kampf mit Bären oder Wölfen, die es hier noch gibt, weniger angreifbar sind. Ein Auto aus Turkmenistan hält auf dem Pass, zwei Männer steigen aus, tätscheln dem Riesenhund beiläufig den massigen Kopf und bewundern dabei die in Nebel gehüllte Landschaft. Da trauen auch wir uns aus dem Bus heraus und kraulen dem muskelbepackten Ungeheuer den dichten Pelz. Für die Nacht haben wir wieder einmal einen Wachhund, mit dem wir unser Abendessen teilen und der dafür die um uns herum grasenden Kühe und Schweine auf Abstand hält.Nachts regnet es und am nächsten Morgen hängt noch immer alles dicht im Nebel, es ist mit nur 5 Grad ziemlich kalt. Unser treuer Hund wartet schon auf sein Frühstück.

Stellplatz am Zekari-Pass mit Nachtwächter
Almhütten am Zekari-Pass

Langsam rollen wir dann wieder den Pass herunter. Auch diese Straße wird gerade verbreitert, der Bus wühlt sich durch den rutschigen Schlamm der Baustelle. Hinterher sieht er so dreckig aus wie ein “richtiger“ Overlander-na ja, beinahe jedenfalls. Auf der Südseite der Berge sieht die Landschaft völlig anders aus, eine trockene Steppe. Und warm ist es hier auch wieder. Durch ein schönes Tal geht es nach Achalziche, einer Stadt nahe der türkischen Grenze, wo wir die Altstadt mit der Festungsanlage Rabati besichtigen. Die Stadt gehörte vor einigen hundert Jahren auch einmal zum Osmanischen Reich. Der größte Teil der Gebäude wurde ebenso wie die Moschee mit ihrer goldenen Kuppel rekonstruiert und die Anlage mit ihren schönen Gärten und Brunnen ist wirklich sehenswert.

Altstadt und Festung in Achalziche

Danach fahren wir weiter durch ein schönes Flusstal bis zum Borshomi. Hier gehen wir am nächsten Morgen in den schwefelhaltigen Thermalquellen baden. Mitten im Wald und nur zu Fuß zu erreichen liegen drei kleine Badebecken, in denen man das 32 Grad warme Wasser genießen kann. Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Quellen Anziehungspunkt für den russischen Adel, Borshomi wurde zu einem vornehmen Kurort. Einige schöne alte Villen und Hotels sind noch erhalten, vieles ist aber auch verfallen und in der Neustadt dominieren die Betonhäuser aus Sowjetzeiten. Wir bummeln durch den Kurpark mit seinen Karussells und Verkaufsständen, “ genießen“ das lauwarme Mineralwasser aus der Heilquelle und betrachten die vielen Touristen, die vor allem aus Georgien, Russland und den arabischen Ländern kommen. Auch gönnen wir uns den ausgezeichneten georgischen Kuchen und Kaffee.

Thermalquellen in Borshomi

Am Nachmittag fahren wir über die Autobahn Richtung Osten. 160 Kilometer sind es laut Straßenschild bis Tblisi ( Tiflis), die Hauptstadt des Landes, nur 1300 bis Teheran. Wie nah das ist, wir sind ganz schön weit weg von zu Hause. Tblisi hat über eine Million Einwohner und einen irren, chaotischen Autoverkehr. Wir sind froh, als wir endlich unsere Unterkunft “Tblisi Yard Hostel“ in der Innenstadt erreichen. Wahrscheinlich die billigste in der ganzen Stadt, ein schon sehr herunter gekommenes Haus in einer Sackgasse, direkt neben des Bahngleisen und bekannter Treffpunkt für Overlander Richtung Zentralasien. Hier kann man für ca. 1,50 Euro pro Person im Hinterhof parken und übernachten sowie Küche und Sanitäranlagen des Hostels nutzen. Aber es gibt eine heiße Dusche und die Toilette ist auch benutzbar. Doch das allerbeste sind die herumlungernden Katzen, vor allem die ganz Kleine, die neugierig unseren Bus erobert und sich vertrauensvoll zum Schlafen auf meinem Schoß einrollt. Es stehen auch zwei mit Sandblechen gespickte Landrover und zwei große, sandfarbene Expeditionsfahrzeuge im Hinterhof (alle aus Deutschland), sie sehen sehr martialisch aus, rollende Festungen. Daneben wirkt unser braver roter Bus wie ein Zwerg.

Hinterhofidylle im Hostel in Tbilisi
Altstadt von Tbilisi

In den nächsten zwei Tagen durchkämmen wir die Innenstadt von Tbilisi zu Fuß. Schon der Fußweg vom Hostel ist höchst interessant. Fast alle Gebäude in den “normalen“ Vierteln sind total herunter gewirtschaftet und baufällig, kaputte Fenster, Dächer und Haustüren, herabfallender Putz, zerbröckelnde Balkons. Im Erdgeschoss oder dem Souterrain findet man oft kleine Läden und düstere Werkstätten. Es ist erschütternd, unter welch einfachsten Verhältnissen die Menschen leben und uns wird wieder einmal deutlich, wie privilegiert wir im reichen Deutschland leben. In der Altstadt und auf der Festung hoch über dem Fluss sind natürlich sehr viele Touristen und die alten Häuser mit ihren schönen geschnitzten Holzveranden sind restauriert und herausgeputzt. In den Seitengassen aber kann man die Gebäude im Ursprungszustand bewundern. Es ist erstaunlich, dass sie nicht zusammenfallen und noch verwunderlicher, dass hier noch Leute drin wohnen. Das Viertel Sololaki war vor 120 Jahren die Wohngegend der reichen Kaufleute, hier bewundern wir die herrlichen Jugendstilhäuser, die ebenfalls zum größten Teil verfallen sind. Und dann gibt es natürlich noch die schicken Einkaufsstraßen mit Nobelläden und den dicken schwarzen Limousinen und die Glaspaläste, die in den 1990er Jahren entstanden sind.

Stadtviertel Sololaki in Tbilisi
Desertirebis Bazari

Der Desertirebis Bazari, ein riesiger Markt in Nähe des Hauptbahnhofs, wo es zu günstigen Preisen wirklich alles gibt, ist ein typisch orientalischer Basar. Er ist touristenfreie Zone und gehört (noch) den nicht gut betuchten Tbilisern. Hier lassen wir uns ziellos durch die engen Verkaufsgassen treiben, bestaunen die Süßigkeitenhändler, die große Auswahl von Gemüse, Obst, Gewürzen, halbe Schweine, lebende Fische, Kleidung jeder Art und vieles mehr. Die alten Marktfrauen haben immer Zeit für ein Schwätzchen oder einem Imbiss. Ein Fest für Augen und Nase. Dann geht es über den breiten Agmaschenebeli-Boulevard mit meist frisch renovierten, herrlichen stuckverzierten Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert, eine ganz andere Welt und auf der anderen Seite des Mtkawari-Flusses schlendern wir über den Rustaveli-Boulevard, wo man die teuren Modegeschäfte findet. Es sind auch gerade diese Gegensätze zwischen Moderne und morbiden Charme, Europa und Orient, die den Reiz der Stadt ausmachen. Nicht unbedingt “schön“, aber sehr spannend.

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